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VwGH vom 20.10.2010, 2010/02/0136

VwGH vom 20.10.2010, 2010/02/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Martin Bican, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-06/V/50/10051/2008-18, betreffend Übertretung des Wiener Tierhaltegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am um 18.10 Uhr seinen Hund im Garten seines der Anschrift nach näher bestimmten Hauses nicht so gehalten bzw. verwahrt, dass fremde Sachen nicht beschädigt würden, als sein Hund durch das Metallgitter des Gartentores dem Hund der A. N. die rechte Vorderpfote habe abbeißen können.

Er habe dadurch § 13 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 3 des Wiener Tierhaltegesetzes, LGBl. Nr. 39/1987 i.d.g.F., übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, die belangte Behörde sehe es aufgrund des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens (nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen) als erwiesen an, dass der Hund des Beschwerdeführers das Tier der Zeugin A. N. verletzt habe. Bei einer ordnungsgemäßen Verwahrung, nämlich der Verhinderung, dass sich der Hund des Beschwerdeführers sich einem Gegenstand habe nähern können, der durch den Zaun gesteckt worden sei, hätte diese Verletzung hintangehalten werden können. Der Beschwerdeführer habe also seinen Hund so verwahrt, dass dadurch eine fremde Sache beschädigt worden sei. Dadurch sei der Tatbestand des § 13 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 3 Z. 3 des Wiener Tierhaltegesetzes erfüllt, weshalb der angelastete Sachverhalt diesem Tatbestand zu unterstellen sei.

Die Verwahrung des Tieres derart, dass es durch den Zaun gestreckte Gegenstände erfassen könne, wäre unter Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu verhindern gewesen. Es sei dem Beschwerdeführer durch sein Verhalten und Vorbringen der Beweis nicht gelungen, dass ihn an der vorliegenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, es sei nicht richtig, dass die Übertretung des § 13 i.V.m. § 3 Wiener Tierhaltegesetz ein Ungehorsamsdelikt sei. Es handle sich bei der Übertretung dieser Bestimmung in Wahrheit um ein Erfolgsdelikt. Demnach habe die Behörde dem vermeintlichen Täter nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, sondern auch das Verschulden nachzuweisen, wobei die Behörde aufzuzeigen habe, worin die konkrete Schuld des Täters gelegen sei. Einen solchen Nachweis habe die Behörde aber nicht führen können, zumal bei rechtsrichtiger Auslegung des § 13 i.V.m. § 3 des Wiener Tierhaltegesetzes schon der objektive Tatbestand nicht erfüllt sei.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG vorliege, so habe der Beschwerdeführer doch sämtliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten.

Gemäß § 3 Z. 3 des Wiener Tierhaltegesetzes i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 54/2005 sind Tiere so zu halten oder zu verwahren, dass fremde Sachen nicht beschädigt werden.

Nach § 13 Abs. 2 Z. 1 des Wiener Tierhaltegesetzes i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 54/2005 begeht derjenige, der ein Tier nicht so hält oder verwahrt, dass Menschen nicht gefährdet, Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, nicht unzumutbar belästigt und fremde Sachen nicht beschädigt werden (§ 3) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 14.000 Euro zu bestrafen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werden Verwaltungsübertretungen, zu deren Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, als Ungehorsamsdelikte bezeichnet (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 2. Auflage, S. 73, unter E 102 zu § 5 VStG angeführte Judikatur).

Der Eintritt eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges im Inland im Sinne des § 2 Abs. 2 VStG führt zum Vorliegen eines sogenannten Erfolgsdeliktes. Darunter ist ein solches Delikt zu verstehen, bei dem der Eintritt des Erfolges Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen des vollendeten Deliktes ist. Der Umstand, dass ein Gebot oder Verbot einen bestimmten Zweck verfolgt, macht diesen Zweck noch nicht zum Tatbestandsmerkmal und damit dessen Vereitelung noch nicht zum Erfolg im Sinne des § 2 Abs. 2 VStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/03/0251, m.w.N.).

Aus der Formulierung des § 13 Abs. 2 Z. 1, dritter Tatbestand, des Wiener Tierhaltegesetzes ("Wer ein Tier so hält

oder verwahrt, dass ... fremde Sachen nicht beschädigt werden

...") geht jedoch unmissverständlich hervor, dass die Strafbarkeit vom Eintritt eines Erfolges, nämlich der Beschädigung einer fremden Sache abhängig ist. Es handelt sich daher bei dieser Übertretung um ein Erfolgsdelikt im Sinne der dargestellten Judikatur.

Obwohl die belangte Behörde unzutreffend vom Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes im Beschwerdefall ausging, ist dadurch für den Beschwerdeführer dennoch nichts gewonnen, weil die belangte Behörde auch feststellte, die Verwahrung des Tieres (des Beschwerdeführers) derart, dass es durch den Zaun gesteckte Gegenstände erfassen könne, wäre unter Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu verhindern gewesen. Der Gesetzgeber geht aufgrund der gewählten Formulierung des Gesetzes von der Sicherstellung der Abwendung eines Schadens von anderen Sachen aus, weshalb auch den weitwendigen Ausführungen in der Beschwerde, es seien hinsichtlich der Verwahrungspflicht eines Hundehalters die vom OGH im Rahmen des Schadenersatzrechtes zu § 1320 ABGB entwickelten Grundsätze anzuwenden seien, ins Leere gehen.

