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VwGH vom 09.10.2013, 2012/08/0099

VwGH vom 09.10.2013, 2012/08/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Dr. W F in B, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Haeckelstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl BMASK-425935/0001- II/A/3/2011, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer - soweit für das weitere Verfahren relevant - ausgesprochen, dass er im Zeitraum vom "bis dato" in der Unfallversicherung der Bauern pflichtversichert sei.

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Miteigentümer einer Liegenschaft in S. An dieser Liegenschaft seien noch drei weitere Personen, nämlich W.H., G.G. und P.F. beteiligt. Auf Grund einer Meldung des Beschwerdeführers vom seien die gesamten Flächen dieser Liegenschaft als brachliegend anerkannt worden. Am sei anlässlich der durch den Tod von G.G. geänderten Eigentumsverhältnisse eine Überprüfung der Sachlage durchgeführt worden. Auf Grund der von W.H. gemachten Angaben sei von einer Bewirtschaftung ausgegangen und die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung festgestellt worden. Im Erhebungsbogen vom habe W.H. bekannt gegeben, dass Durchforstungen und seit ca sieben Jahren auch Schlägerungen erfolgt seien. Der Eintritt der Pflichtversicherung könne daher nicht mehr genau eruiert werden. Fest stehe jedoch, dass im Zeitraum vom "bis dato" Bewirtschaftungshandlungen gesetzt worden seien. Die durchgeführten Arbeiten (Schlägerungen und Durchforstungen) stellten jedenfalls eine forstwirtschaftliche Nutzung dar. Weil keine von den Eigentumsverhältnissen abweichenden Vereinbarungen getroffen worden seien, führten die Miteigentümer somit einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes auf gemeinsame Rechnung und Gefahr.

In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vom führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er von der gegenständlichen Liegenschaft nie irgendwelche Vorteile oder Früchte bezogen habe und dass er weder mit einem Miteigentümer noch mit einem Außenstehenden irgendeine ausdrückliche oder konkludente Verfügung bezüglich der Liegenschaft getroffen habe. Der erstinstanzliche Bescheid bringe ihm nunmehr erstmals zur Kenntnis, dass W.H. angegeben hätte, dass seit ca sieben Jahren Durchforstungen und auch Holzschlägerungen erfolgt seien.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde diesem Einspruch keine Folge gegeben. Die Einspruchsbehörde führte aus, im gegenständlichen Verfahren sei die strittige Rechtsfrage, ob die eigenmächtige - ohne Zustimmung des Beschwerdeführers vorgenommene - Bewirtschaftung des land(forst)wirtschaftlichen Betriebs durch den Hälfteeigentümer W.H. auch die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers bewirkt hätte. Bei der gegenständlichen Liegenschaft sei allein durch die Bewirtschaftung der forstwirtschaftlichen Flächen der Einheitswert von EUR 150,-- überschritten worden und dadurch die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem BSVG für den Beschwerdeführer gegeben. Wer aus der Betriebsführung berechtigt und verpflichtet werde, sei eine Rechtsfrage, die nicht nach tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten, und zwar primär dem Eigentum bzw Miteigentum am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, beantwortet werden könne. Der land(forst)wirtschaftliche Betrieb werde auf Rechnung und Gefahr aller Miteigentümer geführt, auch wenn einzelne davon der Betriebsführung durch lediglich einen Miteigentümer nicht zustimmten bzw von der Betriebsführung gar keine Kenntnis hätten.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Einspruchsvorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und festgestellt, dass dieser in der Unfallversicherung gemäß § 3 BSVG ab dem bis pflichtversichert sei. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen verwies die belangte Behörde hinsichtlich des Sachverhalts auf den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom . Der Beschwerdeführer habe die gegenständlichen Liegenschaften mit Übergabe am an seine Tochter U.F. veräußert.

Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, dass die die Versicherung begründenden Schlägerungen und Forstarbeiten ohne Wissen und Einwilligung der (anderen) Miteigentümer von einem Miteigentümer durchgeführt worden seien, sei darauf hinzuweisen, dass die Berechtigung und Verpflichtung, die aus der Betriebsführung resultierten, sich auf Rechtstatsachen gründeten, nämlich konkret auf das Eigentum (Miteigentum) an der bewirtschafteten Fläche. Vorgänge im Innenverhältnis der Miteigentümer seien sozialversicherungsrechtlich nicht relevant. Für die Feststellung des Vorliegens bzw Nichtvorliegens einer Versicherung nach dem BSVG könnten nur rechtswirksame dingliche oder obligatorische Rechtsakte berücksichtigt werden, die bewirkten, dass statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer (zB Pächter) oder nur ein Miteigentümer berechtigt und verpflichtet werde. Dies sei im konkreten Fall weder behauptet noch nachgewiesen worden. Nach Verweis auf mehrere Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs führte die belangte Behörde weiter aus, dass das Vorliegen einer forstwirtschaftlichen Tätigkeit auf den gegenständlichen Flächen nicht strittig sei. Auf vom Beschwerdeführer beantragte Zeugeneinvernahmen könne daher verzichtet werden, weil die beabsichtigte Beweisführung dazu, dass die Bewirtschaftung und die Schlägerungen illegal und ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer erfolgt seien, nicht entscheidungsrelevant sei. Da bei der gegenständlichen Liegenschaft schon durch die Bewirtschaftung der land(forst)wirtschaftlichen Flächen der Einheitswert von EUR 150,-- überschritten werde, sei die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem BSVG für den Beschwerdeführer festzustellen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 BSVG sind in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die im § 2 Abs 1 Z 1 bezeichneten Personen versichert.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 BSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl Nr 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Unfallversicherung für den Zeitraum vom bis festgestellt und dies damit begründet, dass der Beschwerdeführer durch die von W.H. durchgeführten Schlägerungen und Durchforstungen im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet worden sei.

2. Der Beschwerdeführer führt dazu in seiner Beschwerde aus, strittig sei ausschließlich, ob die Handlung eines "diebischen Miteigentümers", der aus einem vier Miteigentümern gehörenden Wald Bäume fällen lasse und das Holz im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkaufe, für die bestohlenen Miteigentümer die Wirkung habe, dass dieser Diebstahl sozialversicherungsrechtlich den Miteigentümern, die seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Liegenschaft gewesen seien und die von den Diebstählen keine Kenntnis gehabt hätten, als Gründung und Führung eines Betriebs im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zuzurechnen sei. W.H. habe ausschließlich in seinem Namen und ausschließlich auf seine Rechnung durchgeführte Holzschlägerungen und sogenannte "schwarze Verkäufe", das heiße, Verkäufe ohne Rechnungen an Außenstehende, durchgeführt, aus denen der Beschwerdeführer weder berechtigt noch verpflichtet worden sei.

Der Diebstahl sei auf keinen Vorgang im Innenverhältnis der Miteigentümer zurückzuführen. W.H. habe nach Auskunft eines Zeugen nach außen im eigenen Namen und für eigene Rechnung gehandelt und habe "erst nach vorangegangener Androhung der Einschaltung der Staatsanwaltschaft wegen Diebstahl und der Finanzverwaltung wegen sogenannter 'Schwarzverkäufe' eingestanden". Der Beschwerdeführer habe erst durch Nachforschungen von den Holzschlägerungen erfahren und habe im Gefolge des Diebstahls Schadenersatzansprüche gegen den Dieb. Dies betreffe keinen Vorgang im Innenverhältnis und die Entstehung von Schadenersatzansprüchen gegen einen Dieb sei nicht als Betrieb im Sinne des § 5 Landarbeitsgesetz zu beurteilen.

