VwGH vom 26.11.2010, 2010/02/0196
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des RL in P, vertreten durch Dr. Peter Wasserbauer, Dr. Gisela Possnig, Dr. Michael Maurer, Rechtsanwälte in 8160 Weiz, Lederergasse 10/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.19-89/2009-9, betreffend Übertretungen des Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der BH Weiz vom wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am zwischen 14.20 Uhr und 16.45 Uhr in insgesamt 20 Fällen unter anderem als Tierhalter gegen näher genannte Bestimmungen des Tierschutzgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 118/2004 (TSchG), und der
1. und 2. Tierhaltungsverordnung verstoßen. Allen vorgeworfenen Sachverhalten war gemein, dass die Größe der Unterstände für die gehaltenen Tiere oder die Fläche der Zwinger bzw. sonstiger Haltungseinrichtungen als zu klein bewertet wurde, weil sie den in den Tierhaltungsverordnungen genannten Größenvorgaben nicht entsprochen hätten.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hinsichtlich einiger Spruchpunkte mit der Maßgabe abgewiesen, dass mehrere Übertretungen zusammengefasst und als eine Übertretung mit einer Strafe belegt wurden, teilweise hat die belangte Behörde der Berufung insofern Folge gegeben, als sie hinsichtlich einiger Spruchpunkte die Geldstrafe bzw. die Freiheitsstrafen herabgesetzt und in einem Punkt das Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt hat.
In der - für das vorliegende Verfahren noch maßgeblichen - Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde zu dem vom Beschwerdeführer schon in der Berufung vorgebrachten Argument, gemäß § 44 TSchG sei dieses Gesetz im Beschwerdefall nicht anwendbar, aus, es sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Tatbegehung () maßgebend, was zur Anwendung des TSchG führe. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer eine gesetzeskonforme Haltung der Tiere auch ohne bauliche Maßnahmen, etwa durch die Umgruppierung von Tieren bzw. durch die Verringerung der Anzahl der Tiere pro Box, Käfig, Terrarium oder sonstiger Unterkunft, erreichen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Den einzelnen Bestrafungen liegen im Beschwerdefall Übertretungen des TSchG 2004 in Verbindung mit der 1. und
2. Tierhaltungsverordnung zu Grunde, weil die Größe näher genannter baulicher Einrichtungen zur Haltung der Tiere (Unterstände, Zwinger, Terrarium) diesen Bestimmungen nicht entsprochen hätte, was der Beschwerdeführer im Übrigen nicht bestritten hat. Unbestritten bestanden auch die von der belangten Behörde als dem TSchG und der 1. und 2. Tierhaltungsverordnung widersprechend beurteilten baulichen Einrichtungen des Beschwerdeführers zur Tierhaltung bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TSchG am .
Das Bestehen dieser baulichen Einrichtungen schon bei Inkrafttreten des TSchG führt der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen, auf Grund der Übergangsbestimmung des § 44 TSchG seien im Beschwerdefall das TSchG und die genannten Verordnungen nicht anwendbar. Er hätte daher nach diesen Bestimmungen nicht bestraft werden dürfen.
Die im Beschwerdefall maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§ 44 Abs. 4 TSchG in der bis zur Novelle BGBl. I Nr. 80/2010 unverändert gebliebenen Fassung lautet:
"Die Neuerrichtung von Anlagen oder Haltungseinrichtungen darf nur nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Verordnungen erfolgen. Für bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes bestehende Anlagen oder Haltungseinrichtungen gelten die Anforderungen dieses Bundesgesetzes und der auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen, soweit
1. deren Einhaltung ohne bauliche Maßnahmen, die über die Instandsetzung oder über die Ersetzung einzelner Elemente hinausgehen, möglich ist oder
2. darüber hinausgehende bauliche Maßnahmen an von diesen Anforderungen betroffenen Teilen der Anlagen oder Haltungseinrichtungen durchgeführt werden.
Soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten im Rahmen der Europäischen Union erforderlich ist, sind in den Verordnungen gemäß § 24 die notwendigen Regelungen zu treffen."
In den Materialien zu dieser Bestimmung (RV 446 der Beilagen XXII. GP) heißt es:
"Die neuen Regelungen treten für alle nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes neu errichteten oder in Betrieb genommenen Anlagen und Haltungseinrichtungen ohne weiteres in Kraft. Auch von bestehenden Betrieben wird unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Tierhaltung gemäß § 13 erwartet werden können, dass bestimmte wirtschaftlich zumutbare Änderungen leicht erneuerbarer Aufstallungsteile und Installationen sowie auch Zubehör innerhalb einer angemessenen Frist, die in der Verordnung gemäß § 24 festzulegen wäre, vorgenommen werden. Bis zum Inkrafttreten der Verordnungsbestimmungen gemäß § 24 Abs. 1 gelten hinsichtlich der baulichen Ausstattung und Haltungsvorrichtung die landesrechtlichen Regelungen, die in Umsetzung der Vereinbarung zwischen den Ländern gemäß Art. 15a B-VG zur Verbesserung des Tierschutzes im allgemeinen und im besonderen im außerlandwirtschaftlichen Bereich sowie der Vereinbarung zwischen den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft erlassen wurden, einschließlich der Übergangsfristen als bundesgesetzliche Regelungen weiter. Soweit es zur Durchführung von Rechtsakten im Rahmen der Europäischen Union erforderlich ist, sind in den Verordnungen gemäß § 24 die notwendigen Regelungen zu treffen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0176, mwN, zu § 44 Abs. 4 TSchG ausgeführt:
"Wie § 44 Abs. 4 TSchG zu entnehmen ist, bezieht sich diese Übergangsregelung aber nur auf den Bauzustand von Anlagen oder Haltungseinrichtungen zur Tierhaltung, nicht jedoch auf die Anforderungen an die Tierhaltung selbst. Liegt daher ein Verstoß gegen Bestimmungen über die Tierhaltung - etwa hinsichtlich der Bewegungsfreiheit der Tiere - vor, ist es ohne Belang, ob die Anlage oder Haltungseinrichtung, in der die Tierhaltung erfolgt, auf Grund der in Rede stehenden Übergangsbestimmung unverändert blieb oder ob sie neu errichtet wurde."
