VwGH vom 16.09.2011, 2010/02/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Köller und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des Vereins S in K, vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Gaalerstraße 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA18E- 70-87/2009-8, betreffend besondere Überwachung gemäß § 96 Abs. 6 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem beschwerdeführenden Verein Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom hat die BH Knittelfeld gemäß § 96 Abs. 6 StVO 1960 iVm § 5a und § 5b SPG anlässlich der wöchentlich stattfindenden Veranstaltungen "Music Nights" in Knittelfeld, veranstaltet durch den beschwerdeführenden Verein, "zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs" an sechs angeführten Tagen im Juli und August 2009 zwischen 19.00 Uhr und 24.00 Uhr am Einsatzort "Veranstaltungsbereich Innenstadt" vier Beamte und zwei Dienstwägen zur Überwachung dieser Musikveranstaltungen angeordnet.
Weiter heißt es wörtlich im Spruch dieses Bescheides:
"Die eingeteilten Beamten haben ihren Dienst ausschließlich in den genannten Bereichen zu versehen und sofort einzugreifen, wenn die öffentliche Sicherheit oder die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs gefährdet werden sollten.
Eventuelle veranstaltungs- und witterungsbedingte Änderungen der getroffenen Einteilung (Verlängerung oder Verkürzung der vorgeschriebenen Einsatzzeiten, Anzahl der Beamten) bleiben dem Einsatzleiter des Sicherheitsdienstes vorbehalten, sind jedoch dem diensthabenden Beamten der Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld schriftlich bekannt zu geben .
Die Überwachung ist so lange durchzuführen, als dies vom Einsatzleiter des Sicherheitsdienstes als erforderlich erachtet wird bzw. kann diese nach Absprache mit dem Veranstalter verkürzt oder verlängert werden.
Gleichzeitig wird einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1991 i.d.g.F. die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die Vorschreibung der Überwachungsgebühren für die oben angeführten Beamten erfolgt gesondert entsprechend der Sicherheitsgebührenverordnung 1996 (SPG) i.d.g.F. nach 1".
Nach der Begründung dieses Bescheides könne eine ordnungsgemäße Überwachung dieser Veranstaltungen nur mit dem oben angeführten Beamtenkontingent gewährleistet werden.
Die gegen diesen Bescheid vom beschwerdeführenden Verein erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.
In der Begründung stellte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen dar und verwies auf die von ihr als maßgeblich erachteten Rechtsnormen. In der Folge führte die belangte Behörde aus, dass sich aus dem Bericht der Polizeiinspektion Knittelfeld vom ergebe, dass beim Veranstaltungsort "Kastanienbar" zwar die Absperrung mittels Gitter zur L 503 von einer Security-Person überwacht worden sei, sich jedoch teilweise immer wieder eine größere Anzahl von Personen auf der Fahrbahn der L 503 befunden habe, welche dort ihre Getränke konsumierten und den Fahrzeugverkehr behindert hätten. Dazu sei es sogar notwendig gewesen, dass diese Personen von den Beamten aufgefordert hätten werden müssen, die Fahrbahn zu verlassen und sich hinter die Absperrung zu begeben. Dies sei sogar im Zuge der Bestreifung mehrmals von den Beamten durchgeführt worden. Aus Sicht der Polizeibeamten sei vom Sicherheitspersonal nichts unternommen worden, dass die Gäste die Fahrbahn der L 503 verließen bzw. den Fahrzeugverkehr auf dieser nicht behinderten. Eine Überwachung der Einhaltung der Absperrung durch lediglich eine Security-Person sei als nicht ausreichend angesehen worden. Aus dem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld vom ergebe sich, dass bei der Veranstaltung am "wieder jede Menge Personen bzw. Besucher auf der L 503 waren." Ein Polizeibeamter der Polizeiinspektion Knittelfeld habe angegeben, dass eine gebührenpflichtige Überwachung in Form von vier Beamten und zwei Autos notwendig sei. Bei der Veranstaltung am habe es geregnet, sodass wegen der geringen Anzahl an Besuchern bei den Veranstaltungsorten für zwei Beamte die Einsatzzeit verkürzt worden sei. Von insgesamt 13 Veranstaltungsorten seien lediglich beim Gastgewerbebetrieb "Kastanienbar" Mängel festgestellt worden; es sei lediglich auf Grund dieses Veranstaltungsortes zur Vorschreibung gekommen. Bei den Veranstaltungen in der Nähe der "Kastanienbar" auf der L 503 hätten immer wieder Personen den Fahrzeugverkehr behindert. Auf der L 503 in der Nähe der Kastanienbar sei bei den Veranstaltungen die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs nicht gegeben. Auch wenn die bisherigen Veranstaltungsabende seit dem Jahre 2005 ohne gebührenpflichtige Überwachung hätten durchgeführt werden können, hätten verschiedene Umstände ein anderes Handeln der Behörde notwendig gemacht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Durch die Abweisung der Berufung des beschwerdeführenden Vereins gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides der BH Knittelfeld vom übernommen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, auf Seite 1301 wiedergegebene hg. Judikatur zu § 66 AVG).
