VwGH vom 15.03.2012, 2010/01/0061
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der A T in T, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ia-11.446/23-2010, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom stellte die belangte Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 "idgF" (StbG), fest, dass die Beschwerdeführerin die durch Verleihung nach § 10 Abs. 1 StbG mit Wirkung vom erworbene Staatsbürgerschaft aufgrund des freiwilligen Erwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft mit dem Tag der Entscheidung des türkischen Ministerrates am gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren habe.
Die belangte Behörde führte dazu begründend im Wesentlichen aus, gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliere ein Staatsbürger die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn er aufgrund eines selbst gestellten Antrages, einer Erklärung oder einer ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsbürgerschaft erwerbe, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewilligt worden sei.
Der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid vom zunächst die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert worden, dass sie binnen zwei Jahren aus dem Verband ihres bisherigen Heimatstaates ausscheide. Mit Schreiben vom habe sie die Bestätigung des türkischen Generalkonsulates in Salzburg vorgelegt, wonach sie durch Beschluss des türkischen Innenministeriums vom die Genehmigung zum Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband erhalten habe, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom , rechtswirksam am , sei ihr gemäß § 10 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Am habe sie die Bestätigung über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband, rechtswirksam ab , vorgelegt.
Am habe die Bundesministerin für Inneres bei der belangten Behörde die Feststellung der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin beantragt.
Aufgrund des von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vorgelegten Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister vom stehe fest, dass sie nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Bescheid des türkischen Ministerrates mit Wirksamkeit vom die türkische Staatsbürgerschaft wieder erworben habe. Die belangte Behörde nehme es als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin eine positive Willenserklärung zum Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft abgegeben habe und ihr aufgrund dieser Willenserklärung die türkische Staatsbürgerschaft erneut verliehen worden sei. Die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei weder beantragt noch genehmigt worden. Im Jahr 2009 sei sie ein zweites Mal aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden.
Gemäß Art. 11 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes vom , Nr. 403, werde die Staatsbürgerschaft in der Türkei nur über entsprechenden Antrag verliehen. Dies gelte insbesondere auch für die "Erneute Verleihung der Staatsbürgerschaft" gemäß Art. 8 (unter anderem an jene Personen, die freiwillig aus der türkischen Staatsbürgerschaft ausgeschieden seien). Die Beschwerdeführerin habe dazu im Verfahren vorgebracht, dass sie sich nie um die Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft bemüht und keinen entsprechenden Antrag unterschrieben habe. Es sei gängige Praxis des türkischen Generalkonsulates in Salzburg bzw. des jeweiligen Beamten gewesen, dass ohne umgehende Aufklärung bezüglich der rechtlichen Konsequenzen Menschen wiederum in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden seien. Über Aufforderung der belangten Behörde, eine Bestätigung beizubringen, dass dies tatsächlich so gehandhabt worden sei, habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass das Generalkonsulat diese Vorgangsweise nicht zugestehe.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe die türkische Staatsbürgerschaft nicht freiwillig wiedererworben, werde als widerlegt erachtet. Zwar liege weder ein urkundlicher Nachweis noch ein Zugeständnis der Beschwerdeführerin vor, dass sie eine positive Willenserklärung zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit abgegeben habe. Zudem sei amtsbekannt, dass entsprechende Anfragen an türkische Behörden von diesen unter Hinweis auf Datenschutzgründe prinzipiell negativ erledigt würden. Die belangte Behörde gehe aber davon aus, dass das Verwaltungshandeln auch in der Türkei rechtsstaatlichen Grundsätzen und Verfahrensvorschriften folge und die Staatsbürgerschaft daher nicht (entgegen den genannten Bestimmungen) ohne entsprechenden Antrag verliehen werde. Die belangte Behörde sehe es als ausgeschlossen an, dass der türkische Ministerrat als zuständiges Organ ehemaligen türkischen Staatsangehörigen zu deren offensichtlichem Nachteil aus eigenem Antrieb heimlich oder zwangsweise die türkische Staatsbürgerschaft wieder verleihe, ohne deren Antrag entgegenzunehmen oder auch nur ihre Zustimmung einzuholen. Zwar würden immer wieder Einzelfälle bekannt, in denen ehemaligen türkischen Staatsangehörigen die Staatsbürgerschaft wieder verliehen werde. Diese würden aber nicht den Verdacht erregen, dass der türkische Ministerrat ausgeschiedenen Staatsangehörigen generell und ohne deren Zutun die Staatsbürgerschaft wieder verleihe. Vielmehr werde davon ausgegangen, dass in diesen Fällen jeweils entsprechende Anträge der Verleihungswerber vorlägen. Es werde auch als ausgeschlossen angesehen, dass der Ministerrat einen Antrag auf Wiederverleihung der türkischen Staatsbürgerschaft irrtümlich als gestellt annehme und darüber in der Folge positiv entscheide. Weiters erscheine es als lebensfremd, dass der Beschwerdeführerin beim türkischen Generalkonsulat in Salzburg ein entsprechender Antrag unterschoben worden sei, sei doch nicht ersichtlich, welches Motiv die türkischen Behörden haben sollten, ehemalige Staatsbürger heimlich oder zwangsweise wieder einzubürgern. Hätte das türkische Generalkonsulat die Beschwerdeführerin aber (nur) in dem Sinn unrichtig beraten, dass der Wiedererwerb der türkischen nicht zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft führe, könne dies den Eintritt der Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 StbG nicht verhindern. Auch eine bloße Fehlprotokollierung erscheine ausgeschlossen, da die Beschwerdeführerin im Verfahren gar nicht vorgebracht habe, dass sie wegen eines anderen Anliegens bei der türkischen Vertretungsbehörde vorgesprochen und diese die Vorsprache als Antrag auf Wiederverleihung der Staatsbürgerschaft missdeutet habe. Auch sei es lebensfremd anzunehmen, dass ein irrtümlich angenommener Antrag in der Folge mit einem positiven Ministerratsbeschluss ende, ohne dass die betroffene Person davon erfahre. Schließlich habe die Beschwerdeführerin eine bloße Fehlerhaftigkeit des türkischen Personenstandsregisters - also eine Eintragung der Wiederverleihung der Staatsbürgerschaft ohne entsprechenden Verleihungsakt - nicht behauptet. Insgesamt sehe die belangte Behörde den Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe keine auf den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gerichtete Willenserklärung abgegeben, somit als Schutzbehauptung an.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.
Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG setzt voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0045, mwH).
Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0045, sowie Thienel , Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, S. 296).
Die Beschwerde bringt vor, aus dem Vermerk im Personenstandsregisterauszug, auf den sich die belangte Behörde stütze, gehe nicht hervor, dass die Beschwerdeführerin "als Österreicherin" eine auf Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gerichtete Willenserklärung abgegeben habe. Denkbar sei allenfalls eine Willenserklärung vor Verlust der türkischen und vor Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, welche allerdings eine Feststellung des Verlustes nicht rechtfertige. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, wonach die Beschwerdeführerin keinen Willensakt "auf die Staatsbürgerschaft" gesetzt habe, und wonach sie, als ihr bekannt geworden sei, dass sie angeblich in der Türkei als Staatsbürgerin geführt werde, sofort eine Berichtigung beantragt habe, woraufhin in ihrem Register eingetragen worden sei, dass sie keine Staatsbürgerin sei. Aus dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz ergebe sich nicht zwingend, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Beibehaltung oder Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft stellen habe müssen, um diese zu behalten. Auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin einen Türken geheiratet habe, könne der Grund sein, dass die Türkei den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgesprochen habe, obwohl sie nie eine darauf gerichtete Erklärung abgegeben habe. Schließlich verstoße der angefochtene Bescheid, da die Beschwerdeführerin dadurch im Ergebnis staatenlos werde, gegen die Verpflichtung Österreichs, Staatenlosigkeit zu vermeiden.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen, keinen auf den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Willensakt gesetzt zu haben, nicht auseinandergesetzt, ist sie auf die (im Wesentlichen oben wiedergegebenen) ausführlichen beweiswürdigenden Erwägungen zu verweisen, mit denen die belangte Behörde ihre Schlussfolgerung begründet hat, wonach eine derartige Willenserklärung vorgelegen sei.
Diese Beweiswürdigung, in der die belangte Behörde ausgehend von den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts, wonach für den (Wieder )Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend die Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei, vom Vorliegen eines derartigen Antrages ausging, eine bewusste oder versehentliche "antragslose" Wiederverleihung der Staatsbürgerschaft durch die türkischen Behörden aufgrund näherer Überlegungen zum Ablauf von Verwaltungsverfahren ausschloss und das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren derart beurteilte, dass sie Gegenteiliges - nämlich dass ihre Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht auf Antrag vorgenommen worden sei - nicht nachvollziehbar aufgezeigt habe, ist nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. zu ähnlichen beweiswürdigenden Überlegungen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/01/0045, vom , Zl. 2009/01/0018, und vom , Zl. 2008/01/0590).
Die Feststellungen der belangten Behörde zur maßgeblichen türkischen Rechtslage werden von der Beschwerdeführerin nicht konkret bestritten.
Soweit die Beschwerdeführerin das Fehlen von Feststellungen rügt, wonach sie umgehend eine "Berichtigung" im Register veranlasst habe, als ihr bekannt geworden sei, dass sie in der Türkei angeblich als Staatsbürgerin geführt werde, ist sie auf die diesem Vorbringen widersprechende - ausgehend von dem im angefochtenen Bescheid (in Übersetzung) zitierten Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister nicht zu beanstandende - Feststellung zu verweisen, wonach sie im Jahr 2009 "ein zweites Mal" aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sei. Das abermalige Ausscheiden konnte die belangte Behörde aber nicht berücksichtigen, hat sie mit dem angefochtenen Bescheid doch nur den aufgrund der Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit mit Wirkung vom ex lege eingetretenen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft festgestellt, nicht aber die Staatsbürgerschaft entzogen. Davon ausgehend wurde aber auch die (nunmehrige) Staatenlosigkeit der Beschwerdeführerin nicht durch den angefochtenen Bescheid bewirkt.
Wenn (erstmals) in der Beschwerde vorgebracht wird, es sei "denkbar", dass die Beschwerdeführerin bereits vor Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe, widerspricht dies zum einen ebenfalls den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, und stellt sich dieses Vorbringen zum anderen als gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dar.
Dass die Beschwerdeführerin die türkische Staatsbürgerschaft ohne darauf gerichtete Willenserklärung aufgrund der Heirat mit einem türkischen Staatsangehörigen wieder erworben habe, wird ebenfalls erstmals in der Beschwerde in den Raum gestellt, letztlich aber nicht einmal konkret behauptet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-71006