VwGH vom 22.07.2014, 2012/08/0130
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der I P in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9-000778, betreffend Zuerkennung von Übergangsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom stellte die regionale Geschäftsstelle fest, der Beschwerdeführerin gebühre ab Übergangsgeld. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, sie habe sich nach ihrer Abmeldung wegen eines Spitalsaufenthaltes erst am wieder bei ihrer regionalen Geschäftsstelle gemeldet.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, die Feststellung des Arbeitsmarktservices (hinsichtlich der Abmeldung wegen des Spitalsaufenthaltes) sei nicht korrekt. Sie habe lediglich bekanntgegeben, dass sie sich vermutlich am in ein Spital begeben müsse. Sie habe nicht konkret erklärt, in eine Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen zu werden, sondern nur eine vage Möglichkeit dafür dem AMS zur Kenntnis gebracht. Hinzu komme, dass ihr für Februar 2011 das Geld in voller Höhe, also auch für die Zeit nach dem 21. Februar, ausbezahlt worden sei und sie auch am 7. März eine Mitteilung über den Leistungsanspruch bekommen habe, auf der keine diesbezügliche Unterbrechung vermerkt gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde (auszugsweise) fest, ab dem habe die Beschwerdeführerin Übergangsgeld bezogen. Am finde sich in der EDV des Arbeitsmarktservice folgender Eintragung: "Spital ab 21.2.". Daher sei der Leistungsbezug ab dem eingestellt worden. Eine nachträgliche Berichtigung der Beschwerdeführerin bzw. eine Meldung, dass sie nun doch nicht im Spital sei, sei weder im Leistungsakt noch in der EDV des Arbeitsmarktservice ersichtlich. Die Beschwerdeführerin habe sich wieder am beim Arbeitsmarktservice gemeldet und mitgeteilt, dass sie nicht im Spital gewesen sei. Es sei ihr daher das Übergangsgeld ab dem wieder gewährt worden. Beweiswürdigend hielt die belangte Behörde fest, die Feststellungen würden sich auf den Leistungsakt, auf die chronologisch über EDV geführten Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservice sowie auf ihre eigenen Angaben stützen.
Rechtlich erachtete die belangte Behörde, dass der Arbeitslose verpflichtet sei, wenn er den Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe unterbricht, seinen Anspruch auf den Fortbezug neuerlich geltend zu machen. Die Wiedermeldung könne telefonisch oder elektronisch erfolgen. Erfolge die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach der Unterbrechung gebühre das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe ab dem Tag der Wiedermeldung. Da die Beschwerdeführerin ihre Meldepflichten zur Kenntnis genommen habe, habe sie gewusst, dass eine Wiedermeldung auch bei Nichtzustandekommen eines Krankenstandes binnen einer Woche beim Arbeitsmarktservice zu erfolgen habe. Unbestritten sei, dass sie dem Arbeitsmarktservice am einen Spitalsaufenthalt ab 21. Februar gemeldet habe. Dies sei keine vage Möglichkeit einer Aufnahme in ein Spital, sondern eine konkrete Angabe der Beschwerdeführerin gewesen. Auf Grund der Wiedermeldung am stünde ihr erst ab diesem Zeitpunkt das Übergangsgeld wieder zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und beantragte in der Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 16 Abs. 1 lit. c AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Unterbringung des Arbeitslosen in einer Heil- oder Pflegeanstalt.
§ 46 AlVG lautet in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 63/2010 auszugsweise wie folgt:
"Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld
§ 46 (5) Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen
oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die Wiedermeldung kann telefonisch oder elektronisch erfolgen, soweit die regionale Geschäftsstelle nicht ausdrücklich eine persönliche Wiedermeldung vorschreibt. Die regionale Geschäftsstelle kann die persönliche Geltendmachung oder Wiedermeldung insbesondere vorschreiben, wenn Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung bestehen oder eine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung.
(6) Hat die arbeitslose Person den Eintritt eines Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestandes wie zB die bevorstehende Aufnahme eines Dienstverhältnisses ab einem bestimmten Tag mitgeteilt, so wird der Bezug von Arbeitslosengeld ab diesem Tag unterbrochen. Tritt der Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand nicht ein, so genügt für die Geltendmachung die Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die Wiedermeldung kann telefonisch oder elektronisch erfolgen, soweit die regionale Geschäftsstelle nicht ausdrücklich eine persönliche Wiedermeldung vorschreibt. Die regionale Geschäftsstelle kann die persönliche Wiedermeldung insbesondere vorschreiben, wenn Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung bestehen oder eine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach der Unterbrechung, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung.
