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VwGH vom 22.09.2011, 2007/18/0848

VwGH vom 22.09.2011, 2007/18/0848

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Ramiz D (auch: D) in E, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/353.603/2007, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen einen Aufenthaltsverbotsbescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Ein mit datierter Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Bescheid wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Aufenthaltsverbotsbescheid vom sei am "von der Bundespolizeidirektion Eisenstadt" dem Beschwerdeführer (der sich zu diesem Zeitpunkt in der Justizanstalt Eisenstadt in Strafhaft befand) durch persönliche Übergabe zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert, eine entsprechende Übernahmebestätigung zu unterschreiben.

Im Zuge einer am von der Bundespolizeidirektion Eisenstadt durchgeführten Vernehmung des Beschwerdeführers sei diesem unter anderem mitgeteilt worden, dass auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen sowie Bestrafungen im Verwaltungswege mit dem Bescheid vom ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden und dieser Bescheid am in Rechtskraft erwachsen sei. Laut der Niederschrift habe der Beschwerdeführer die beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen zur Kenntnis genommen und angegeben, der deutschen Sprache mächtig zu sein, die Niederschrift gelesen und alles verstanden zu haben. Die Unterfertigung der Niederschrift sei vom Beschwerdeführer mit der Begründung verweigert worden, "dass er damit nicht einverstanden sei".

Mit am an die Bundespolizeidirektion Eisenstadt gefaxtem Schreiben vom habe die (inzwischen bevollmächtigte) Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers um Übermittlung des Bescheides vom über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ersucht. Die Bundespolizeidirektion Eisenstadt habe diesem Ersuchen am per Telefax entsprochen.

In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer mit bei der Behörde erster Instanz am eingelangtem Schreiben vom die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG beantragt, Berufung gegen den Bescheid vom erhoben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Der Aufenthaltsverbotsbescheid vom sei ihm - so der Beschwerdeführer - persönlich während der Strafhaft in der Justizanstalt Eisenstadt ausgehändigt worden, doch habe er die Unterschrift verweigert. Es sei ihm seitens der Bundespolizeidirektion Eisenstadt nicht mitgeteilt und er sei daher nicht ausreichend manuduziert worden, dass der Bescheid trotz der Unterschriftsverweigerung in Rechtskraft erwachse und daher Rechtsfolgen auslöse. Seine Rechtsvertreterin habe ihn am in der Justizanstalt Eisenstadt besucht und erstmals darauf aufmerksam gemacht, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestehe und der Bescheid trotz der Unterschriftsverweigerung in Rechtskraft erwachsen sei. Er habe sohin erstmals am von der Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes erfahren, ebenso, dass seine Unterschriftsverweigerung keine Hemmung der Rechtskraft bewirkt habe. Dies sei ihm auf Grund fehlender Rechtsinformation und Manuduktion durch die Behörde bis zum nicht bewusst gewesen. Bei entsprechender Rechtsbelehrung durch die Behörde hätte er selbstverständlich einen Rechtsanwalt mit der Ergreifung der Berufung beauftragt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei fristgerecht.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen, den Antrag auf Wiedereinsetzung abweisenden Bescheid vom habe der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - unter anderem eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht.

In ihren rechtlichen Erwägungen vertrat die belangte Behörde unter Hinweis auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom betreffend die Aushändigung des Aufenthaltsverbotsbescheides und auf die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides die Ansicht, der Beschwerdeführer habe Kenntnis sowohl vom amtlichen (behördlichen) Charakter der ihm am übergebenen Ausfertigung des Aufenthaltsverbotsbescheides als auch von den damit verbundenen Konsequenzen gehabt. Dies umso mehr, als ihm bereits am im Zuge einer Niederschrift bei der Bundespolizeidirektion Wien mitgeteilt worden sei, dass diese beabsichtige, gegen ihn im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung ein "Aufenthaltsverbot/Rückkehrverbot" zu erlassen. Vor diesem Hintergrund habe dem Beschwerdeführer bei der Übernahme des Aufenthaltsverbotsbescheides am klar sein müssen, dass er innerhalb von zwei Wochen das Rechtsmittel der Berufung einbringen könne. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ziele schon aus diesem Grund ins Leere.

