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VwGH vom 22.02.2011, 2010/02/0144

VwGH vom 22.02.2011, 2010/02/0144

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der M K in H, vertreten durch Dr. Michael Franz Sauerzopf, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Robert Graf Platz 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-06/42/1236/2006/17, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Übertretung des TSchG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat der beschwerdeführende Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, vom wurde die Beschwerdeführerin wegen einer Übertretung des Tierschutzgesetzes (TSchG) mit einer Geldstrafe in Höhe von EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage 5 Stunden) bestraft.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück. In der Begründung wird u.a. ausgeführt, das vorgenannte Straferkenntnis habe eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung enthalten und sei laut Zustellnachweis RSb nach einem Zustellversuch vom postamtlich hinterlegt und ab dem zur Abholung bereitgehalten worden.

Die Beschwerdeführerin habe die Berufung laut Poststempel erst am zur Postaufgabe gebracht. Aufgrund des Vorhaltes der Verspätung der Berufung durch die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin ein ärztliches Attest übermittelt, aus dem hervorgehe, dass sie in der Zeit vom bis einschließlich in ärztlicher Behandlung gestanden sei.

Mit Schriftsatz vom habe der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, eine amtsärztliche Stellungnahme abgegeben und darin festgehalten, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis an einem fieberhaften bronchialen Infekt mit Nebenhöhlenentzündung erkrankt gewesen sei. Sie sei, ihren eigenen Angaben folgend, in der Lage gewesen, kurze Telefonate zu führen und sich in der Wohnung zu bewegen. Sie habe am ihre Hausärztin in deren Ordination aufgesucht. Anamnetisch hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass sie in der Zeit vom bis zum nicht klar habe denken bzw. keine Entscheidungen habe treffen können. Aufgrund des fieberhaften Infektes, verbunden mit der Stirnhöhlenentzündung sei jedoch die Vermeidung von körperlichen Anstrengungen und von Kälte angezeigt gewesen. Keineswegs könne aus amtsärztlicher Sicht von einer Aufhebung der Diskretions- bzw. Dispositionsunfähigkeit ausgegangen werden.

Aufgrund des vorgenannten Gutachtens stehe fest, dass die Beschwerdeführerin die verspätete Einbringung der Berufung zu verantworten habe, denn sie hätte (mangels Vorliegens einer Diskretions- bzw. Dispositionsunfähigkeit) sich persönlich um die rechtzeitige Abholung des Schriftstückes bzw. die Einbringung der Berufung kümmern oder Entsprechendes in die Wege leiten können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, es sei zwar die Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom von der Behörde erster Instanz an die Beschwerdeführerin zu eigenen Handen verfügt worden, doch sei, wie sich aus den im Verwaltungsstrafakt erliegenden Urkunden ergebe, das beim Postamt 1030 hinterlegte Schreiben von der Beschwerdeführerin nicht behoben und an die Behörde erster Instanz retourniert worden. Es habe daher die Behörde erster Instanz erhebliche Zweifel daran haben müssen, ob die Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung an die Beschwerdeführerin wirksam erfolgt sei, wobei diese Frage im Verfahren nicht geklärt worden sei.

Es hätte sich die Behörde erster Instanz nicht damit begnügen dürfen, in der Begründung des Straferkenntnisses auszuführen, dass die Beschwerdeführerin der ordnungsgemäß zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung ungerechtfertigt keine Folge geleistet habe und daher das Strafverfahren ohne deren Anhörung durchzuführen gewesen sei. Vielmehr hätte die Behörde erster Instanz wegen Vorliegens eines besonders wichtigen Grundes i.S.d. § 22 AVG i.V.m. § 24 VStG für eine Zustellung zu eigenen Handen eine solche Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen der Beschwerdeführerin veranlassen müssen. Es hätte daher auch die belangte Behörde nicht davon ausgehen dürfen, dass das Straferkenntnis durch postamtliche Hinterlegung mit (Beginn der Abholfrist) rechtswirksam zugestellt worden sei und die Rechtsmittelfrist daher am begonnen und am geendet habe und daher die Berufung verspätet sei.

Aus diesen Gründen sei daher die Zustellung bzw. Hinterlegung des Straferkenntnisses rechtsunwirksam, weil sie trotz Vorliegens eines besonderen Grundes für eine Zustellung zu eigenen Handen nicht zu eigenen Handen der Beschwerdeführerin verfügt und durchgeführt worden und daher auch die Vornahme eines zweiten Zustellversuches unterblieben sei. Maßgeblich und fristauslösend habe daher nicht der Zeitpunkt der nicht rechtswirksamen Hinterlegung beim Postamt bzw. der Abholmöglichkeit ebendort sein können, sondern nur der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdeführerin die Sendung (das Straferkenntnis) tatsächlich erhalten habe.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz nicht zu eigenen Handen zugestellt nachdem im Verfahren ungeklärt geblieben ist, ob der Beschwerdeführerin zuvor eine wirksame Möglichkeit der Anhörung gegeben worden ist. Daher sprechen triftige Gründe dafür, dass auch im vorliegenden Fall das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz der Beschwerdeführerin zu eigenen Handen zuzustellen gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0174, m.w.N.).

Dies hat die belangte Behörde, die sich mit dieser Frage nicht befasst hat, verkannt, und weil nicht auszuschließen ist, dass die Beschwerdeführerin die Berufungsfrist im Fall der Zustellung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz zu eigenen Handen nicht versäumt hätte, war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am