VwGH vom 27.05.2011, 2010/02/0129

VwGH vom 27.05.2011, 2010/02/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des P B in G, vertreten durch Dr. Marlene Wintersberger, Rechtsanwältin in 2340 Mödling, Hauptstraße 48, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-MD-09-1061, betreffend Übertretungen der StVO 1960, des FSG und des KFG,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 567,55 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde wird hinsichtlich der Übertretungen nach § 97 Abs. 5 StVO 1960, nach dem KFG 1967 und dem FSG, abgelehnt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Straferkenntnis der BH Mödling vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am um 0.56 Uhr im Gemeindegebiet G, B Straße 40, als Fahrzeuglenker eines PKWs folgende Verwaltungsübertretung begangen zu haben:

"1. Der durch deutlich sichtbare Zeichen (Taschenlampe mit rotem Aufsatz) erfolgten Aufforderung eines Organes der Straßenaufsicht zum Anhalten keine Folge geleistet.

2. Die Anordnung eines Organes der Straßenaufsicht für die Benützung der Straße nicht befolgt. Die Anordnung bestand darin, daß

3. Den Zulassungsschein einem Organ der Straßenaufsicht auf sein Verlangen zur Überprüfung nicht ausgehändigt.

4. Als Lenker des KFZ den Führerschein einem Organ der Straßenaufsicht auf sein Verlangen zur Überprüfung nicht ausgehändigt.

5. Die Untersuchung Ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hierzu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl sie das Fahrzeug gelenkt haben."

Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Verwaltungsvorschriften übertreten, wofür die nachgenannten Strafen verhängt wurden: Zu 1. § 97 Abs. 5, § 99 Abs. 3 lit. j StVO 1960, EUR 50 (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Stunden); zu 2.

§ 97 Abs. 4, § 99 Abs. 3 lit. j StVO 1960, EUR 50 (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Stunden); 3. § 102 Abs. 5 lit. b, § 134 Abs. 1 KFG 1967, EUR 35 (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) zu

4. § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 1 und 2a FSG, EUR 50 (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Stunden) und zu 5. § 5 Abs. 2, § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960, EUR 1162,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 368 Stunden).

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung am mit dem Hinweis verständigt, dass bei Nichterscheinen einer Partei trotz Ladung die Durchführung der Verhandlung und die Fällung der Entscheidung nicht gehindert werde. Die Frau des Beschwerdeführers und die einschreitenden Beamten wurden als Zeugen zu dieser Verhandlung geladen.

Nach einer Meldeanfrage vom ist der Beschwerdeführer seit in G, B Straße 38, gemeldet.

Dem Protokoll über die bei der belangten Behörde durchgeführte mündliche Verhandlung vom folgend, legte der Beschwerdeführervertreter eine Krankmeldung des Beschwerdeführers seit zur Einsichtnahme vor. Dazu wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer wegen Krankheit nicht an der Verhandlung teilnehme und die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt werde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers entschlug sich nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht als Ehefrau der Aussage.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt; hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte hat sie das Straferkenntis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatort zu den Spruchpunkten 3, 4 und 5 B Straße 38 zu lauten habe.

In der Begründung stellte die belangte Behörde den Verfahrensgang dar und führte aus, bereits in der Anzeige sei festgehalten worden, dass der Meldungsleger vor dem Haus B Straße 40 eine Verkehrskontrolle durchgeführt und dort das Haltezeichen gegeben habe, während der Beschwerdeführer zum Haus Nr. 38 zugefahren sei. Der Meldungsleger habe sich dorthin begeben und die Amtshandlung dann bei Haus Nr. 38 durchgeführt. Die Anzeige sei innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, sodass die Korrektur der Adresse im angefochtenen Bescheid keine Verjährung begründe und im Übrigen nur der Präzisierung gedient habe. Vom Beschwerdeführer sei nicht in Abrede gestellt worden, dass er an der Anschrift B Straße 38 gemeldet und wohnhaft sei. Der Meldungsleger habe bei der Berufungsverhandlung angegeben, gemeinsam mit einem Kollegen in G auf Höhe des Hauses B Straße 40 Verkehrskontrollen durchgeführt zu haben. Als sich ein Fahrzeug genähert habe, habe er mit der Taschenlampe das rote Anhaltezeichen gegeben. Das Fahrzeug sei nicht bis zu seinem Standort gefahren, sondern in die Zufahrt des Hauses Nr. 38 eingebogen. Der Meldungsleger habe angenommen, dass der Lenker dort zufahre, um umzudrehen und sei deshalb schnell dorthin gegangen. Das Fahrzeug sei auf dem Autoabstellplatz vor der Garage des Hauses Nr. 38 gestanden. Die Fahrertüre sei offen gewesen und der Lenker sei nach dem Aussteigen neben dem Fahrzeug gestanden. Ein Beifahrer sei nicht anwesend gewesen, die Beifahrertür sei geschlossen gewesen. Der Meldungsleger habe den Lenker zu einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle aufgefordert und da dieser einen unsicheren Eindruck gemacht habe auch zu einem Alkotest. Vorerst habe der Mann "ja, ja" geäußert, sei dann aber in die offene Garage gegangen. Als der Meldungsleger habe nachgehen wollen, habe der Mann das Garagentor geschlossen. Der Meldungsleger habe dann einen Blick in das offene Fahrzeug geworfen, aber keine Fahrzeugpapiere gesehen. Dann sei das Garagentor wieder aufgegangen und der Lenker des Fahrzeuges sei im Hintergrund der Garage gestanden. In der Mitte der Garage sei eine Frau im Morgenmantel gestanden. Der Meldungsleger habe den Lenker nochmals aufgefordert zum Alkotest mitzukommen, dieser habe nur angegeben, dass er den Alkotest nicht mache und dass seine Frau gefahren sei. Danach sei das Garagentor wieder geschlossen worden. Die Beamten hätten dann über ZMR-Anfrage den Beschwerdeführer sowie den Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges ermittelt. Im Anschluss an die Wiedergabe der Einvernahme findet sich im angefochtenen Bescheid die Bemerkung, dass die Beschreibung des Lenkers durch den Zeugen mit ca. 55 bis 60 Jahre alt zu dessen Geburtsdatum passe.

