VwGH vom 22.03.2011, 2007/18/0841

VwGH vom 22.03.2011, 2007/18/0841

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des F A M in W, geboren am , vertreten durch Mag. Florian Kucera, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1781/05, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (nunmehr: Rückkehrverbotes), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers, einen Staatsangehörigen von Jordanien, vom auf Aufhebung des gegen ihn von der Bundespolizeidirektion Wien (mit Bescheid vom ) erlassenen, auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben im März 2002 mit dem Flugzeug aus Jordanien kommend nach Österreich eingereist und habe nach seiner Einreise den Reisepass weggeworfen. Unter einem falschen Namen habe er einen Asylantrag gestellt und diesen sodann zurückgezogen. Am habe er einen neuen Asylantrag unter seinem richtigen Namen gestellt. Das Verfahren über diesen Antrag sei im Instanzenzug anhängig. Der Beschwerdeführer verfüge über eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 223 Abs. 1, §§ 224 und 107 Abs. 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er am in T dadurch, dass er im Zuge der Stellung eines Asylantrages das Datenblatt auf einen anderen Namen (mit einem unrichtigen Geburtsdatum) habe ausfüllen lassen und unter diesem Namen unterfertigt habe, eine falsche inländische öffentliche Urkunde (Datenblatt für die Asylantragstellung vor dem Bundesasylamt - Außenstelle T) mit dem Vorsatz hergestellt habe, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde. Darüber hinaus habe er am in W eine andere Person durch die telefonisch gemachte Äußerung, die amerikanische Botschaft, einen Turm oder ein Einkaufszentrum in die Luft zu sprengen und zu sagen, dass diese Person es gewesen sei, mit einer Verleumdung gefährlich bedroht, um diese Person in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Daraufhin sei von der erstinstanzlichen Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 das genannte Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin P. geheiratet. Anschließend habe er die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigte Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" beantragt.

Mit Schreiben vom habe der Beschwerdeführer die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beantragt und diesen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass auf Grund der genannten Eheschließung die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen seien. Bei der vorzunehmenden Verhaltensprognose sei festzustellen, dass die Motivation für die vergangenen Verfehlungen nicht mehr bestehe.

Der Beschwerdeführer sei "Familienangehöriger" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG, aber kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 11 leg. cit., weil seine österreichische Ehegattin von ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht habe. Ihm komme der Status eines Asylwerbers im Sinn des am in Kraft getretenen Asylgesetzes 2005 (§ 2 Abs. 1 Z. 14) zu.

Vor diesem Hintergrund sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 FPG (für ein Rückkehrverbot) erfüllt seien.

Die Erlassung eines Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbotes wäre auch nach den Bestimmungen des FPG gerechtfertigt. Auf Grund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers bestehe kein Zweifel, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes (offenbar gemeint: als Rückkehrverbot) im Sinne des "§ 60 Abs. 1" FPG bzw. § 86 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt sei, wobei sich die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf das der genannten Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gestützt habe.

Soweit er im Hinblick auf § 66 Abs. 1 und 2 FPG seine Familiensituation darstelle und geltend mache, auf Grund des "Aufenthaltsverbotes" nicht mit seiner österreichischen Ehegattin im Bundesgebiet zusammenleben zu können, sei ihm zu entgegnen, dass bezüglich dieser in Kauf zu nehmenden Einschränkung keine relevante Änderung seit Erlassung des "Aufenthaltsverbotes" eingetreten sei. Angesichts des dargestellten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers mache er keinen Umstand geltend, der seine persönlichen Interessen so gewichtig erscheinen lasse, dass diese schwerer wögen als die durch sein Fehlverhalten massiv beeinträchtigten öffentlichen Interessen. Abgesehen davon sei der seit der letzten Tatbegehung verstrichene Zeitraum zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können. Die Aufrechterhaltung des "Aufenthaltsverbotes" sei sohin nach wie vor zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG), und es wögen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Aufhebung dieser Maßnahme (§ 66 Abs. 2 FPG).

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sei auch eine zu seinen Gunsten ausfallende Ermessensentscheidung nicht in Betracht gekommen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 125 Abs. 3 FPG im Hinblick auf seine Position als Asylwerber seit als Rückkehrverbot gilt.

2. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der hg. Judikatur kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0611, mwN).

Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG kommt es im Übrigen darauf an, dass eine Gefährlichkeitsprognose auf Grund des - wegen der Heirat des Fremden mit einer österreichischen Staatsbürgerin maßgeblichen - § 87 iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes (oder des Rückkehrverbotes) erforderlich ist, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Bei der Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Ferner ist für die Beurteilung nach § 65 Abs. 1 leg. cit. maßgeblich, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes (oder Rückkehrverbotes) im Grunde des § 60 Abs. 6 (§ 62 Abs. 3) leg. cit. iVm § 66 FPG und des § 61 leg. cit. zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei der Entscheidung über einen Aufhebungsantrag das ihr in § 60 Abs. 1 (§ 62 Abs. 1) iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. zum Ganzen nochmals das vorzitierte Erkenntnis, mwN).

3. 1. An seit der Erlassung des genannten Aufenthaltsverbotes (nunmehr: Rückkehrverbotes) geänderten Umständen bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer seit Oktober 2002 (Begehung der letzten Straftat) im Inland völlig unauffällig geblieben sei und keine weiteren strafrechtlichen oder verwaltungsstrafrechtlichen "Eintragungen" gegen ihn vorlägen. Er habe am die österreichische Staatsbürgerin P. geheiratet und lebe seither mit dieser im gemeinsamen Haushalt zusammen, sodass auf Grund der Konsolidierung seiner Lebensverhältnisse, seiner beruflichen Anbindung im Inland und seines langjährigen Wohlverhaltens davon auszugehen sei, dass eine Gefährdung der öffentlichen Interessen nicht mehr zu befürchten sei. Die von ihm im Jahr 2002 begangenen Straftaten stünden im direkten Zusammenhang mit seinem Bemühen, seinen Verbleib im Inland zu sichern. Auf Grund seiner mit einer Inländerin abgeschlossenen Ehe stehe ihm "ein solches Recht" jedenfalls zu, sodass kein vernünftiger Anlass für ihn mehr bestehe, weitere Straftaten im Inland zu begehen.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 2003 lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer - wie oben (I. 1.) dargestellt - am das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden verübte und rund zwei Monate später eine weitere Straftat beging, indem er einen anderen gefährlich bedrohte.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Dauer seines Wohlverhaltens argumentiert, ist ihm mit der belangten Behörde zu erwidern, dass sein strafrechtliches Gesamtfehlverhalten noch nicht so lange zurücklag, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr hätte geschlossen werden können.

Darüber hinaus stellt auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verstärkung der persönlichen Bindungen und Interessen durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Jahr 2004 keinen Umstand dar, der die Aufhebung des Rückkehrverbotes im Grunde des § 66 Abs. 1 und 2 FPG nach sich hätte ziehen müssen. So hat er die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem er wusste, dass er nicht mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Feststellungen zu seiner "beruflichen und wirtschaftlichen Situation" im angefochtenen Bescheid vermisst, so zeigt er mit diesem Vorbringen bereits deshalb keinen wesentlichen Feststellungmangel auf, weil er nicht ausführt, welche konkreten Feststellungen im Einzelnen noch hätten getroffen werden müssen.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 66 Abs. 1 und 2 FPG der Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes nicht entgegenstehe, begegnet somit keinem Einwand.

4. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nur unzureichend begründet habe.

5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am