VwGH vom 14.03.2014, 2012/08/0112
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des JG in F, vertreten durch die Puschner Spernbauer Rosenauer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SAB/0566/2012/Mag.Ed, betreffend Widerruf und Rückzahlung von Altersteilzeitgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Bezug des Altersteilzeitgeldes für die Zeit vom bis zum widerrufen und den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Altersteilzeitgeldes in der Höhe von EUR 55.887,78 verpflichtet.
Der Beschwerdeführer habe bei der regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W (im Folgenden: AMS) am einen Antrag auf Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes für G.G. (die Ehegattin des Beschwerdeführers) für die Zeit vom bis zum gestellt. Die Arbeitszeit sollte gleichbleibend über den ganzen Zeitraum auf 50 % reduziert werden. Die wöchentliche Normalarbeitszeit betrage laut Gesetz/Kollektivvertrag 40 Stunden. Als Ersatzarbeitskraft sei .Sch. angegeben worden.
Nach der Altersteilzeitvereinbarung vom sei zwischen G.G. und dem Beschwerdeführer vereinbart worden, dass die Wochenarbeitszeit von 40 Normalarbeitsstunden auf 20 Normalarbeitsstunden reduziert werde.
Mit Schreiben vom habe das Bundesministerium für Finanzen (Finanzamt - Großbetriebsprüfung) mitgeteilt, bei einer Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit (der G.G.) nicht erfolgt sei. Die Gehaltszahlungen würden weiterhin auf Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit (von 40 Stunden) erfolgen.
Der Beschwerdeführer habe auf die Frage der belangten Behörde nach Vorlage der Originalarbeitszeitaufzeichnungen der G.G. für die Zeit vom November 2003 bis November 2007 die Antwort gegeben,
"sie hat als Chefin den Betrieb wesentlich mitaufgebaut, ihre Tätigkeiten sind aus der Stellenbeschreibung ersichtlich, es liegen keine Arbeitszeitaufzeichnungen vor. Sie war als 'Chefin' für maßgebliche Führungsaufgaben (Finanzwesen, Lohnverrechnung, Personalwesen, Montageeinteilung, Kundenbetreuung) selbstverantwortlich zuständig und unterliegt gem. § 1 Abs. 2 Z. 8 AZG nicht dem Arbeitszeitgesetz."
Die Tätigkeitsbereiche der G.G. seien von F.U.
(Cashmanagement), I.F. (Lohnverrechnung), H.R.
(Personalwesen) usw. übernommen worden.
Ein konkreter Nachweis dafür - so die belangte Behörde weiter -, dass die Arbeitszeit der G.G. von 40 auf 20 Stunden (wöchentlich) reduziert worden sei, habe nicht erbracht werden können. Nach den "ganzen Ausführungen" des Beschwerdeführers sei die Stundenreduktion keineswegs nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe ab dem Zeitpunkt der Vereinbarung über die Altersteilzeit die Verpflichtung gehabt, Aufzeichnungen über die Arbeitszeit zu führen, um den Nachweis erbringen zu können, dass das Altersteilzeitgeld tatsächlich rechtmäßig zustehe. Wenn man als Betrieb Gelder der öffentlichen Hand in derartigem Ausmaß erhalte, sei ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab durchaus angemessen.
Dem AMS sei vom Beginn des Bezuges von Altersteilzeitgeld an verschwiegen worden, dass G.G. denselben Gehalt wie vor Beginn der Altersteilzeit erhalte, dass sie als "Chefin" vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen sei und sie keinen (schriftlichen) Dienstvertrag habe. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich gewesen, ohne entsprechende Arbeitszeitaufzeichnungen den Nachweis über eine "exakte Reduktion der Stundenanzahl" zu erbringen. Der Widerruf und die Rückforderung würden daher zu Recht erfolgen. Dem Beschwerdeführer bleibe es zwar unbenommen, der Altersteilzeitarbeitnehmerin weiterhin den vollen Lohn auszuzahlen. In seinem Betrieb habe es aber außer G.G. keine "verdienten Mitarbeiter, die eine derartige freiwillige Leistung erhielten", gegeben. Dass der Beschwerdeführer selbst nicht mehr Inhaber des Betriebes ist, welcher das Altersteilzeitgeld bezogen habe, sondern diesen Betrieb mit allen Rechten und Pflichten am in die J.G. GmbH eingebracht habe, sei irrelevant, weil die Rückforderung den Zeitraum vom bis zum betreffe und in diesem Zeitraum der Beschäftigerbetrieb vom Beschwerdeführer geführt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Dem Beschwerdevorbringen, auf Grund eines Betriebsübergangs an die J.G. GmbH und des Umstandes, dass das Altersteilzeitgeld "in der betrieblichen Struktur" verblieben wäre, würde nicht der Beschwerdeführer (der das Altersteilzeitgeld unbestritten in Empfang genommen hat), sondern die J.G. GmbH haften, ist entgegenzuhalten, dass sich der Rückforderungsanspruch iSd § 227 Abs. 8 AlVG jedenfalls gegen den Empfänger des Altersteilzeitgeldes richtet. Eine Gesamtrechtsnachfolge liegt nicht vor (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/08/0310, und vom , Zl. 2001/17/0208).
2. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe offensichtlich erkannt, dass eine "Überzahlung des gesetzlichen Mindestmaßes kein Indiz für die Nichtverringerung der Arbeitszeit" sein könne. Um sich jedoch "eine Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer übermittelten Urkunden und angebotenen Beweismittel für die Verringerung der Arbeitszeit zu ersparen", nehme die belangte Behörde ohne jegliche gesetzliche Grundlage eine Verpflichtung des Arbeitgebers an, Aufzeichnungen über die Arbeitszeit der Dienstnehmerin zu führen. Beim Antrag auf Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes vom habe sich der Beschwerdeführer der Formulare des AMS bedient. In diesen Formularen sei auf keinerlei Aufzeichnungspflicht hingewiesen worden. Es verstoße gegen Treu und Glauben, aus dem Antrag eine Aufzeichnungspflicht abzuleiten. Die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen wären ein taugliches Beweismittel gewesen, um den Nachweis für die Verringerung der Arbeitszeit zu erbringen. Sämtliche Zeugen säßen seit Beginn der Altersteilzeit von G.G. mit dieser im gleichen Büro und hätten deren Arbeitszeiten täglich wahrgenommen. Die belangte Behörde habe jedoch - wie schon die Erstinstanz - jegliche Ermittlungstätigkeit zur Verringerung der Arbeitszeit unterlassen.
Im Hinblick auf § 28 AlVG, wonach bei der Leistung von Mehrarbeit über die Teilzeitarbeit hinaus nur für den Zeitraum der Mehrarbeit kein Altersteilzeitgeld gebühre, hätte die belangte Behörde außerdem die Arbeitszeit für konkrete Zeiträume feststellen müssen.
Bereits in der Berufung und in der Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer ein umfassendes Vorbringen erstattet und ausreichende Beweismittel für seinen Standpunkt angeboten (insbesondere die Einvernahme des kaufmännischen Leiters H.R., I.F., F.U., R.G., .Sch.). Hätte die belangte Behörde die benannten Zeugen zur Verringerung der Arbeitszeit befragt, hätte sie festgestellt, dass es tatsächlich zu einer Verringerung der Arbeitszeit der G.G. gekommen sei.
3. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg: Die Unterlassung der Reduzierung der Arbeitszeit könnte im Hinblick auf den Bezug von Altersteilzeitgeld in zweifacher Hinsicht relevant sein: Zum einen könnte darauf geschlossen werden, dass die zwischen G.G. und dem Beschwerdeführer getroffene Altersteilzeitvereinbarung von den Parteien dahin gehend abgeändert wurde, dass die Beschäftigung im bisherigen Umfang aufrecht bleiben sollte. In diesem Fall entspräche die Vereinbarung nicht mehr den Vorgaben des § 27 Abs. 2 Z 2 AlVG, was eine (rückwirkende) Einstellung des Altersteilzeitgeldbezugs mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen im Bezugszeitraum rechtfertigen würde. Zum anderen könnte darauf geschlossen werden, dass G.G. über die Altersteilzeit hinaus Mehrarbeit geleistet hat, die üblicherweise zu einem Einkommen führt, welches die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG überschreitet. Gemäß § 28 AlVG gebührt aber dann, wenn die Arbeitnehmerin über die Altersteilzeit hinaus Mehrarbeit (in einem Ausmaß, dass üblicherweise zu einem die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden Einkommen führt) leistet, - lediglich - für diesen Zeitraum kein Altersteilzeitgeld (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0143).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Feststellungen der belangten Behörde, wonach die Normalarbeitszeit der G.G. von 40 Wochenstunden nicht reduziert worden sei. Die belangte Behörde hat ihre Feststellungen einerseits auf die Mitteilung des Bundesministeriums für Finanzen und andererseits lediglich darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt habe. Mit den Beweisanträgen des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Die grundsätzliche Eignung der beantragten Zeugen, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Daran ändert der Umstand des Unterlassens des Führens von Arbeitszeitaufzeichnungen nichts. Dem stillschweigenden Übergehen der beantragten Beweise durch die belangte Behörde liegt die gleiche Wertung zu Grunde, wie sie auch bei einer unzulässigen vorwegnehmenden Beweiswürdigung vorliegt. Die begründungslose Unterlassung der Einvernahme der beantragten Zeugen belastet daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2010/08/0143).
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am