VwGH vom 22.07.2013, 2012/08/0119

VwGH vom 22.07.2013, 2012/08/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des V K in G, vertreten durch Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl LGS600/SfA/0566/2012-He/Ja, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 29. September bis verneint wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz West und Umgebung aufgenommenen Niederschrift vom erklärte der Beschwerdeführer, dass er ab Krankengeldanspruch gehabt habe. Er sei aber nur drei Tage krank gewesen und habe angenommen, dass ihn der Arzt auch wieder beim Arbeitsmarktservice gesund melde und eine Bestätigung schicke. Der Beschwerdeführer verlangte zudem einen "Geltungsmachungsbescheid".

Mit Bescheid vom sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz West und Umgebung aus, aufgrund der Eingabe des Beschwerdeführers werde festgestellt, dass ihm Notstandshilfe (erst) ab dem gebühre. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer nach Ende seines Krankenstandes erst am wieder persönlich beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, mit dem Beschwerdeführer sei am schriftlich vereinbart worden, dass er am an einem Kurs im Schulungszentrum F. teilnehme. Zu Kursbeginn sei er nicht erschienen; aufgrund einer ärztlichen Krankmeldung sei das Arbeitsmarktservice Graz West und Umgebung am darüber informiert worden, dass der Beschwerdeführer ab krank sei und es sei daher das Arbeitslosengeld (gemeint wohl: die Notstandshilfe) mit eingestellt worden.

Erst am habe sich der Beschwerdeführer persönlich in der regionalen Geschäftsstelle wieder gemeldet. Er habe am niederschriftlich erklärt, dass er ab dem Krankengeldanspruch gehabt habe.

Der Beschwerdeführer habe keine Unterlagen vorgelegt. Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sei "im maßgeblichen Zeitraum" kein Krankengeldbezug vorgemerkt worden.

Nach Wiedergabe verschiedener gesetzlicher Bestimmungen - unter anderem der §§ 46 Abs 5 und 16 Abs 1 lit a AlVG - führte die belangte Behörde weiters aus, Arbeitslosengeld gebühre ab dem Tag der Wiedermeldung oder neuerlichen Geltendmachung, wenn der Anspruch ruhe oder der Bezug der Notstandshilfe unterbrochen sei. Grundsätzlich sei die telefonische, persönliche oder elektronische Wiedermeldung nach Ende des Krankenstandes möglich.

Eine nahtlos an den Krankenstand anschließende Weitergewährung der Notstandshilfe sei dann möglich, wenn sich die arbeitslose Person innerhalb einer Woche nach Ende des Unterbrechungsgrundes neuerlich beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe. Bei einer späteren Wiedermeldung gebühre die Notstandshilfe erst ab dem Tag der Wiedermeldung.

Der Beschwerdeführer wäre verpflichtet gewesen, seine ärztliche Krankmeldung sofort beim Arbeitsmarktservice zu melden. Er sei jedoch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Obwohl er ausreichend darüber informiert gewesen sei, dass die Wiedermeldung nach einer Krankheit innerhalb einer Woche erforderlich sei, habe er sich beim Arbeitsmarktservice erst am wieder gemeldet. Daher sei der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 16 Abs 1 lit a AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Bezuges von Kranken- oder Wochengeldes.

§ 46 Abs 5 AlVG idF BGBl I Nr 63/2010 lautet:

"(5) Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die Wiedermeldung kann telefonisch oder elektronisch erfolgen, soweit die regionale Geschäftsstelle nicht ausdrücklich eine persönliche Wiedermeldung vorschreibt. Die regionale Geschäftsstelle kann die persönliche Geltendmachung oder Wiedermeldung insbesondere vorschreiben, wenn Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung bestehen oder eine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung."

Diese Bestimmungen sind gemäß der §§ 38 und 58 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Zum Verfahrensgegenstand ist zunächst Folgendes anzumerken:

Nach dem durch Abweisung der Berufung von der belangten Behörde übernommenen Spruch des erstinstanzlichen Bescheids gebührte dem Beschwerdeführer Notstandshilfe (erst wieder) ab dem . Nach der Begründung des angefochtenen Bescheids ging die belangte Behörde offenbar vom Vorliegen eines Ruhens- oder Unterbrechungstatbestandes aufgrund des Krankenstands des Beschwerdeführers aus, weshalb dieser den Leistungsanspruch gemäß § 46 Abs 5 AlVG neuerlich geltend machen hätte müssen. Den - in dieser Hinsicht unwidersprochen gebliebenen - Feststellungen des angefochtenen Bescheids zufolge war der Leistungsbezug des Beschwerdeführers mit eingestellt worden.

Weder den Feststellungen des angefochtenen Bescheids noch dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt oder dem Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer von einer Leistungseinstellung durch Mitteilung im Sinne des § 24 Abs 1 AlVG in Kenntnis gesetzt worden wäre. Es kann im Beschwerdefall aber dahingestellt bleiben, ob angesichts der Unterlassung einer solchen Mitteilung überhaupt die Leistung wirksam eingestellt wurde bzw ob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid implizit über die Einstellung abgesprochen hat (siehe dazu jedoch das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/08/0158, wonach seit der Novellierung des § 24 Abs 1 AlVG durch BGBl I Nr 71/2003 von einem solchen impliziten Abspruch nicht mehr ausgegangen werden kann). Aus der Begründung des angefochtenen Bescheids lässt sich nämlich zweifelsfrei erkennen, dass die belangte Behörde mit der Zuerkennung der Leistung ab dem über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers ab der von ihr behaupteten Einstellung am 29. September bis zum (implizit) negativ abgesprochen hat.

Der Beschwerdeführer erachtet sich - dem geltend gemachten Beschwerdepunkt zufolge - über diesen Zeitraum hinaus in seinem Recht auf Gewährung von Notstandshilfe am verletzt; dieser Tag ist nach dem eben Gesagten jedoch nicht vom Gegenstand des angefochtenen Bescheids umfasst.

3. In der Sache macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde stütze sich offensichtlich auf den Ruhenstatbestand des § 16 Abs 1 lit a AlVG, weshalb eine Wiedermeldung gemäß § 46 Abs 5 AlVG für den Fortbezug der Notstandshilfe erforderlich gewesen sein soll. Dieser Ruhenstatbestand sei jedoch fälschlicherweise herangezogen worden, da der Beschwerdeführer aufgrund seines dreitägigen Krankenstands kein Krankengeld bezogen habe. Gemäß § 139 ASVG würden Arbeitslose (auch Notstandshilfebezieher) nämlich erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben.

4. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die belangte Behörde stellte zum Krankengeldbezug des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid Folgendes fest:

"Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ist im maßgeblichen Zeitraum kein Krankengeldbezug vorgemerkt."

In der Folge ging die belangte Behörde dennoch vom Vorliegen eines Ruhens- bzw Unterbrechungsgrundes aufgrund des Krankenstands des Beschwerdeführers aus. Damit verkennt die belangte Behörde aber, dass § 16 Abs 1 lit a AlVG auf den Bezug von Krankengeld abstellt, jedoch den Fall einer kurzfristigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, während der kein Krankengeld gebührt, nicht erfasst. Auch für die Annahme eines sonstigen Ruhens- oder Unterbrechungsgrundes bieten die Feststellungen des angefochtenen Bescheids keine Grundlage. Mangels Ruhens oder Unterbrechung des Leistungsbezugs bedurfte es daher keiner neuerlichen Geltendmachung des Anspruchs durch den Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs 5 AlVG. Der negative Abspruch über den Leistungsanspruch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erweist sich daher jedenfalls als rechtswidrig.

5. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am