Grundsätze für die im 2. Hauptstück des TSchG geregelte Tierhaltung finden sich im § 13 TSchG (detailliertere Vorschriften in den §§ 14 ff TSchG). So hat gemäß § 13 Abs. 2 TSchG, wer ein Tier hält, dafür zu sorgen, dass das Platzangebot, die Bewegungsfreiheit, die Bodenbeschaffenheit, die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und Haltungsvorrichtungen, das Klima, insbesondere Licht und Temperatur, die Betreuung und Ernährung sowie die Möglichkeit zu Sozialkontakt unter Berücksichtigung der Art, des Alters und des Grades der Entwicklung, Anpassung und Domestikation der Tiere ihren physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen sind. Mindestanforderungen für die in § 13 Abs. 2 TSchG genannten Haltungsbedingungen und erforderlichenfalls Bestimmungen hinsichtlich zulässiger Eingriffe sowie sonstiger zusätzlicher Haltungsanforderungen hat nach § 24 Abs. 1 TSchG der Bundesminister für Gesundheit unter Berücksichtigung der Zielsetzung und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen für näher genannte Tiere (gemäß § 25 Abs. 3 TSchG auch für Wildtiere) durch Verordnung zu erlassen. Diese Vorschriften über die Anforderungen an die Tierhaltung (§§ 13 ff TSchG) sind seit Inkrafttreten des TSchG 2004 ohne Einschränkung anwendbar.
Regeln aber die 1. und 2. Tierhaltungsverordnung Mindestanforderungen für die in § 13 Abs. 2 TSchG genannten Tierhaltungsbedingungen, bedeutet die Verletzung der dort angeführten Vorgaben hinsichtlich der Größe bestimmter Anlagen jedenfalls einen Verstoß gegen Bestimmungen über die Tierhaltung (§ 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 TSchG). Gemäß § 38 Abs. 3 TSchG begeht nämlich eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 3.750,--, im Wiederholungsfall bis zu EUR 7.500,-- zu betrafen nicht nur, wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen die §§ 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2 oder 39 TSchG verstößt, sondern auch, wer gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt. Darunter fallen nicht nur Bescheide, sondern auch die gemäß §§ 24 Abs. 1 und 25 Abs. 3 TSchG erlassene 1. und 2. Tierhaltungsverordnung.
Nach dem bereits zitierten Erkenntnis vom ist es bei einem Verstoß - auch - gegen Bestimmungen über die Tierhaltung im Hinblick auf § 44 Abs. 4 TSchG ohne Belang, ob die nicht dem TSchG bzw. der 1. und 2. Tierhaltungsverordnung entsprechende Anlage oder Haltungseinrichtung, in der die Tierhaltung erfolgt, auf Grund der in Rede stehenden Übergangsbestimmung unverändert blieb oder ob sie neu errichtet wurde.
Die belangte Behörde hat die Bestrafung des Beschwerdeführers auf Übertretungen näher genannter Bestimmungen der 1. und
2. Tierhaltungsverordnung gestützt, weil bestimmte vom Beschwerdeführer für die verschiedenen Tiere zur Verfügung gestellte Flächen zu klein waren. Dabei handelt es sich um Überdachungen (Übertretungen 2 bis 4, 6 bis 9, Übertretung 11) und Zwingergrößen (Übertretungen 10, 12 bis 20). Damit haben die Anlagen des Beschwerdeführers den Mindestanforderungen an die in § 13 Abs. 2 TSchG genannten Tierhaltungsbedingungen, somit Bestimmungen über die Tierhaltung, nicht entsprochen und fallen deshalb nicht unter die nur für Anforderungen an Baulichkeiten gedachte Übergangsregelung des § 44 Abs. 4 TSchG. Die belangte Behörde ist demnach im Ergebnis zutreffend von der Anwendbarkeit des TSchG 2004 und der 1. und 2. Tierhaltungsverordnung im Beschwerdefall ausgegangen.
In seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer keine über die Beantwortung dieser Frage hinausgehenden Argumente vorgetragen, insbesondere hat er die Vorwürfe nicht im Einzelnen bestritten, sodass seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-71239