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VwGH vom 02.05.2012, 2012/08/0077

VwGH vom 02.05.2012, 2012/08/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des J P in T, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2011-0566-4-000958-0, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 10 in Verbindung mit § 38 AlVG der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis ausgesprochen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit mit kurzen Unterbrechungen Notstandshilfe beziehe. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T habe dem Beschwerdeführer am eine Beschäftigung als Transitarbeiter beim Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB) mit Arbeitsort in L in einem näher bezeichneten Geschäft mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung nach dem BABE-Kollektivvertrag und mit möglicher Arbeitsaufnahme am "verbindlich angeboten".

Der Beschwerdeführer sei zum vereinbarten Termin zur Vorstellung beim Arbeitgeber nicht erschienen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T vom sei der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe vom bis ausgesprochen worden.

Der Beschwerdeführer habe dagegen Berufung erhoben. Die Berufung ist im angefochtenen Bescheid im Faksimile wiedergegeben; der Beschwerdeführer wendet sich darin gegen die wiederholte Zuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb (SÖB). Weiters wird im angefochtenen Bescheid auch die Stellungnahme des Beschwerdeführers, welche er im Rahmen der Einräumung von Parteiengehör durch die belangte Behörde abgegeben hat, faksimiliert wieder gegeben; auch darin wendet sich der Beschwerdeführer gegen die seiner Ansicht nach nicht zulässige "Zuweisung zu einem SÖB".

Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid weiter aus, es sei unstrittig, dass die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T dem Beschwerdeführer am eine Beschäftigung als Transitarbeiter bei einem näher bezeichneten Verein mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung und möglicher Arbeitsaufnahme am "verbindlich angeboten" habe. Der Beschwerdeführer habe das Beschäftigungsverhältnis nicht angetreten, weil er auf einer rationalen Begründung für die Sinnhaftigkeit einer Zuweisung zu einem SÖB bestehe, da dies lediglich eine vorübergehende Beschäftigung darstelle.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T habe dem Beschwerdeführer im Betreuungsplan vom 18. und eine - im angefochtenen Bescheid näher ausgeführte - Begründung für die Zuweisung gegeben.

Nach Darlegung des § 10 Abs. 1 AlVG hält die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer sich geweigert habe, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Da bereits drei näher bezeichnete Ausschlussfristen vorliegen und der Beschwerdeführer seitdem keine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllt habe, sei eine Sanktion von acht Wochen zu verhängen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

§ 9 Abs. 7 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen."

§ 10 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde."

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, es stehe nicht im Belieben des Arbeitsmarktservice, Arbeitslosen entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder sie zu einer Nach- oder Umschulung oder zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen, was in der Beschwerde näher unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt wird.

3. Diesem Vorbringen ist zunächst entgegen zu halten, dass im Beschwerdefall nicht die Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung oder eine Nach- oder Umschulung zu beurteilen war, sondern die Zuweisung zu einer Beschäftigung. Mit der Zulässigkeit der Zuweisung zu einer Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb gemäß § 9 Abs. 7 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem - ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0077, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, befasst und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass auch die Weigerung, eine zumutbare Beschäftigung im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes anzunehmen, zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG führen kann.

Wie sich aus der im angefochtenen Bescheid im Faksimile wieder gegebenen Berufung des Beschwerdeführers sowie seiner Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs ergibt, hat der Beschwerdeführer generell die Zuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb abgelehnt, ohne konkrete Einwendungen gegen die zugewiesene Beschäftigung vorzubringen, sodass auch der Hinweis auf die erforderliche einzelfallbezogene Beurteilung der Zumutbarkeit ins Leere geht.

4. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass sich die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T wie auch die belangte Behörde nicht mit "den aktenkundigen und der Behörde auch aus den Vorverfahren bekannten gutachterlich belegten gesundheitlichen Einschränkungen (Hebeeinschränkung wegen einer Narbe nach einer Operation, Nickelallergie)" näher auseinander gesetzt hätten. Seitens der belangten Behörde seien dazu auch keinerlei Sachverhaltsfeststellungen getroffen und keine rechtliche Würdigung vorgenommen worden. Bei entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass dem Beschwerdeführer die zugewiesene Tätigkeit schon aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sei.

Dem ist entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, allfällige Zweifel über seine Eignung für die zugewiesene Beschäftigung mit dem Arbeitsmarktservice abzuklären (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0151). Dass er Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung im Hinblick auf die hier gegenständliche Zuweisung einer Beschäftigung vorgebracht habe, behauptet der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde nicht; die belangte Behörde war daher - zumal auch in der Berufung kein entsprechendes Vorbringen erstattet wurde - nicht gehalten, sich von Amts wegen mit allfälligen, vom Beschwerdeführer im Hinblick auf die konkrete Beschäftigung auch nicht eingewendeten gesundheitlichen Einschränkungen auseinander zu setzen.

5. Der Beschwerdeführer regt schließlich an, ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des § 9 Abs. 7 und 8 AlVG beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten.

Soweit er die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 8 AlVG behauptet, ist dieser Anregung schon deshalb nicht nachzukommen, weil die Bestimmung sich lediglich auf Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sowie im Zuge von Maßnahmen des Arbeitsmarktservice stattfindende Arbeitserprobungen bezieht und sohin für den gegenständlichen Beschwerdefall nicht präjudiziell ist.

Zu § 9 Abs. 7 AlVG führt der Beschwerdeführer aus, der Notstandshilfebezieher sei zu einem Arbeitsverhältnis im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes oder eines gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes "gezwungen", andernfalls verliere er den Anspruch auf die Notstandshilfe für zumindest sechs Wochen. Dies verletze den Arbeitslosen in seinem Grundrecht auf Erwerbsbetätigung nach Art. 6 StGG und in seinem Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung nach Art. 18 StGG. Darüber hinaus widerspreche § 9 Abs. 7 AlVG dem Gleichheitssatz im Sinne des Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG, da Arbeitslose, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem sozialökonomischen Betrieb oder einem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt zugewiesen würden, gegenüber jenen, die einer solchen Zuweisung nicht unterlägen, ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligt würden.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht zu einer Anfechtung der genannten Norm beim Verfassungsgerichtshof veranlasst, zumal in keiner Weise erkennbar ist, in welcher Weise der Arbeitslose durch die Bestimmung des § 9 Abs. 7 AlVG in seinen Grundrechten auf Erwerbsbetätigung und auf Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung beeinträchtigt sein sollte. Es steht dem Beschwerdeführer ungeachtet einer Zuweisung durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice frei, eine von ihm gewählte versicherungspflichtige Beschäftigung anzutreten. Es steht ihm hingegen nicht frei, die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses während des Bezugs von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu verweigern. Im Übrigen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Verfassungskonformität der Bestimmung schon im Hinblick darauf, dass auch bei einer Zuweisung zu einer Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb die Zumutbarkeit im Einzelfall jedenfalls zu beurteilen ist, keine Bedenken.

6. Die Beschwerde war daher, da sich bereits aus ihrem Inhalt ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung - von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden - als unbegründet abzuweisen.

Wien, am