Auch hinsichtlich des Vorliegens der subjektiven Tatseite liegt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, zumal die belangte Behörde im Übereinstimmung mit den Ergebnissen der im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführten ergänzenden Ermittlungen in einer - wie noch auszuführen sein wird - vom Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennenden Beweiswürdigung darlegen konnte, dass die Verletzung des Tieres der Zeugin A. N. in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verhalten des Hundes des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Vorfalls steht. Gerade der Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es sei möglich gewesen, dass durch den Zaun (gemeint wohl: durch das - wie sich auch aus der Beschwerde beigelegten Fotos vom Tatort ergibt - weitmaschige Gitter des Gartentores) gestreckte Gegenstände vom Hund des Beschwerdeführers hätten erfasst werden können, zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, dass den gesetzlichen Anforderungen einer solchen Verwahrung dieses Hundes, dass fremde Sachen nicht beschädigt werden, eben gerade nicht entsprochen wurde.

Da es - wie bereits ausgeführt - auf die in der zivilrechtlichen Judikatur zu § 1320 ABGB entwickelten Grundsätze hinsichtlich der Haftung eines Hundehalters im vorliegenden Fall nicht ankommt, fehlt es auch der Verfahrensrüge, es seien die diesbezüglich erforderlichen Ermittlungen durch die belangte Behörde nicht durchgeführt worden, an Relevanz.

Es trifft aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auch die Beschwerdebehauptung nicht zu, es sei unmöglich gewesen, dass der Hund der Beschwerdeführers dem Hund der Zeugin A. N. die Pfote abgebissen habe. Selbst der als Zeuge von der belangten Behörde einvernommene Tierarzt Dr. D. S. räumte gegenüber der Behörde ein, dass die von ihm als glatte Wunde beschriebene Verletzung an der Pfote des Hundes der Zeugin A. N. "auch vom Gebiss des Hundes" (des Beschwerdeführers) stammen könnte. Der gleichfalls als Zeuge einvernommene Tierarzt Dr. M. H. führte darüber hinaus aus, der Augenschein des Gitters (des Tores des Beschwerdeführers) spreche "jedenfalls dagegen, dass durch das Zaungitter Schnittverletzungen entstanden" seien. Ferner widerlegte dieser Zeuge auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, dass sich die Pfote des Hundes der Zeugin A. N. im Zaun verkeilt und die Besitzerin angezogen habe, wodurch die Verletzung des Hundes dieser Zeugin entstanden sei; dies sei im Hinblick auf die Größe der Pfote des Hundes der Zeugin A. N. "äußerst unwahrscheinlich". Vielmehr sei die Verletzung mit Bissverletzungen, wo Extremitäten abgetrennt worden seien, "vom Anschein durchaus vergleichbar".

Gestützt auf diese Ermittlungsergebnisse konnte daher die belangte Behörde in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung davon ausgehen, dass die Verletzung des Hundes der Zeugin A. N. durch einen Biss des Hundes des Beschwerdeführers herbeigeführt wurde. Aufgrund der ergänzenden Ermittlungen der belangten Behörde vermag der Beschwerdeführer auch nicht einsichtig darzulegen, weshalb der maßgebliche Sachverhalt nicht richtig feststehe und nur unzureichend ermittelt worden sei. Daran vermag auch die Rüge, die belangte Behörde sei nur den Darstellungen der anderen Zeugen, nicht jedoch jener des Beschwerdeführers gefolgt, nichts zu ändern.

Der Beschwerdeführer rügt ferner, die belangte Behörde hätte unter Berücksichtigung des auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatze "in dubio pro reo" bei der bestehenden Beweislage mangels der im Strafverfahren geforderten Sicherheit nicht von einem aktiven Abbeißen der Pfote durch den Hund des Beschwerdeführers ausgehen dürfen.

Der Grundsatz "in dubio pro reo" hat nur dann zur Anwendung zu gelangen, wenn nach dem Ergebnis der Beweiswürdigung noch Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0396, 0399, m. w.N.). Es ist für den Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde nicht zu ersehen, dass im vorliegenden Beschwerdefall aufgrund der nicht in Abrede gestellten Art der Verwahrung des Hundes des Beschwerdeführers und aufgrund der im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung bezüglich der vom Hund des Beschwerdeführers stammenden Bissverletzung beim Hund der Zeugin A. N. derartige Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdeführers geblieben wären, dass der Grundsatzes "in dubio pro reo" anzuwenden gewesen wäre. Es kann auch keine Rede sein, dass sich die belangte Behörde nicht mit der den Beschwerdeführer entlastenden Darstellung des im Beschwerdefall maßgeblichen Tatherganges befasst hätte.

Die Rüge, die Behörde erster Instanz sei unzutreffend vom Fehlen einer Rechtfertigung des Beschwerdeführers im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens ausgegangen, vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzulegen. Auch vermag der Beschwerdeführer nicht einsichtig darzulegen, weshalb die Einholung eines Gutachtens eine veterinärmedizinischen Sachverständigen notwendig gewesen wäre, zumal bereits im Zuge des Berufungsverfahrens die als Zeugen beigezogenen Tierärzte hinreichend auf sachkundiger Ebene zu Klärung des Sachverhaltes beitragen konnten.

Auch mit der allgemein gehaltenen Rüge, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Begründungspflicht verletzt, weil sie nicht näher dargelegt habe, warum die Haltung eines Hundes auf einem eingezäunten Grundstück nicht ordnungsgemäß im Sinne der angezogenen Bestimmungen (des Wiener Tierhaltegesetzes) gewesen sei und welche Sorgfalt der Beschwerdeführer hätte walten lassen müssen, zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, zumal es einer derartigen Begründung im Hinblick auf den für die Beurteilung der vorliegenden Übertretung ausreichend festgestellten Sachverhalt nicht bedurfte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil der Anforderung des Art. 6 EMRK durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan wurde.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-71160