Suchen Hilfe
VwGH vom 18.11.2011, 2010/02/0134

VwGH vom 18.11.2011, 2010/02/0134

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2010/02/0152 E

2010/02/0141 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der O GmbH in F, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schauflergasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-2112/2/2009, betreffend Einziehung eines Geldspielapparates (K-VAG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan vom betreffend Einziehung eines Geldspielapparates nach dem Kärntner Veranstaltungsgesetz, K-VAG 1997, gemäß § 66 Abs. 2 AVG insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, am sei im Zuge einer Kontrolle eines näher bezeichneten Standortes durch Aufsichtsorgane für Spiel- und Geldspielapparate ein Geldspielapparat, Internet-Terminal, Serien Nr. 25023, ohne gültige Bewilligung und ohne gültige Vignette betriebsbereit, am Stromnetz angeschlossen und eingeschaltet, angetroffen und entfernt worden.

Gemäß § 33 Abs. 2 des K-VAG seien Spielapparate, die entgegen den Bestimmungen des § 8 nicht mit der entsprechenden unbeschädigten Plakette versehen seien, samt ihrem Inhalt auf Kosten und Gefahr des Betreibers ohne vorangegangenes Verfahren zu entfernen. Im gegenständlichen Fall sei zu prüfen, ob es sich bei dem gegenständlichen Spielgerät um einen Geldspielapparat im Sinne des Kärntner Veranstaltungsgesetzes handle oder ob das Spielgerät in den Anwendungsbereich des Glücksspielgesetzes und somit in das Glücksspielmonopol des Bundes falle. Die für die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungsschritte seien von der erstinstanzlichen Behörde bisher unterblieben, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine. Der technische Sachverständige sowie das Kontrollorgan seien zeugenschaftlich über den Ablauf des Probespiels zu befragen. Im Zuge dieser Befragung sei im Wesentlichen festzustellen, wie bei dem gegenständlichen Spielgerät die Entscheidung über Gewinn und Verlust herbeigeführt werde und ob die Wertgrenzen des § 4 Abs. 3 Glücksspielgesetz überschritten würden oder nicht.

Die Landesgesetzgeber hätten von der ihnen gemäß § 4 Abs. 2 Glücksspielgesetz eröffneten Möglichkeit, das kleine Glücksspiel mit Glücksspielautomaten zu regeln, im Rahmen ihrer Kompetenz zur Regelung des Veranstaltungswesen unterschiedlich Gebrauch gemacht, wobei in Kärnten das kleine Glücksspiel erlaubt sei. Dabei sei zu beachten, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Glücksspielgesetz kumulativ vorliegen müssten. Es müsse sich daher um eine Ausspielung mittels eines Glücksspielautomaten handeln, wobei die vermögensrechtliche Leistung des Spielers den Betrag oder den Gegenwert von EUR 0,50 oder der Gewinn den Betrag oder den Gegenwert von EUR 20,-- pro Spiel nicht übersteigen dürfe. Der Automat unterliege daher nicht schon nicht dann dem Glücksspielmonopol, wenn er auf ein Guthaben von mehr als EUR 0,50 gebracht werden könne, sondern lediglich dann, wenn die Aktivierung eines Spielvorganges einen EUR 0,50 übersteigenden Einsatz erfordere. Die Ausnahmebestimmung sei so zu verstehen, dass die bei einem bestimmten Spielautomaten für einen Spieler gegebene Möglichkeit, eine der beiden Geringfügigkeitsgrenzen zu überschreiten, bestehen müsse, um die Ausnahme vom Glücksspielmonopol zu verneinen. Die Einhaltung dieser Grenzen sei so zu beurteilen, welcher maximale Einsatz der Spieler bei einem einzigen Spiel tätigen könne und welche maximale Gegenleistung dieser in Aussicht gestellt bekomme. Dabei scheine es von zentraler Bedeutung, ob der Glücksspielapparat den Gewinn oder den Verlust selbsttätig herbei führe oder ob die Entscheidung über Gewinn oder Verlust von einer zentralen Stelle aus erfolge. Dieses Kriterium scheine gerade bei Internet-Terminals, die zumeist über einen Server mit dem Internet verbunden seien, für die Frage, ob das Kärntner Veranstaltungsgesetz anzuwenden sei oder das Bundesgesetz (Glücksspielgesetz) zum Tragen komme, von Bedeutung zu sein.

Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß Art. 129a B-VG zur Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Verwaltung berufen und zur Kontrolle der Entscheidung nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzugs eingerichtet sei. Aus dieser Bestimmung folge, dass der Unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich nicht selbst Verwaltungsentscheidungen - wie etwa die Überprüfung der Beschaffung der Glücksspielgeräte - in erster Instanz zu treffen habe, also nicht selbst unmittelbar die Geschäfte der Verwaltung führen solle, sondern die von der Verwaltung gesetzten Akte im Nachhinein zu überprüfen habe. Sei daher der maßgebende Sachverhalt des Verfahrens im Wesentlichen erst festzustellen, habe die Fortführung des Verfahrens durch die erste Instanz zu erfolgen. In einem Administrativverfahren hätten die Unterinstanzen den gesamten für die Entscheidung relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Die Funktion des Unabhängigen Verwaltungssenates sowie die Anordnung des Gesetzgebers würden dem entgegenstehen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens oder wesentlicher Teile davon in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens an die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache werden würde. Es sei nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre Kontrollbefugnis wahrzunehmen, jene Behörde sei, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittle und einer Beurteilung unterziehe. Der Unabhängige Verwaltungssenat mache daher von der Möglichkeit der Zurück(ver)weisung nach § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch, da das Verfahren bei der Behörde erster Instanz mangelhaft sei und dieser Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung behoben werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen hat die Berufungsbehörde jedoch außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens berechtigt die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat somit die Berufungsbehörde zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unvermeidlich erscheint (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0019). Die Voraussetzungen für ein auf § 66 Abs. 2 AVG gestütztes Vorgehen der Berufungsbehörde liegen dann vor, wenn der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig am selben Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0063, mwN).

Im vorliegenden Fall rechtfertigt der Umstand, dass einige der belangten Behörde für die Entscheidung wesentlich erscheinende Sachfragen ungeklärt waren und die "zeugenschaftliche Einvernahme" des technischen Sachverständigen sowie des Kontrollorgans über den Ablauf des Probespiels durchgeführt werden sollte, noch nicht die Annahme, dass zur Abklärung dieser Fragen eine mündliche Verhandlung erforderlich wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/20/0205), zumal auch die Notwendigkeit von Verfahrensergänzungen durch nochmalige Befassung des Amtssachverständigen kein Grund ist, aus dem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung "unvermeidlich" erscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0063).

Die von der belangten Behörde angegebenen Gründe für die Aufhebung und Zurückverweisung sind daher nicht geeignet, die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung darzutun, sodass die Voraussetzungen für eine Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG nicht vorliegen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-71157