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VwGH vom 28.06.2013, 2010/02/0222

VwGH vom 28.06.2013, 2010/02/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie die Hofräte Dr. Beck, Mag. Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zlen. UVS- 19/10333/4-2010 und UVS-19/10334/4-2010, betreffend Übertretungen des BauKG (mitbeteiligte Partei: Mag. P in S, vertreten durch die Dr. Daniel Bräunlich Rechtsanwalt GmbH in 5020 Salzburg, Mozartplatz 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit zwei Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadt Salzburg jeweils vom wurde der Mitbeteiligte als Vorstand und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der S.-AG als Bauherr jeweils mehrerer Übertretungen - der §§ 6, 7 und 8 iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 - des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG) für schuldig befunden und jeweils mit einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.

Gegen diese Bescheide erhob der Mitbeteiligte jeweils Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde den Berufungen Folge gegeben, die Straferkenntnisse wurden aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die S.-AG habe mit der am unterfertigten, beim Arbeitsinspektorat am eingelangten Bestellungsurkunde den Mag. R. S. und mit der am unterfertigten, beim Arbeitsinspektorat am eingelangten Bestellungsurkunde den G. W. gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt. Es sei daher für die gegenständlichen Übertretungen des BauKG nicht der Mitbeteiligte, sondern der jeweils von der S.-AG namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte Normadressat. Die Straferkenntnisse vom seien daher zu beheben und das jeweilige Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, im vorliegenden Fall sei der den verantwortlichen Beauftragten übertragene und mit "Einhaltung … aller Arbeitnehmerschutzvorschriften" umschriebene sachliche Verantwortungsbereich hinsichtlich der Frage, ob davon auch das BauKG umfasst sei bzw. nach dem Willen der Beauftragenden und Beauftragten umfasst sein solle, keineswegs eindeutig und klar.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz habe die Frage, ob das BauKG von der Umschreibung "alle Arbeitnehmerschutzvorschriften" umfasst sei, verneint, während die belangte Behörde die Ansicht vertrete, das BauKG stelle in materieller Hinsicht eine Arbeitnehmerschutzvorschrift dar und sei deshalb von der Umschreibung umfasst.

Schon daraus lasse sich ersehen, dass die in den beiden Bestellungsurkunden getroffenen Umschreibungen des sachlichen Verantwortungsbereiches hinsichtlich der Frage, ob sie auch das BauKG umfassten, auf verschiedene Weise gedeutet werden könnten und gegensätzliche Interpretationen zuließen, sodass diese Umschreibung keineswegs eindeutig sei. Sie könne auch wohl kaum als "zu keinen Zweifeln Anlass gebend" betrachtet werden. Dies umso weniger, als nach dem Wortlaut der Bestellungsurkunden die Bestellungen des Mag. R. S. und des G. W. von der S.-AG in deren Funktion als "Arbeitgeberin" vorgenommen worden seien. Es spreche somit einiges dafür, dass die S.-AG die Verantwortung (nur) für jene Verpflichtungen habe delegieren wollen, die ihr in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin oblägen. Das seien aber nicht die ihr aufgrund des BauKG obliegenden Verpflichtungen. Diese träfen sie nämlich in ihrer Eigenschaft als Bauherrin und nicht in jener als Arbeitgeberin. Nach dem Urkundentext enthalte die Bestellung des Mag. R. S. und des G. W. aber keinerlei Bezug zu der Tätigkeit der S.-AG als Bauherrin.

Vom Mitbeteiligten sei in den Verfahren erster Instanz zunächst eine andere Bestellungsurkunde ins Treffen geführt worden, mit der die S.-AG in ihrer Eigenschaft als Bauherrin den Ing. B. zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung aller baurechtlichen Vorschriften bestellt habe. Erst als sich im Verfahren herausgestellt habe, dass diese Bestellung mangels Übermittlung der Urkunde vor dem Tatzeitpunkt an das Arbeitsinspektorat nicht rechtswirksam gewesen sei, sei die Bestellung des Mag. R. S. und des G. W. zu verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung des BauKG behauptet worden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 BauKG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis

7.260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis

14.530 EUR zu bestrafen ist, wer als Bauherr die Verpflichtungen nach § 3, § 4 Abs. 1, § 6, § 7 oder § 8 dieses Bundesgesetzes verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 10 Abs. 1 BauKG unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 5 leg. cit. in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0119, ausgesprochen, dass es sich bei den zu beachtenden Vorschriften des BauKG unter anderem um Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt.

