VwGH vom 27.05.2011, 2010/02/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der U L in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega, Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. I-Präs-00520e/2009, wegen Nichterteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am beim Stadtmagistrat Innsbruck unter Hinweis auf ihren Wohnsitz (in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone) die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 für die Dauer von zwei Jahren und begründete ihr persönliches Interesse, in der Nähe des Hauptwohnsitzes zu parken, mit "Versorgung der Familie". Die Frage nach der Möglichkeit, dort private Parkplätze zu erhalten bejahte die Beschwerdeführerin.
Die erstinstanzliche Behörde erhob die Kosten eines Tiefgaragenabstellplatzes in der Wohnanlage der Beschwerdeführerin mit 75 EUR und gab ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Ergänzend brachte die Beschwerdeführerin daraufhin vor, sie sei für drei Kinder sorgepflichtig. Diese müssten neben ihren schulischen Verpflichtungen zu verschiedenen Musik- und Sportunterrichten gebracht und von dort abgeholt werden. Die Beschwerdeführerin betreue auch ihre Schwiegereltern (81 und 86 Jahre alt). Zur Bewältigung dieser Aufgaben sei die Beschwerdeführerin auf ihr Fahrzeug angewiesen. Auf Grund ihres Einkommens sei ihr nicht zumutbar, im Monat weitere Kosten von 75 EUR zu tragen.
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, im unmittelbaren Nahbereich ihres Wohnsitzes stünden in der Tiefgarage Abstellplätze für Kraftfahrzeuge zur Verfügung. Deshalb bestehe kein persönliches Interesse der Beschwerdeführerin, das Fahrzeug in der Nähe ihres Wohnsitzes auf öffentlicher Verkehrsfläche abzustellen. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen in der Höhe von 1.905,28 EUR und einer Kinderzulage von 187,33 EUR sei das Einkommen ausreichend, um einen Abstellplatz in der Nähe um 75 EUR monatlich anzumieten.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. In der Begründung gab sie das Verwaltungsgeschehen wieder und stellte nach Erläuterung der Rechtslage fest, die Beschwerdeführerin habe drei Kinder im Alter von 12, 14 und 15 Jahren sowie die Eltern ihres Lebensgefährten zu betreuen. In der Wohnanlage der Beschwerdeführerin stünden Tiefgaragenplätze zur Anmietung um monatlich 75 EUR zur Verfügung. Netto verdiene die Beschwerdeführerin monatlich 1.424,95 EUR, dem stünden Ausgaben von monatlich 1.331 EUR entgegen. Offenbar ausgehend von einer Unterhaltspflicht des anderen Elternteils der Kinder ging die belangte Behörde davon aus, dass die Beschwerdeführerin nur die Hälfte der von ihr angegeben Kosten für die Kinder zu tragen habe, weshalb ihr ausreichend Geldmittel zur Anmietung eines Autoabstellplatzes zur Verfügung stünden. Die Anmietung sei ihr demnach zumutbar und das Vorliegen eines persönlichen Interesses im Sinne des § 45 Abs. 4 StVO 1960 zu verneinen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit der StVO-Novelle BGBl. Nr. 105/1986 wurde durch die Anfügung eines Abs. 4 in § 45 StVO 1960 die Möglichkeit für Anrainer geschaffen, eine Ausnahmebewilligung für das Parken in bestimmten Kurzparkzonen - damals mit höchstens einem Jahr befristet - zu erhalten. § 45 Abs. 4 StVO 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, hat folgenden Wortlaut:
"(4) Eine Bewilligung kann für die in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z 1 angegebenen Kurzparkzonen auf die Dauer von höchstens zwei Jahren erteilt werden, wenn der Antragsteller in dem gemäß dieser Verordnung umschriebenen Gebiet wohnt und dort auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat und ein persönliches Interesse nachweist, in der Nähe dieses Wohnsitzes zu parken und
1. Zulassungsbesitzer oder Leasingnehmer eines Kraftwagens ist, oder
2. nachweist, dass ihm ein arbeitgebereigener Kraftwagen auch zur Privatnutzung überlassen wird."
Es kommt nach dieser Bestimmung darauf an, dass ein "persönliches Interesse" an der Ausnahmebewilligung nachgewiesen wird, also ein Interesse, wonach spezifisch in der Person des Antragstellers gelegene Umstände vorliegen müssen, gerade in der Nähe des Wohnsitzes während der Parkzeitbeschränkung in der Kurzparkzone zu parken, wobei freilich ein solches berücksichtigungswürdiges persönliches Interesse, nur in einem Umstand begründet sein kann, der dieses Interesse von den allgemeinen Interessen der Anwohner, ihren PKW in der Nähe des Wohnsitzes zu parken, unterscheidet (vgl. dazu jüngst das Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0170, mwN).
Nach den Materialien zur 19. StVO-Novelle (EB zur RV 1580 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP) muss ein persönliches Interesse nachgewiesen werden, in der Nähe gerade dieses Wohnsitzes zu parken. Ein solches liegt etwa dann nicht vor, wenn der Antragsteller über eine private Abstellmöglichkeit verfügt.
