VwGH vom 25.04.2007, 2004/20/0100

VwGH vom 25.04.2007, 2004/20/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des S M in L, geboren 1973, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 18/3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 217.411/11-IX/25/03, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen (ersten) Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am brachte er zu seinen Fluchtgründen vor, er sei vor ca. dreieinhalb Jahren im Iran getauft worden und habe sein Heimatland wegen Problemen mit seiner Religion schon im September 1997 verlassen. Anschließend sei er in Istanbul aufhältig gewesen. Vor sechs Monaten habe er dann Istanbul verlassen und sei mit verschiedenen Verkehrsmitteln über den Kosovo nach Österreich gereist. Bei einer Rückkehr in den Iran "würde man mich umbringen, da ich zum christlichen Glauben übergetreten bin". Der Beschwerdeführer legte einen Taufschein der "Iranischen Kirche Istanbul" vor; die über seine Taufe im Iran ausgestellten Papiere seien von den "Basiji" im Iran "beschlagnahmt" worden.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei. Die Angaben des Beschwerdeführers würden "nicht der Wahrheit entsprechen".

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen (am zugestellten) Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat (belangte Behörde) mit Bescheid vom gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück; der Erstbescheid ist demnach am rechtskräftig geworden.

2. Am stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag. Dieser zweite Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend führte das Bundesasylamt aus, es hätten sich keine neuen asylrelevanten Gründe ergeben und es sei von keinem neuen Sachverhalt auszugehen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, welche mit Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen wurde. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. 2002/20/0124, ab.

3. Am stellte der Beschwerdeführer den nunmehr gegenständlichen (dritten) Asylantrag. Er brachte dazu bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am sowie in einer schriftlichen Stellungnahme vom im Wesentlichen vor, er könne nunmehr neue Dokumente zum Beweis seiner Konversion zum Christentum vorlegen. Er trete offen in der Öffentlichkeit für seinen Glauben ein und nehme intensiv am kirchlichen Leben teil. Manchmal helfe er auch bei kirchlichen Veranstaltungen aus, einmal sei er in der Linzer Fußgängerzone "mit anderen aus meiner Glaubensgemeinschaft aufgetreten und habe für unsere Kirche musiziert"; demnächst werde er sich wieder an einem solchen Musikprogramm beteiligen. Außerdem suche er "den Kontakt zu anderen Personen, um ihnen von unserer Kirche und unserem Glauben zu erzählen, mit ihnen zu reden und sie zu einem Besuch unseres Gottesdienstes einzuladen". Dabei wende er sich vor allem an Personen seines Kulturkreises, weil er ihre Sprache beherrsche, und er verteile auch Bücher und Broschüren in Farsi, die ihm von seiner Glaubensgemeinschaft zur Verfügung gestellt würden. Außerdem brachte er vor, "da mein Glaube von mir eine missionarische Tätigkeit verlangt, würde ich daher verfolgt werden, wenn ich in den Iran zurückkehre". Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass seine missionarische Tätigkeit den iranischen Vertretungsbehörden in Österreich bereits bekannt geworden sei.

Der Beschwerdeführer legte dem Bundesasylamt am 22. und folgende Urkunden vor: eine Bestätigung der "Iranischen Kirche Istanbul" vom , wonach er "in einer speziellen Zeremonie" am in Istanbul getauft worden sei; eine Bestätigung einer "Iranian Christian Fellowship" (London), in der die Taufe in Istanbul (wenn auch unter Anführung eines anderen Datums, nämlich statt ) bestätigt wird, sowie eine Bestätigung der oberösterreichischen "Rhema Gemeinschaft" (einer freikirchlichen Gemeinschaft) vom , aus welcher hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seit über drei Jahren als gläubiger Christ bekannt sei und regelmäßig die Gottesdienste am Sonntag Abend in Linz besuche; im Hauskreis der iranischen Christen in Linz sei er "sehr engagiert , besonders bei der musikalischen Gestaltung der Bibelabende".