Damit hat auch die belangte Behörde gemäß § 96 Abs. 6 StVO 1960 die Überwachung mehrerer wöchentlich stattfindender Musikveranstaltungen im Veranstaltungsbereich "Innenstadt" angeordnet. Spruchgemäß hätten die Beamten ihren Dienst ausschließlich in den genannten Bereichen zu versehen und sofort einzugreifen gehabt, wenn die öffentliche Sicherheit oder die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs gefährdet gewesen wären.
Gemäß § 96 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 hat, sofern es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs erfordert, die Behörde zu verfügen, dass bestimmte Arten der Straßenbenützung, insbesondere solche, für die eine behördliche Bewilligung erforderlich ist, von Organen der Straßenaufsicht besonders zu überwachen sind.
Nach den Materialien zu dieser Bestimmung hat der Handelsausschuss des Nationalrates über die Regierungsvorlage zur StVO 1960 (240 BlgNR IX GP) Folgendes berichtet:
"Verschiedene Straßenbenützungen, z.B. sportliche Veranstaltungen oder Transporte mit überschweren Fahrzeugen oder mit Fahrzeugen von außergewöhnlichen Abmessungen machen es im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erforderlich, dass sie von Organen der Straßenaufsicht überwacht werden. Diese Organe sind dann jeweils in der Lage, anderen Straßenbenützern etwa erforderliche Anordnungen zu geben."
Die bisher vom Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Überwachungsgebühren entschiedenen Fälle zu § 96 Abs. 6 StVO 1960 betrafen Radsportveranstaltungen (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 90/02/0060, und vom , Zl. 95/02/0579).
§ 96 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 stellt als Objekt der behördlichen Überwachung auf "bestimmte Arten der Straßenbenützung" ab. Eine solche "bestimmte" Art der Straßenbenützung kann zwar auch in der Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken liegen (§ 82 StVO 1960); dem Wortlaut nach muss jedoch von vornherein feststehen ("bestimmt" sein), dass die Straße überhaupt und in welcher Art sie benützt werden wird, andernfalls eine Überwachung wohl auch nicht zielführend durchgeführt werden kann.
Im vorliegenden Fall hat die Behörde die "Überwachung dieser Musikveranstaltungen" angeordnet, ohne dass sich aus dem Spruch oder der Begründung des angefochtenen Bescheides ergäbe, dass eine bestimmte Art der Straßenbenützung im oben ausgeführten Sinne überwacht werden sollte. Die belangte Behörde befürchtete lediglich als Prognoseentscheidung auf Grund bisheriger Erfahrungen mit den vorliegenden Veranstaltungen, dass Teilnehmer an den Veranstaltungen eine in der Nähe eines Veranstaltungsortes liegende Landstraße betreten könnten. Bei diesem Umstand handelte es sich aber nicht um eine "bestimmte Art der Straßenbenützung" im Sinne des § 96 Abs. 6 StVO 1960; allenfalls handelte es sich um Veranstaltungen, die bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen gemäß § 27a SPG zu überwachen gewesen wären (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 99/01/0387).
Da die belangte Behörde trotz Fehlens der Voraussetzungen eine Überwachung gemäß § 96 Abs. 6 StVO 1960 angeordnet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
WAAAE-71104