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VwGH vom 31.08.2006, 2004/21/0194

VwGH vom 31.08.2006, 2004/21/0194

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. Andreas Nödl, dieser vertreten durch Mag. Dr. Hans Spohn, beide Rechtsanwälte in 1010 Wien, Salztorgasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 03/P/33/2560/2004/6, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen wurde. Der unabhängige Bundesasylsenat wies seine dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom ab. Die Behandlung seiner dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom , Zl. 2001/20/0099, abgelehnt.

Am begehrte der Beschwerdeführer ohne inhaltliche Begründung neuerlich, ihm Asyl zu gewähren, und beantragte, dazu einvernommen zu werden. Das Bundesasylamt stellte das Verfahren am gemäß § 30 Abs. 1 AsylG ein und hielt dazu fest, dass "trotz ZMR Anfrage keine Zustelladresse des Asylwerbers bekannt" sei. Sein Rechtsvertreter habe die Vollmacht aufgelöst. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes habe somit nicht durchgeführt werden können.

Über Antrag des zwischenzeitig in Schubhaft befindlichen Beschwerdeführers vom setzte das Bundesasylamt das Asylverfahren fort und wies schließlich mit Bescheid vom den (neuerlichen) Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, über die bislang nicht entschieden wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, eine Geldstrafe von EUR 72,67 (im Fall der Uneinbringlichkeit zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Er habe sich als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder (§ 1 Abs. 1 FrG) vom bis in Wien, ohne auf Grund eines Einreisetitels, eines Aufenthaltstitels, einer Verordnung für Vertriebene oder einer Aufenthaltsbewilligung nach dem AsylG zum Aufenthalt berechtigt gewesen zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten, obwohl er einen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel benötigt hätte.

Nach näherer Darstellung der beiden Asylverfahren führte die belangte Behörde in ihrer Begründung - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, der Beschwerdeführer sei mit Ladungsbescheid vom (seinem damaligen Rechtsvertreter am zugestellt) ersucht worden, zur Einvernahme in seinem (zweiten) Asylverfahren am persönlich beim Bundesasylamt zu erscheinen (und diverse näher angeführte Unterlagen mitzubringen). Diesem Einvernahmetermin sei er unentschuldigt fern geblieben. Mit Schreiben vom habe der Rechtsvertreter mitgeteilt, dass das bisherige Vollmachtsverhältnis aufgelöst worden sei. Eine Meldeanfrage des Bundesasylamtes habe kein Ergebnis erbracht. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes habe also nicht durchgeführt werden können, sodass das Asylverfahren gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt worden sei. Anzumerken sei jedoch, dass eine Meldeanfrage ergeben habe, dass der Beschwerdeführer vom bis (zu seiner Festnahme am) als obdachlos gemeldet gewesen und eine näher genannte Anschrift als Stelle bezeichnet worden sei, die er regelmäßig aufsuche (Kontaktstelle) und die somit als Abgabestelle gelte.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde hieraus, dass der Beschwerdeführer vom bis zum weder über einen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AsylG verfügt und dass er sich daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe (§ 31 Abs. 1 und § 107 Abs. 1 FrG). Eine entschuldbare Unkenntnis der allfälligen Anwendbarkeit des § 107 FrG im Sinn eines Schuldausschließungsgrundes nach § 5 Abs. 2 VStG sei zu verneinen (wird näher ausgeführt).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer war infolge seines Asylantrages vom gemäß § 21 Abs. 2 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003 bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens uneingeschränkt und bedingungslos vor einer Abschiebung geschützt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0117, mwN). Hieraus folgt, dass auch eine Bestrafung wegen seines vom Gesetz also zumindest geduldeten Aufenthaltes ausscheidet, der durch die Verhängung einer Sanktion somit nicht mittelbar unterlaufen werden kann. Es ist daher vom Vorliegen eines Strafausschließungsgrundes im Sinn des § 6 VStG auszugehen (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/21/0087, vom , Zl. 2001/21/0067, und vom , Zl. 2005/18/0646, jeweils mwN).

Die Einstellung des zweiten Asylverfahrens nach § 30 Abs. 1 AsylG vermag an diesem Ergebnis im Hinblick auf den vor dem liegenden Teil des Deliktszeitraumes nichts zu ändern, sodass darauf im Beschwerdefall nicht näher eingegangen werden musste.

Durch die dargestellte Verneinung des Vorliegens eines Strafausschließungsgrundes hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-71213