Das Bundesasylamt wies den dritten Asylantrag mit Bescheid vom (neuerlich) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. Sie stellte fest, der Beschwerdeführer habe lediglich zur Bestätigung der bereits im Erstverfahren behaupteten Konversion drei Dokumente vorgelegt. Die Taufbestätigung der Iranischen Kirche Istanbul habe der Beschwerdeführer "bereits im Erstverfahren" vorgelegt, die Taufbestätigung vom bestätige neuerlich die Taufe in Istanbul und sei "- abgesehen davon, dass damit eine Sachverhaltsänderung ohnedies nicht bewirkt wird - bereits vor dem zweiten Asylantrag vom datiert". Die weitere Bestätigung der Rhema Gemeinschaft vermöge keine Sachverhaltsänderung zu bewirken, weil darin Umstände dargelegt würden, die "bereits im Jahr 2000" bestanden hätten. Dass der Beschwerdeführer "in die Kirche gehen und beten und singen würde", habe er bereits in der Einvernahme zu seinem ersten Asylantrag angegeben, sodass dies vom Bundesasylamt schon bei der Erstentscheidung mitberücksichtigt worden sei. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Umstände seien daher von vornherein nicht geeignet gewesen, eine neue Sachentscheidung herbeizuführen, zumal diese nicht nur bei identem Begehren aufgrund desselben Sachverhaltes, sondern auch "im Fall des selben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen" sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft - der also für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen keine Asylrelevanz zukäme, sodass eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages von vornherein ausgeschlossen erscheint -, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2002/20/0391). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 96/20/0266, und vom , Zl. 96/21/0097). Als Vergleichsbescheid ist im Falle mehrfacher Asylfolgeanträge derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden - und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen - wurde (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom , Zl. 2005/20/0226, mwN).

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom sowie u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 2005/20/0372, vom , Zl. 2005/20/0556, und vom heutigen Tag, Zl. 2005/20/0300).

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die im dritten Asylverfahren vorgelegten Beweismittel, soweit sie zur Glaubhaftmachung der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum dienten, unberücksichtigt bleiben mussten, weil sie sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt (Taufe des Beschwerdeführers) bezogen. Die belangte Behörde hat jedoch übersehen, dass der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Stellungnahme vom erstmals vorbrachte, er suche "den Kontakt zu anderen Personen, um ihnen von unserer Kirche und unserem Glauben zu erzählen, mit ihnen zu reden und sie zu einem Besuch unseres Gottesdienstes einzuladen". Dabei wende er sich vor allem an Personen seines Kulturkreises, weil er ihre Sprache beherrsche, und verteile auch Bücher und Broschüren in Farsi, die ihm von seiner Glaubensgemeinschaft zur Verfügung gestellt würden. Außerdem brachte er vor, er würde im Falle der Rückkehr in den Iran verfolgt werden, "da mein Glaube von mir eine missionarische Tätigkeit verlangt". Zudem sei nicht auszuschließen, dass seine Aktivitäten der iranischen Vertretungsbehörde in Österreich schon bekannt geworden seien.

Dass sich auch dieses Vorbringen ausschließlich auf Sachverhalte beziehe, die schon vor Beendigung des Erstverfahrens verwirklicht worden wären, kann nicht gesagt werden. Es geht vielmehr - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - über die im ersten Asylverfahren gemachten Angaben zu den religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers wesentlich hinaus und machte daher eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen erforderlich. In diesem Zusammenhang hätte die belangte Behörde auch das Schreiben der Rhema Gemeinschaft vom , in dem unter anderem auf ein besonderes Engagement des Beschwerdeführers in einem "Hauskreis der iranischen Christen" hingewiesen wurde, nicht unbeachtet lassen dürfen. Diesem Schreiben konnte nämlich nicht entnommen werden, dass es sich nur auf Sachverhalte vor Beendigung des Erstverfahrens beziehe.

Da somit nicht geprüft wurde, ob das in Rede stehende Vorbringen zum dritten Asylantrag des Beschwerdeführers einen "glaubhaften Kern" aufwies, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am