Nach der Wiedergabe der Aussage des zweiten Zeugen führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass sie auf Grund der Aussage des Meldungslegers davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug gelenkt habe. Der Meldungsleger habe angegeben, dass ein Mann das Fahrzeug gelenkt habe, eine andere Person habe sich nicht beim abgestellten Fahrzeug befunden. Vom Beschwerdeführer hätten keine Beweismittel für dessen Entlastung genannt werden können. Die Behauptung gegenüber dem Beamten, seine Frau habe das Fahrzeug gelenkt, sei von dieser nicht bestätigt worden. Es sei auch unglaubwürdig, dass eine Frau mitten in der Nacht im Winter im Morgenmantel auf öffentlichen Straßen ein KFZ lenke. Auch kann davon ausgegangen werden, dass eine Person, die im Stande ist, das Garagentor zu öffnen und zu schließen, an dieser Adresse zu Hause sei. Die Aufforderung zum Alkotest durch den Meldungsleger sei vom zweiten Beamten bestätigt worden.

Nach Darstellung der einschlägigen Rechtslage kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer zumindest fahrlässiges Verhalten anzulasten sei und sich die verhängten Strafen im unteren Bereich der Strafdrohungen bewegten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu 1. (Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960):

Der Beschwerdeführer wendet sich in der Beschwerde gegen die von der belangten Behörde zur Begründung seiner Tätereigenschaft herangezogenen Argumente. Er sei weder Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden PKWs, noch Eigentümer der Liegenschaft B Straße 38. Damit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2007/02/0288).

Bei der Argumentation des Beschwerdeführers fällt auf, dass er nicht ausdrücklich bestreitet, die Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, sondern die Schlussfolgerungen der belangten Behörde aus den Verfahrensergebnissen in Frage stellt. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, an der Anschrift B Straße 38 gemäß der Zentralmeldeauskunft seit 1997 wohnhaft gewesen zu sein bzw. dort zu wohnen und erstattet auch kein konkretes Vorbringen - wie Übrigens im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht -, wo er allenfalls zum genannten Zeitpunkt gewesen ist.

Wenn ein Beschuldigter seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, sind die Verwaltungsbehörden berechtigt, diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung ins Kalkül zu ziehen. Vom Zulassungsbesitzer, der das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat, kann im Übrigen erwartet werden, dass er konkret darlegen kann, dass er als Lenker ausscheidet (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0297).

Zwar ist der Beschwerdeführer nicht Zulassungsbesitzer des Pkws, jedoch kann vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung nicht zuletzt wegen der Zurückhaltung des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Aufenthaltsortes zum Tatzeitpunkt sowie der sonstigen Anhaltspunkte, die auf seine Täterschaft hinweisen, der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, ihre Beweiswürdigung sei unschlüssig; die Beweiswürdigung der belangten Behörde in diesem Zusammenhang ist nicht zu beanstanden.

Von der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers ausgehend finden sich in der Beschwerde keine Argumente, wonach eine Aufforderung zur Alkomatuntersuchung nicht erfolgt sei.

Ein Verstoß gegen § 44a VStG liegt durch die Korrektur des Tatortes unter anderem bei Spruchpunkt 5. nicht vor, zumal auch die genaue Uhrzeit beim Tatvorwurf eine Doppelbestrafung als nicht möglich erscheinen lässt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich mit Rücksicht auf das Verhältnis der Übertretungen zueinander (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0137 bis 0138) auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II. (Übertretungen nach § 97 Abs. 5 StVO 1960, nach dem KFG 1967 und dem FSG):

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde, soweit sie die Spruchpunkte 1, 3 und 4 betreffen, nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt insoweit von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Gemäß § 58 Abs. 1 VwGG hat - da die §§ 47 bis 56 leg. cit. für den Fall der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß §§ 33a leg. cit. nicht anderes bestimmen - jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen. Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet daher - ungeachtet des entsprechenden Antrages der belangten Behörde - nicht statt.

Wien, am