VwGH vom 04.08.2014, 2012/08/0132
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der M KG in W, vertreten durch die Sparlinek Piermayr Prossliner Rechtsanwälte KG in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ges-180069/26-2012-K/GU, betreffend Beitragsvorschreibung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die beschwerdeführende Partei verpflichtet, gemäß § 44 Abs. 1, § 49 Abs. 1, § 53a Abs. 1 und 2 ASVG allgemeine Beiträge in Höhe von EUR 52.878,26 sowie gemäß § 6 Abs. 1 und 5 und § 46 Abs. 1 BMSVG Beiträge in Höhe von EUR 1.398,49 sowie schließlich gemäß § 113 Abs. 1 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 13.876,16 zu entrichten. Die EDV-Listen, in welchen die Beitragsgrundlagen und Beitragszeiträume der Dienstnehmer ersichtlich seien, sowie die Tabellen, aus welchen die Entgelte und Beschäftigungszeiträume hervorgingen, würden einen Bestandteil des Bescheides bilden.
Die beschwerdeführende Partei habe Dienstnehmer, welche neben organisatorischen Bürotätigkeiten auch Gymnastikstunden abgehalten hätten, sowie nebenberufliche Fitnesstrainer nicht (bzw. nur bezüglich der organisatorischen Bürotätigkeit) zur Pflichtversicherung angemeldet.
Mit den in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden vom und sei gegenüber E. R. (stellvertretend für diejenigen DienstnehmerInnen, die Bürotätigkeiten verrichtet und Gymnastikstunden abgehalten hätten) bzw. gegenüber D. A. (stellvertretend für alle nebenberuflichen FitnesstrainerInnen) festgestellt worden, dass diese als Dienstnehmerinnen der beschwerdeführenden Partei in näher bezeichneten Zeiträumen der Voll- und Arbeitslosenversicherung bzw. der Vollversicherung sowie der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterlegen seien (vgl. zur Zurückweisung der diesbezüglichen Berufungen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0375).
Damit stehe
"(stellvertretend auch für all diese FitnesstrainerInnen) schlussendlich rechtskräftig fest, dass die laut beiliegender Liste angeführten Dienstnehmer in den diesbezüglich näher bezeichneten Zeiträumen der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG unterliegen. Insofern ist die von der (beschwerdeführenden Partei) bestrittene Rechtsfrage betreffend Pflichtversicherung der Fitnesstrainer eindeutig entschieden.
Fest steht folglich auch, dass die Meldungen der genannten Dienstnehmer vor Arbeitsantritt bzw auch deren adäquates Entgelt nicht beim zuständigen Krankenversicherungsträger vorgenommen wurden.
(...)
Aufgrund der nunmehr rechtskräftig entschiedenen Vorfrage der Pflichtversicherung in Abhängigkeit zur (beschwerdeführenden Partei) sind davon abhängig nunmehr die entsprechenden Beiträge festzustellen."
Die Berechnung der Beiträge ergebe sich aus der Beilage zu dem Bescheid. Wegen der rechtskräftig feststehenden Tatsache, dass die beschwerdeführende Partei Dienstgeberin sei, habe sie die geschuldeten Beiträge zu entrichten. Es lägen Meldeverstöße vor, die zur Vorschreibung eines Beitragszuschlages unabhängig vom Verschulden der beschwerdeführenden Partei führen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, am sei der zum Dachverband des A. gehörende A. Verein gegründet worden. Dieser sei "das Sammelbecken von rund 70 Trainern aus ganz Oberösterreich" gewesen, die sich nur mit dem Aerobictraining befasst hätten, wie eben auch die Trainerinnen E. R. und D. A. Der "Unterricht" sei in den Fitnessstudios, aber auch in Schulen, in Altenheimen und bei Betrieben durchgeführt worden. Auf Grund dieser unterschiedlichen Standorte sei (im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0296, dem im Bereich des Dachverbandes A. ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde lag) "die Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts denkunmöglich".
Es habe kein Dienstverhältnis zur beschwerdeführenden Partei gegeben. Diese habe nur ein Entgelt an den A. Verein gezahlt. Der A. Verein wiederum habe an die TrainerInnen lediglich Spesenvergütungen ausbezahlt, die kein Entgelt darstellen würden und "nach Randziffer 774 obendrein steuerfrei und nach dem Hostasch-Erlass auch sozialversicherungsfrei sind". Es seien lediglich die beiden Trainerinnen befragt worden, nicht jedoch die Vereinsorgane. Der Grundsatz der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit sei verletzt worden.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:
Die Ansicht der belangten Behörde, die rechtskräftige Feststellung über die Pflichtversicherung eines Dienstnehmers im Verhältnis zu einem Dienstgeber nach dem ASVG würde auch für alle anderen Dienstnehmer des betreffenden Dienstgebers auf Grund der materiellen Rechtskraft Bindungswirkung entfalten, ist unzutreffend. Eine im Rahmen der Vollziehung erfolgende rechtskräftige Feststellung eines Rechts oder eines Rechtsverhältnisses kann sich schon aus Gründen des rechtlichen Gehörs immer nur auf einen bestimmten festgestellten Sachverhalt beziehen, aus dem Rechtsfolgen für die Parteien eines Verfahrens abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0157). Hier stimmen weder die die Beschäftigung bestimmter Dienstnehmer betreffenden Sachverhalte noch die Parteien des Rechtsverhältnisses mit jenen der Vorverfahren überein.
Im angefochtenen Bescheid war als strittige Vorfrage für die Entscheidung über die vorgeschriebenen Beiträge und Beitragszuschläge die Versicherungspflicht der von der beschwerdeführenden Partei beschäftigten TrainerInnen zu beurteilen. Rechtskräftige Entscheidungen darüber lagen nur in Bezug auf die zwei genannten Mitarbeiterinnen vor.
Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, aus den entschiedenen Fällen die verallgemeinerungsfähigen Sachverhaltselemente herauszuarbeiten, mit ihnen - sofern die "Musterfälle" mit Bedacht gewählt worden waren - entsprechende Fallgruppen zu bilden und für die einzelnen Fallgruppen in rechtlicher Hinsicht - gegebenenfalls unter teilweisem Verweis auf den Inhalt der der beschwerdeführenden Partei bekannten Entscheidungen über die Versicherungspflicht - darzulegen, wie die Vorfrage jeweils zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0002, sowie zu den beweiswürdigenden Überlegungen im Hinblick auf die unter gleichen Bedingungen tätigen Dienstnehmer die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/08/0045, sowie vom , Zl. 2012/08/0200).
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Altfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am