VwGH vom 11.12.2013, 2012/08/0133
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des D F in G, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schillerplatz 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2012- Mag.WM/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden des AMS G jeweils vom wurde der Bezug der Notstandshilfe des Beschwerdeführers einerseits für den Zeitraum vom bis und andererseits für die Zeiträume bis , bis und bis gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in der Höhe von insgesamt EUR 13.965,14 verpflichtet.
In den dagegen erhobenen Berufungen führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei im besagten Zeitraum im Betrieb seiner Mutter hauptberuflich beschäftigt gewesen. Er habe nicht gewusst, dass er bei einer hauptberuflichen Beschäftigung im Betrieb seiner Mutter vom Bezug einer Notstandshilfe ausgeschlossen sei. Es sei auch kein Kollektivvertragslohn für hauptberuflich im bäuerlichen Betrieb beschäftigte Kinder vorgesehen. Diese Beschäftigung sei keinem Dienstverhältnis eines Landarbeiters gleichzuhalten. Die hauptberufliche Beschäftigung erfolge lediglich in Erwartung einer späteren Betriebsübernahme. Aus der hauptberuflichen Beschäftigung habe er keinen Lohn bezogen und habe darauf auch keinen Anspruch.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen des Beschwerdeführers nicht statt. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit als Angehöriger bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern pflichtversichert sei, wobei der Sozialversicherungsträger im Ermittlungsverfahren mitgeteilt habe, dass für diese Pflichtversicherung eine Mindestbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden erforderlich sei, erst dann sei man in diese Pflichtversicherung eingebunden. Der Beschwerdeführer habe bei den jeweiligen Antragstellungen dem Arbeitsmarktservice nicht mitgeteilt, dass er im Betrieb der Mutter hauptberuflich beschäftigt sei. Dem Einwand, er habe keine Entlohnung enthalten, sei entgegenzuhalten, dass es nicht maßgeblich sei, ob ein Lohnteil ausbezahlt werde oder nicht. Vielmehr komme es zu einer Gegenüberstellung eines Anspruchslohnes eines betriebsfremden Dienstnehmers mit der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG und ergebe sich unter Berücksichtigung einer 20 Stundenwoche unter Zugrundelegung des Kollektivvertrages für Arbeiter der land- und forstwirtschaftlichen bäuerlichen Betriebe, Gutsbetriebe und anderen, nicht bäuerlichen Betrieben im Bundesland Steiermark, dass die Geringfügigkeitsgrenzen der maßgebenden Jahre überschritten seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Der für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit - als eine der Voraussetzungen sowohl für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 7 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AlVG) als auch für den Anspruch auf Notstandshilfe (§ 33 Abs. 2 iVm § 7 Abs. 2 AlVG) - maßgebliche § 12 Abs. 1 AlVG in der bis zum geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 lautete:
"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat."
Durch die Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 wurde § 12 Abs. 1 AlVG abgeändert und lautet seit dem :
"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer
1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,
2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und
3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."
Gemäß § 79 Abs. 94 AlVG ist § 12 Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 mit in Kraft getreten und gilt für nach dem Ablauf des geltend gemachte Ansprüche. Auf vor dem geltend gemachte Ansprüche sind diese Bestimmungen in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiter anzuwenden.
Demnach war auf den vom Beschwerdeführer am , 14. April und geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld § 12 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 anzuwenden. Auf den vom Beschwerdeführer erst im Jahr 2010 geltend gemachten Anspruch auf Notstandshilfe war hingegen § 12 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 anzuwenden.
Gemäß § 12 Abs. 3 AlVG gilt u.a. nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a) oder wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist (lit. d). Gemäß § 12 Abs. 6 AlVG gilt jedoch u. a. als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt (lit. a) oder wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigen würde (lit. d).
Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, dieses einzustellen. Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist gemäß § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat.
Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen.
Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.
2. Der Beschwerdeführer räumt schon in seinen Berufungen selbst ein, dass er im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter hauptberuflich beschäftigt ist. Dies stellt bereits jedenfalls eine Tätigkeit im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG dar, welche er gemäß § 50 AlVG unverzüglich hätte melden müssen.
3. Der Beschwerdeführer argumentiert, dass auf Grund der Unterlassung seiner Einvernahme als auch seiner Mutter nicht erhoben worden sei, in welchem Ausmaß er tatsächlich Tätigkeiten entfaltet habe bzw. in welchem Umfang der Betrieb seiner Mutter noch aktiv als Land- und Forstwirtschaft geführt werde.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Arbeitslosigkeit mit der Begründung verneint, dass der Beschwerdeführer im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG im Betrieb seiner Mutter tätig gewesen und seine Entlohnung (im Fremdvergleich) für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum jeweils über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG gelegen sei.
Mit der Frage des tatsächlichen Beschäftigungsausmaßes des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde jedoch nicht auseinandergesetzt. Sie stützt sich vielmehr auf die Auskunft des Sozialversicherungsträgers, wonach für eine Pflichtversicherung nach dem BSVG eine Mindestbeschäftigung von 20 Wochenstunden erforderlich sei.
Dass der Beschwerdeführer auch tatsächlich Tätigkeiten in diesem Umfang verrichtete, stellte die belangte Behörde aber nicht fest. Wenn gleich für die Beurteilung des Pflichtversicherungstatbestandes in der bäuerlichen Sozialversicherung bei Annahme einer "hauptberuflichen Beschäftigung" eine nähere Prüfung des Beschäftigungsausmaßes bei Fehlen einer anderen Beschäftigung nicht erforderlich ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0123), wäre jedoch bei Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 12 Abs. 6 lit. d AlVG festzustellen gewesen, in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer im Betrieb seiner Mutter tatsächlich tätig war. Auf von der Sozialversicherung fiktiv angenommene Wochenstunden kommt es nämlich nicht an.
Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
4. Nach § 12 Abs. 1 AlVG in der - auf den am geltend gemachten Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers schon anzuwendenden - Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 schließt zwar auch eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung Arbeitslosigkeit aus, selbst wenn nur eine im Sinn des § 12 Abs. 6 AlVG "geringfügige Erwerbstätigkeit" ausgeübt wurde (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/08/0195, und vom , Zl. 2009/08/0155). Dies gilt auf Grund des ohne Differenzierung nur auf die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung abstellenden Wortlauts des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG auch für eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0053).
Auf Grund der Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 BSVG (deren Voraussetzungen vorliegen, zumal der Beschwerdeführer die hauptberufliche Tätigkeit nicht bestritten hat, vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0123) ist hinsichtlich der Zeiträume im Jahr 2009 jedenfalls keine Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers gegeben.
5. Aus den unter Punkt 3) dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-71251