VwGH 04.10.2016, Ra 2016/19/0211
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 setzt nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut eine "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraus. Auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückzuweisen ist, kommt es bei der Beurteilung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 nicht an. Dies bringt schon § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 zum Ausdruck, wonach die Zulassung einer späteren Zurückweisung nicht entgegensteht. Darauf, dass es maßgeblich wäre, aus welchen Gründen die Zulassung erfolgt wäre, stelle diese Bestimmung nicht ab (Hinweis E vom , Ra 2016/19/0208). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/01/0189 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W235 2130292-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, erhobenen Revision (Mitbeteiligter: M), die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung für zuständig erklärt wurde, sowie die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und seine Abschiebung nach Kroatien für zulässig erklärt wurde, gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG statt und behob den bekämpften Bescheid.
2 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dem Mitbeteiligten sei entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 nicht mit Verfahrensanordnung mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Es sei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides überhaupt keine Rechtsberatung erfolgt, die jedoch entsprechend den Bestimmungen des § 29 Abs. 4 AsylG 2005 sowie des § 49 Abs. 2 BFA-VG, in einem 24 Stunden nicht zu unterschreitenden Zeitraum ab Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 stattzufinden gehabt hätte. Auf Grund unzureichenden Parteiengehörs liege ein mangelhaftes Verfahren vor, der Sachverhalt sei so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurde. Zur unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von ihr zu vertretenden öffentlichen Interessen macht die Behörde geltend, es bestehe die Gefahr, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abläuft - diesfalls wäre Österreich jedenfalls zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig -, wodurch der Revision jegliche Effektivität genommen werde. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde dagegen die Überstellungsfrist mit der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache neu zu laufen beginnen. Rechtliche Interessen des Mitbeteiligten seien nicht berührt, weil das Asylverfahren weiterhin als zugelassen anzusehen sei und er daher über ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 verfüge.
4 Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.
Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof jedoch nach § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5 Der Mitbeteiligte hat sich zum Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht geäußert.
6 Es ist nicht zu sehen, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Es gibt aber auch keinen Hinweis dafür, dass im Rahmen der nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmenden Interessenabwägung von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen wäre, weshalb dem Antrag der revisionswerbenden Behörde stattzugeben war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den als Erkenntnis bezeichneten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W235 2130292-1/3E, betreffend Behebung eines Bescheides nach § 21 Abs. 3 BFA-VG in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligter: M A in B, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
Im Rahmen der Erstbefragung gab der Mitbeteiligte zu seinem Reiseweg an, über den Iran und die Türkei nach Griechenland gereist zu sein, wo er erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Von Griechenland aus sei er über Mazedonien und Serbien weiter nach Kroatien gefahren, wo er ebenfalls "behördlichen Kontakt" gehabt habe und erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Nach eintägigem Aufenthalt in Kroatien sei er über Slowenien nach Österreich und von dort aus nach Deutschland weitergereist. Die deutschen Behörden hätten den Mitbeteiligten aber zurückgewiesen, sodass er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt habe. Bei der Durchreise habe er in keinem der Länder Probleme gehabt.
2 Den in den Akten erliegenden Speicherauszügen aus von der Behörde EDV-unterstützt geführten Datenbanken zufolge wurde dem Mitbeteiligten am vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine "Aufenthaltsberechtigungskarte weiß (§ 51 AsylG 2005)" ausgehändigt und auf diese Weise nach § 28 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 sein Asylverfahren zugelassen.
3 Am richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an die zuständige kroatische Behörde, die darauf nicht antwortete. Mit Schreiben vom teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der kroatischen Behörde mit, dass Kroatien gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO auf Grund Verfristung hinsichtlich der Beantwortung des Aufnahmeersuchens zur Führung des Asylverfahrens des Mitbeteiligten zuständig geworden sei.
4 Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den vom Mitbeteiligten gestellten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und stellte fest, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Unter einem erließ es gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass "demzufolge" gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Mit Verfahrensanordnung vom teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Mitbeteiligten mit, dass ihm von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater zur Seite gestellt werde.
5 Mit der (als Erkenntnis bezeichneten) Entscheidung vom gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen erhobenen Beschwerde statt und hob diesen gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG auf. Die Erhebung einer Revision wurde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dem Mitbeteiligten sei entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 nicht mit Verfahrensanordnung mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Es sei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides überhaupt keine Rechtsberatung erfolgt, die jedoch entsprechend den Bestimmungen des § 29 Abs. 4 AsylG 2005 sowie des § 49 Abs. 2 BFA-VG in einem 24 Stunden nicht zu unterschreitenden Zeitraum ab Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 stattzufinden gehabt hätte. Auf Grund unzureichenden Parteiengehörs liege ein mangelhaftes Verfahren vor, der Sachverhalt sei so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine.
6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit (unter anderem) ausführt, das Asylverfahren des Mitbeteiligten sei durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte vor Bescheiderlassung zugelassen worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe dennoch die Bestimmung des § 21 Abs. 3 BFA-VG angewandt, obwohl es sich um keine Entscheidung im Zulassungsverfahren gehandelt habe. Darauf, dass das Verfahren des Mitbeteiligten zugelassen wurde, sei das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung überhaupt nicht eingegangen. Das Bundesverwaltungsgericht sei somit von der (in der Revision näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
Weiters sei in der Rechtsprechung noch nicht geklärt worden, ob eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG in Form eines Erkenntnisses oder eines (nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen habe.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der gegenständlichen Revision und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Die Revision ist zulässig und auch begründet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0208, ausgesprochen, dass eine rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut das Vorliegen einer "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraussetzt. Auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückzuweisen sei, komme es bei der Beurteilung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG nicht an. Das bringe schon § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 zum Ausdruck, wonach die Zulassung einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegensteht. Darauf, dass es maßgeblich wäre, aus welchen Gründen die Zulassung erfolgt wäre, stelle diese Bestimmung nicht ab.
9 Der vorliegende Fall gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungsrelevanten Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis Ra 2016/19/0208 entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Die angefochtene Entscheidung war aus den dort dargelegten Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | 32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1; AsylG 2005 §13; AsylG 2005 §29 Abs3 Z4; AsylG 2005 §29 Abs4; AsylG 2005 §5 Abs1; BFA-VG 2014 §21 Abs3; BFA-VG 2014 §49 Abs2; FrPolG 2005 §61 Abs1 Z1; VwGG §30 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016190211.L00.1 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-71162