Selbst wenn man jedoch von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nach § 71 Abs. 1 AVG bzw. davon ausginge, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses gehindert gewesen sei, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung gegen den Bescheid vom einzubringen, erweise sich sein Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 71 Abs. 2 AVG als verspätet. Bereits am sei ihm nämlich von der Bundespolizeidirektion Eisenstadt im Zuge einer Niederschrift mitgeteilt worden, dass der Aufenthaltsverbotsbescheid bereits in Rechtskraft erwachsen sei. Darüber hinaus sei der genannte Bescheid am seiner rechtsfreundlichen Vertretung per Telefax übermittelt worden. Daher ziele der Einwand des Beschwerdeführers, es sei ihm auf Grund fehlender Rechtsinformation und Manuduktion durch die Behörde bis zum die Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes nicht bewusst gewesen, ins Leere.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, den Aufenthaltsverbotsbescheid vom am persönlich übernommen zu haben. Soweit er in der Beschwerde geltend macht, es bedürfe für die Zustellung eines behördlichen Schriftstückes einer die Übernahme des Schriftstücks bestätigenden Unterschrift, die jedoch im vorliegenden Fall fehle, ist ihm zu entgegnen, dass er, wie er selbst zugibt, die Unterfertigung der Übernahmebestätigung am verweigert hat, was jedoch an der Gültigkeit der Zustellung nichts ändert.

Nach der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0953, mwN) bildet der Aufenthalt eines - auch unvertretenen - Fremden in Haft keinen Grund, der es zuließe, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden zu werten. Auch das Zusammentreffen des Umstandes der Freiheitsentziehung mit einer mangelnden Sprachkenntnis des Betroffenen vermag ohne das Hinzutreten eines ihn konkret treffenden Hinderungsgrundes, der über die allgemeine Situation einer in Haft befindlichen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Person hinausgeht, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen. Versuche, mit geeigneten Personen (so etwa einem Dolmetscher und/oder einem Rechtsbeistand) Kontakt aufzunehmen, sind grundsätzlich auch während der Haft vorzunehmen. Bleiben derartige Versuche jedoch ergebnislos, so kann dies einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur und der unbestrittenen Feststellungen, dass dem Beschwerdeführer bereits am im Zuge einer Niederschrift die Absicht mitgeteilt wurde, gegen ihn im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung ein Aufenthaltsverbot/Rückkehrverbot zu erlassen, vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe nicht gewusst, was dieses Schriftstück (der ihm am übergebene Bescheid) bedeute, und er sei mangels entsprechender Manuduktion nicht in Kenntnis gewesen, dass trotz Verweigerung seiner Unterschrift Fristen zu laufen beginnen, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Entgegen der Beschwerdeansicht bestehen gegen die Auffassung der belangten Behörde, angesichts der am erfolgten Belehrung des Beschwerdeführers habe diesem der amtliche (behördliche) Charakter des ihm am übergebenen Bescheides klar sein müssen, auch unter Berücksichtigung des seit der Belehrung bis zur Übergabe des Bescheides vergangenen Zeitraumes keine Bedenken (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2007/18/0953).

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang mangelnde Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers geltend macht und darauf hinweist, dass die Rechtsmittelbelehrung des Aufenthaltsverbotsbescheides in "juristischem Deutsch" geschrieben sei, ist ihr zum einen zu entgegnen, dass der - nach eigenen Angaben bereits seit 20 Jahren in Österreich lebende und hier seine Schul- und Berufsausbildung absolviert habende - Beschwerdeführer mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, weshalb das in Rede stehende Vorbringen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstößt (vgl. § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG). Zum anderen hätte - nach der bereits zitierten hg. Judikatur - auch eine der deutschen Sprache nicht mächtige, inhaftierte Person in einem Fall wie dem vorliegenden zu versuchen, mit einem Dolmetscher und/oder Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen. Die Fremdenpolizeibehörde war nach der hier maßgeblichen Rechtslage auch nicht verpflichtet, den Aufenthaltsverbotsbescheid in die Muttersprache des Beschwerdeführers zu übersetzen (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2007/18/0953, mwN). Für den Bereich des Fremdenpolizeigesetzes 2005 existierte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keine dem § 22 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 (in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005) - danach haben die Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten - entsprechende Vorschrift (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0048).

Dass der Beschwerdeführer in der Haft den Wunsch geäußert hätte, innerhalb der Berufungsfrist mit einem Rechtsvertreter (oder Dolmetscher) in Kontakt zu gelangen, und dieser Wunsch abgelehnt oder ignoriert worden wäre, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG verhindert war, die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid einzuhalten und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

3. Da sich die Beschwerde schon deswegen als unbegründet erweist, war sie, ohne dass auf das sonstige Beschwerdevorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-71215

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