3. Zunächst ist anhand des unstrittigen Sachverhalts, wonach W.H. im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Schlägerungen und Durchforstungen auf der im Miteigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft durchgeführt hat, davon auszugehen, dass ein forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 5 Abs 1 LAG vorliegt. Wenn der Beschwerdeführer dies in der Beschwerde mit dem Vorbringen in Zweifel zieht, es sei fraglich, "ob (W.H.) durch diesen Diebstahl überhaupt eine Betriebsführung in seinem Namen und auf seine Rechnung" begründet habe, ist dem entgegenzuhalten, dass die langjährige Gewinnung von Holz durch Schlägerarbeiten zweifellos der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion im Sinne des § 5 Abs 1 LAG zuzuordnen ist (vgl ausführlich zum Begriff der forstwirtschaftlichen Produktion das hg Erkenntnis vom , Zl 2000/08/0135, mwN).

Fraglich ist jedoch, ob dieser Betrieb nur dem W. H. oder einer Personengemeinschaft (den Miteigentümern) und damit auch dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist und dieser somit der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach § 3 Abs 1 Z 1 BSVG unterlag.

4. Für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird, ist maßgeblich, ob jene Person, deren Versicherungs- oder Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Wer aus der Betriebsführung in diesem Sinne berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die nicht nach bloß tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern letztlich nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten, und zwar primär dem Eigentum bzw dem Miteigentum am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, beantwortet werden kann.

Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung dieser sich primär aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung setzt rechtswirksame (und rechtswirksam bleibende) dingliche (zB durch Einräumung eines Fruchtgenussrechts) oder obligatorische Rechtsakte (zB durch Abschluss eines Pachtvertrags oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahe kommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern, oder aber auch eines Gesellschaftsvertrags) mit der Wirkung voraus, dass statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer (bzw bei Vereinbarungen zwischen Miteigentümern einer der Miteigentümer allein) aus der Führung des Betriebs berechtigt und verpflichtet wird. Die bloß tatsächliche Betriebsführung reicht dazu nicht aus (ständige Rechtsprechung, vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/08/0090, mwN).

Weiters kann sich die genannte Änderung auch daraus ergeben, dass durch widerrechtliche bzw vereinbarungswidrige Maßnahmen statt des Eigentümers ein Nichteigentümer (bzw hier der widerrechtlich handelnde Miteigentümer allein) aus der Führung des - von ihm erst ohne Wissen und Wollen der übrigen Miteigentümer eröffneten - Betriebes berechtigt und verpflichtet wird. In Anbetracht der durch die Vorgangsweise des widerrechtlich bzw vereinbarungswidrig handelnden Miteigentümers herbeigeführten Zurechnung liegt hier ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft iSd § 5 Abs 1 LAG dieses betreffenden Miteigentümers, nicht aber ein solcher Betrieb einer Personengemeinschaft vor.

5. Im Beschwerdefall erfolgte - nach dem von der belangten Behörde durch Verweis auf den Einspruchsbescheid festgestellten Sachverhalt - die Bewirtschaftung der gegenständlichen zuvor brachliegenden Liegenschaft durch W. H. ohne Wissen und Einwilligung des Beschwerdeführers. Die Feststellungen des angefochtenen Bescheids geben keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beschwerdeführer durch die eigenmächtige Betriebsführung des W. H. im Außenverhältnis gegenüber Dritten berechtigt und verpflichtet worden wäre. Zum einen fehlt es an einer W. H. zur Betriebsführung ermächtigenden Regelung der Miteigentümer im Innenverhältnis, zum anderen liegt auch kein Fall der Anscheinsvollmacht iSd §§ 1027 ff ABGB vor, da der Beschwerdeführer kein zurechenbares Verhalten gesetzt hat, das die Überzeugung eines Dritten vom Vorhandensein einer Vertretungsmacht begründet hätte.

Die von W.H. durchgeführten Holzarbeiten erfolgten daher einzig auf dessen Rechnung und Gefahr. In einem solchen Fall kann das (Mit)Eigentum an der forstwirtschaftlichen Liegenschaft allein kein ausreichender Anknüpfungspunkt für die Zurechnung der Betriebsführung sein, da es jedenfalls an der Berechtigung und Verpflichtung des (Mit)Eigentümers im Außenverhältnis mangelt.

Die belangte Behörde hat dennoch zu Unrecht die Unfallversicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Z 1 BSVG für den Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum festgestellt.

6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am