VwGH vom 27.05.2011, 2010/02/0191
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des B K in B, vertreten durch Dr. Branko Perc, Rechtsanwalt in 9150 Bleiburg, 10.-Oktober-Platz 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-1852/14/2009, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe sich am um 1.09 Uhr als Lenker eines Kraftfahrzeuges in B. nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass er das Fahrzeug an diesem Tag um 0.46 Uhr auf einer näher angeführte Strecke in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Er habe dadurch § 5 Abs. 2 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe von EUR 1.300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt wurde.
Nach Darstellung des Verfahrensgangs stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:
"Der Beschwerdeführer hat am um 00.46 Uhr in B…das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen … gelenkt. Zu dieser Zeit wurde vom Meldungsleger das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug angehalten und wurde eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle durchgeführt. Am Beschwerdeführer wurden vom Meldungsleger Alkoholisierungssymptome, wie Alkoholgeruch, schwankender Gang, veränderte Sprache, enthemmtes Benehmen und leichte Bindehautrötung wahrgenommen und hat der Beschwerdeführer auf Nachfrage angegeben, dass er zwei bis drei Spritzer getrunken hat. Der Beschwerdeführer wurde sodann zum Alkomatentest an einem aufrecht geeichten Alkomaten aufgefordert und hat er fünf Mal in den Alkomaten geblasen, und zwar um 01.03 Uhr, 01.07 Uhr, 01.08 Uhr und 01.09 Uhr jeweils mit dem Ergebnis, dass der Blasversuch vom Alkomaten als Fehlversuch gewertet worden ist, da die Blaszeit zu kurz war. Beim ersten Versuch hat die Blaszeit eine Sekunde betragen, sonst jeweils zwei Sekunden. Während der Blasversuche hat der Beschwerdeführer immer wieder gefragt, ob das sein müsse und hat er immer wieder gesagt, dass er eh blasen will. Auf eine allfällige Unfähigkeit den Alkomattest durchzuführen, hat er nicht hingewiesen. Für den Meldungsleger war augenscheinlich das bewusst zu kurz oder zu wenig hineingeblasen worden ist und ist dem Meldungsleger nicht aufgefallen bzw. war es nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer körperlich nicht in der Lage gewesen wäre, den Test durchzuführen. Der Beschwerdeführer hat eine Blutabnahme nicht verlangt. Der Meldungsleger hat den Beschwerdeführer mehrmals aufgefordert, kräftig und vor allem länger hineinzublasen. Der Beschwerdeführer ist der Aufforderung zum Blasen nachgekommen, hat jedoch keine Kraft gehabt, entsprechend der Aufforderung kräftiger und länger hineinzublasen. Der Beschwerdeführer wurde deshalb fünf Mal zum Blasen aufgefordert, weil er immer wieder gesagt hat, dass er eh will und ist der Meldungsleger davon ausgegangen, dass vielleicht ein gültiges Ergebnis zustande kommen wird.
Der Beschwerdeführer leidet seit längerer Zeit an einem Spirometerasthma und kommt es bei forcierter Expiration jeweils nach zwei Sekunden zu einem Bronchialkollaps, sodass der Vorgang abgebrochen wird. Bekannt wurde dem Beschwerdeführer dieser Umstand erst nach dem gegenständlichen Vorfall im Zuge von Untersuchungen hinsichtlich der Lenkerberechtigung. Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einer spirometrischen Untersuchung und einer Alkoholbestimmung mit dem Alkomaten. Bei der Spirometrie ergeht die Aufforderung so schnell und so fest wie möglich stoßweise auszuatmen. Bei der Beatmung eines Alkomaten ist eine gleichmäßige, ruhige, etwas verstärkte Atmung über einen Zeitraum von mindestens 3 Sekunden erforderlich und wäre der Beschwerdeführer grundsätzlich in der Lage gewesen, eine solche Beatmung durchzuführen. Der Beschwerdeführer hat im Zuge der Beatmung des Alkomaten wie bei einer Spirometrie schnell und möglichst stoßweise ausgeatmet."