Dieser Passus in den Materialien ist nach der Rechtsprechung so zu verstehen, dass ein Antragsteller auch dann über eine private Abstellmöglichkeit "verfügt", wenn er - wie im Beschwerdefall die Beschwerdeführerin - die tatsächliche Möglichkeit hat, in der Tiefgarage seiner Wohnhausanlage einen Abstellplatz zu mieten (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem - ebenfalls die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Nichterteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 betreffenden - Erkenntnis vom , Zl. 99/02/0228, ausgesprochen, die - auch dort - belangte Behörde hätte bei der Beurteilung des persönlichen Interesses gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 im Hinblick auf die - damalige - Karenz der Beschwerdeführerin zur Beantwortung der Frage der Zumutbarkeit der Anmietung eines Garagenplatzes eine Relation der Einkommens- und Vermögenssituation der Beschwerdeführerin zu den - die Kosten für eine Ausnahmegenehmigung übersteigenden - Kosten der Anmietung eines Abstellplatzes herzustellen gehabt. Unter Bezug auf dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im schon zitierten Erkenntnis vom einen emeritierten Rechtsanwalt betreffend ausgeführt, die - auch dort selbe - belangte Behörde habe die genannte Relation vorgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof
hat demnach sachverhaltsspezifisch im Einzelfall (Karenz, Pensionierung) auch Überlegungen zu den Kosten eines zur Verfügung stehenden Parkplatzes angestellt.
Im zuletzt genannten Erkenntnis wird allerdings auch festgehalten, dass nur die Miete eines Abstellplatzes in unmittelbarer Nähe der Wohnung die Garantie des jederzeitigen Abstellens des Fahrzeuges im Nahbereich bietet. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4 StVO 1960 würde auf Grund der wechselnden Situation des ruhenden Verkehrs keine Abstellung eines Kraftfahrzeuges in unmittelbarer Nähe zur Wohnung garantieren. Es kann somit keine Rede davon sein, dass dem Inhaber einer Ausnahmebewilligung ein Parkplatz in nächster Nähe seiner Wohnung verschafft werden kann, bestünde doch auch ohne eine Kurzparkregelung keinerlei Gewähr dafür, dass jeder Bewohner im unmittelbaren Nahbereich seines Wohnhauses einen Dauerparkplatz fände.
Da im Falle einer Gebietsabgrenzung iSd § 43 Abs. 2a StVO 1960, die Erschwernisse der Wohnbevölkerung beim Parken in Kurzparkzonen ausgeglichen werden, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, die verkehrspolitischen Zwecke der Parkraumbewirtschaftung seien nur dann zu erreichen, wenn eine sinnvolle Relation zwischen der Zahl der in einem bestimmten Gebiet vorhandenen Parkmöglichkeiten und der für dieses Gebiet erteilten Ausnahmebewilligungen bestehe. Eine Ausweitung des für eine Ausnahmebewilligung in Betracht kommenden Gebietes (Wohngebietes) oder eine Ausweitung des Geltungsbereiches einer Ausnahmebewilligung auf ein angrenzendes Gebiet würde die Parkerleichterungen für die Bewohner des einen oder des anderen Gebietes wieder beeinträchtigen. Jede Gebietsabgrenzung iSd § 43 Abs 2a StVO 1960 kann für die nahe den Gebietsgrenzen wohnende Bevölkerung zu relativen Härten führen. Dies wird sich auch nicht durch die Einführung von "Überlappungszonen" verhindern lassen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0172).
Hat der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber keine solche Gebietsabgrenzung iSd § 43 Abs. 2a StVO 1960 oder andere generelle Erleichterungen beim Parken für die Wohnbevölkerung vorgesehen, ist dies ein Indiz dafür, dass er im Sinne einer effektiven Parkraumbewirtschaftung die in einem bestimmten Gebiet vorhandenen Parkmöglichkeiten nicht bevorzugt von der Wohnbevölkerung genutzt wissen will. Nur im Einzelfall ("§ 45. Ausnahmen im Einzelfall") sollen dann Bewilligungen erteilt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof geht vor diesem Hintergrund nunmehr davon aus, dass die Anmietung eines verfügbaren Abstellplatzes im Hinblick auf die von einem Antragsteller gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 zu tragenden ortsüblichen Kosten für ein Kraftfahrzeug zumutbar ist. Eine private Abstellmöglichkeit schließt jedenfalls das persönliche Interesse des Antragstellers an einer Ausnahmegenehmigung aus. Wenn eine solche Abstellmöglichkeit zur Verfügung steht, ist eine Ausnahmebewilligung zu versagen.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin einen Abstellplatz in der Nähe ihrer Wohnung anmieten kann, wobei ihr der monatliche Betrag von 75 EUR zumutbar ist, weshalb die belangte Behörde zutreffend davon ausging, dass der Beschwerdeführerin der Nachweis ihres persönlichen Interesses im Sinne des § 45 Abs. 4 StVO 1960 nicht gelungen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-71046