§ 9 des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG), BGBl. I Nr. 37/1999 enthält - wie bereits aus der Überschrift dieser Bestimmung zu ersehen ist - nähere Vorschriften über die "Übertragung von Pflichten des Bauherrn".

Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. kann der Bauherr, wenn ein Projektleiter eingesetzt ist, seine Pflichten nach § 3, § 4 Abs. 1, § 6, § 7 und § 8 dieses Bundesgesetzes dem Projektleiter mit dessen Zustimmung übertragen, wobei Abs. 1 nicht gilt, wenn ein Betriebsangehöriger des Bauherrn als Projektleiter eingesetzt ist (Abs. 2).

In den Erläuterungen zur RV 1462 BlgNR 20. GP heißt es dazu:

" Zu § 9 (Übertragung von Pflichten des Bauherrn):

Die Möglichkeit der Übertragung von Pflichten des Bauherrn an den Projektleiter steht im Einklang mit der RL 92/57/EWG. Diese sieht in den Bestimmungen, die Pflichten des Bauherrn regeln, vor, daß der Bauherr oder der Projektleiter verpflichtet ist, Koordinatoren zu bestellen, einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan zu erstellen, eine Vorankündigung zu übermitteln und anderes. Da Bauherren in der Praxis selten ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten zur Einhaltung der Pflichten im Sinn des Entwurfs haben werden, soll durch § 9 sichergestellt werden, daß die Verantwortung dafür an kompetente Personen übertragen werden kann.

Abs 1 setzt Art. 3, 4 erster Absatz 6, 7 und 8 der RL 92/57/EWG um. Das Erfordernis der Zustimmung des Projektleiters zur Übertragung der Pflichten an ihn ist § 9 Abs 4 VStG nachgebildet.

Abs 2: Wenn der Projektleiter Betriebsangehöriger des Bauherrn ist, steht die Weisungsgebundenheit von Betriebsangehörigen gegenüber ihren Arbeitgebern einer wirksamen Übertragung der Pflichten entgegen. Der Bauherr kann natürlich einen seiner Betriebsangehörigen als Projektleiter im Sinn der RL einsetzen, in diesem Fall verbleiben aber die Pflichten beim Bauherrn.

Abs 3 und 4: Auch wenn Betriebsangehörige des Bauherrn oder des Projektleiters als Koordinatoren eingesetzt sind, sind Bauherrn bzw. Projektleiter für die Einhaltung der Koordinatorenpflichten verantwortlich."

Da § 9 Abs. 1 BauKG als lex specialis gegenüber dem § 9 VStG ausdrücklich nur die Möglichkeit der "Übertragung der Pflichten des Bauherrn" auf einen von diesem eingesetzten Projektleiter hinsichtlich dort näher genannter Bestimmungen dieses Gesetzes - so auch hinsichtlich der der Bestrafung des Mitbeteiligten zugrundeliegenden §§ 6, 7 und 8 leg. cit. - vorsieht und der Projektleiter dieser Übertragung auch zustimmen muss, war im Beschwerdefall eine Übertragung solcher Pflichten auf einen verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG von vornherein ausgeschlossen.

Es fehlt an Anhaltspunkten, dass die von der belangten Behörde genannten verantwortlichen Beauftragten auch als Projektleiter im Sinne des § 9 BauKG für die jeweilige Baustelle bestellt worden sind und in dieser Eigenschaft ihrer Bestellung zugestimmt hätten. Vielmehr ergibt sich aus den jeweiligen Bestellungsurkunden lediglich, dass diese Personen Arbeitnehmer der S.-AG sind.

Es kann daher dahin gestellt bleiben, wie der Inhalt der vom Mitbeteiligten vorgelegten Bestellungsurkunden der verantwortlichen Beauftragen auszulegen ist, weil im vorliegenden Beschwerdefall eine Bestellung von verantwortlichen Beauftragten in Bezug auf die in § 9 BauKG genannten Pflichten des Bauherrn - wie vorstehend ausgeführt - unzulässig und unwirksam war.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Aufgrund dieses Ergebnisses erübrigt es sich auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Wien, am