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers, er habe eine Blutprobe verlangt, als Schutzbehauptung gewertet werde. Im Übrigen könne den Angaben des Meldungslegers, den weiteren Angaben des Beschwerdeführers sowie dem Inhalt des fachärztlichen Gutachtens und des Gutachtens der Amtsärztin gefolgt werden. Es erschließe sich der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Alkomaten wie bei einer spirometrischen Untersuchung schnell, fest und stoßweise beatmet habe. Aus dessen Vorbringen und dem fachärztlichen Gutachten, wonach auf Grund des Umstandes, dass die Blaszeit bei vier Blasversuchen jeweils zwei Sekunden betragen habe, sei zwingend der Schluss zu ziehen, dass bei den Blasversuchen ein Bronchialkollaps eingetreten sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei es auch unwahrscheinlich, dass ein Mensch in der Lage sei, jeweils nach genau zwei Sekunden den Blasversuch abzubrechen. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Meldungsleger den Beschwerdeführer mehrmals aufgefordert habe, kräftig hineinzublasen und es erscheine leicht möglich, dass der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nachgekommen sei. Der Beschwerdeführer gebe selbst an, dass er keine Kraft mehr gehabt habe, der Aufforderung des Beamten kräftiger hineinzublasen, nachzukommen.
Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sei, dass er unter einem Spirometerasthma leide. Er habe jedoch wahrnehmen müssen, dass er trotz ernsthafter Bemühungen nicht in der Lage gewesen sei, eine gültige Probe abzugeben. Weiters habe er wahrgenommen, dass er nicht genügend Kraft gehabt habe, der Aufforderung des Beamten, kräftig und länger hineinzublasen nachzukommen. Der Beschwerdeführer sei daher verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass er gesundheitlich bei der von ihm vorgenommenen Beatmungstechnik nicht in der Lage gewesen sei, den Alkomaten zu beatmen bzw. aus gesundheitlichen Gründen den Anweisungen des Beamten nicht habe nachkommen können. Es sei unerheblich, ob eine medizinische Unmöglichkeit tatsächlich vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, die Beamten hätten erkennen können, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, den Alkomaten ordnungsgemäß zu beatmen. In der Folge wäre eine Blutprobe abzunehmen gewesen.
§ 5 Abs. 2 und 5 StVO 1960 lautet:
"(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
…
(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2
1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder 2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war. Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen."
Derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat umgehend auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomats aus medizinischen Gründen hinzuweisen. Dieser Hinweis des Probanden muss für die Organe der Straßenaufsicht klar erkennbar sei (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0334).
Die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, stellt einen Mangel am Tatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 dar (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 87/18/0087).
Im Beschwerdefall steht fest, dass der Beschwerdeführer über mehrmalige Aufforderung des Meldungslegers "kräftig und vor allem länger" in den Alkomaten hineingeblasen hat. Bei dieser vom Meldungsleger geforderten Art der Beatmung des Alkomaten war der Beschwerdeführer jedoch aus medizinischen Gründen nicht in der Lage, ein gültiges Ergebnis der Atemluftalkoholuntersuchung zustande zu bringen, weil er an einem Spirometerasthma leidet und es bei forcierter Expiration jeweils nach zwei Sekunden zu einem Bronchialkollaps kommt, sodass der Atemvorgang abgebrochen wird. Nach den Feststellungen hat der Beschwerdeführer davon nichts gewusst, er war über seinen Gesundheitszustand nicht informiert. Er konnte demnach auch nicht wissen, dass er bei einer anderen Art der Atmung ("gleichmäßige, ruhige, etwas verstärkte Atmung über einen Zeitraum von mindestens 3 Sekunden") nach den Feststellungen grundsätzlich in der Lage gewesen wäre, eine ordnungsgemäße Beatmung des Alkomaten durchzuführen. Bei der Beatmung hielt er sich - so wiederum die Feststellungen - an die Anweisungen des Meldungslegers, kräftig hineinzublasen.
Die belangte Behörde sieht das Verschulden des Beschwerdeführers in dem Umstand, dass er den Meldungsleger nicht darauf hingewiesen habe, dass er gesundheitlich nicht in der Lage sei, den Alkomaten zu beatmen bzw. den Anweisungen des Meldungslegers nachzukommen. Mit diesem Argument übersieht die belangte Behörde jedoch, dass dem Beschwerdeführer sein Leiden unbekannt gewesen ist und er im Übrigen ohnehin mehrmals meinte, "dass er eh blassen will". Selbst wenn man annimmt, für den Meldungsleger sei nicht klar erkennbar gewesen, dass der Beschwerdeführer außer Stande war, den Alkomaten richtig zu beatmen, galt dasselbe für den Beschwerdeführer, für den auch nicht erkennbar war, aus welchen Gründen er den Alkomaten nicht ordnungsgemäß beatmet hat. Dass er "eh will", hat er zum Ausdruck gebracht. Dem Beschwerdeführer kann somit nicht vorgeworfen werden, er habe sich geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
Da dies die belangte Behörde verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruhe auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-71234