(7) Ist der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein bekannt und überschreitet die Unterbrechung oder das Ruhen den Zeitraum von 62 Tagen nicht, so ist von der regionalen Geschäftsstelle ohne gesonderte Geltendmachung und ohne Wiedermeldung über den Anspruch zu entscheiden. Die arbeitslose Person ist in diesem Fall im Sinne des § 50 Abs. 1 verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis oder sonstige maßgebende Änderungen, die im Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum eintreten, der regionalen Geschäftsstelle zu melden. In allen übrigen Fällen ist der Anspruch neuerlich geltend zu machen."
Gemäß § 39a Abs. 6 AlVG sind, soweit in anderen Rechtsvorschriften keine gesonderten Regelungen für das Übergangsgeld getroffen wurden, die für das Arbeitslosengeld getroffenen oder auf das Arbeitslosengeld bezogenen Regelungen auch auf das Übergangsgeld anzuwenden.
2. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die belangte Behörde sei auf das Vorbringen in ihrer Berufung, insbesondere wonach sie dem AMS zu keinem Zeitpunkt einen Leistungsunterbrechungstatbestand, nämlich den Spitalsaufenthalt ab dem gemeldet habe, ihr auch in der Folge Übergangsgeld für einen gewissen Zeitraum ausbezahlt worden sei und sie am eine Mitteilung über den Leistungsanspruch zugesandt bekommen habe, nicht eingegangen. Der Sachverhalt sei in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten nicht vollständig festgestellt worden. Weiters leide der angefochtene Bescheid auch an einem Begründungsmangel, zumal die Widersprüche zwischen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und dem Inhalt des angefochtenen Bescheides, wonach eine konkrete Angabe eines Spitalsantrittes vorliege, unbegründet nebeneinander stünden.
Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit sieht die Beschwerdeführerin in der Folge darin, dass eine Anwendung des § 46 Abs. 6 erster Satz AlVG nur dann angenommen werden könne, wenn zweifelsfrei erwiesen sei, dass die arbeitslose Person selbst eine diesbezügliche Mitteilung gemacht habe. Da dies nicht vorgelegen sei, läge kein Rechtsgrund für die Anwendung der zuvor zitierten Bestimmung vor und sei auch der Bezug nicht zu unterbrechen gewesen.
3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin tatsächlich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 60 AVG sind in der Bescheidbegründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es hier die Feststellung des Sachverhalts sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/08/0169).
Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Behörde darzulegen, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde begründen, weshalb sie einem der Beweismittel den Vorzug gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/08/0204, mwN).
Im vorliegenden Fall stützt sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Sachverhaltsfeststellungen im Wesentlichen auf den Leistungsakt und den EDV-geführten Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservie, unterlässt es jedoch, sich mit diesen Angaben, insbesondere auch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin beweiswürdigend auseinanderzusetzen.
Die belangte Behörde nahm die Unterbrechung des Bezuges von Übergangsgeld auf Grund einer von der Beschwerdeführerin angeblichen telefonischen Mitteilung über die Bekanntgabe eines Spitalaufenthalts ab an. Dieser Umstand wurde von der Beschwerdeführerin in der Berufung unzweifelhaft bestritten und dazu vorgebracht, dass es sich bei der telefonischen Mitteilung lediglich um die Bekanntgabe einer vagen Möglichkeit eines zukünftigen Spitalsaufenthalts gehandelt habe.
Aus der EDV-mäßigen Aufzeichnung ergibt sich lediglich die Eintragung "Spital ab 21.2.". Weiterführende Angaben zu den Umständen des Telefonates bzw. zum genauen Wortlaut der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer telefonischen Mitteilung sind aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich.
Damit genügt der angefochtene Bescheid nicht den oben dargestellten Erfordernissen einer Bescheidbegründung. Die belangte Behörde durfte sich angesichts der sie treffenden Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Verpflichtung, auf relevante Vorbringen der Parteien einzugehen, nicht damit begnügen, lapidar und ohne weitere Ermittlungen, insbesondere ohne Parteien- bzw. Zeugenvernehmung, festzustellen, dass eine konkrete Angabe der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Mitteilung des zukünftigen Spitalsaufenthaltes vorliege. Vielmehr hätte sie sich mit den widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich der EDV-Eintragung und der Angaben der Beschwerdeführerin beweiswürdigend auseinandersetzen und dabei darlegen müssen, was sie veranlasst hat, den EDV-mäßigen Aufzeichnungen mehr Glauben zu schenken als dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Soweit die belangte Behörde nun in der Gegenschrift beweiswürdigende Überlegungen nachzuholen versucht, ist sie darauf zu verweisen, dass eine im Bescheid fehlende Begründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/08/0078).
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-71237