VwGH vom 19.10.2011, 2010/01/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49/28, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/IV- E 170/2009, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines tunesischen Staatsangehörigen, vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 und § 10 Abs. 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe seit 1991 im Bundesgebiet, er sei seit mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und bei einer näher bezeichneten Firma geringfügig beschäftigt; ab sei er als Auslandskorrespondent tätig.
Die Einkommensberechnung sei für den Zeitraum Juni 2007 bis Mai 2010 aktualisiert worden. Dafür seien die Einkünfte des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin von Juni 2007 bis Mai 2010 laut Lohnkonten sowie Lohnzettel und Familienbeihilfe herangezogen worden. Hinsichtlich der Einkünfte der Ehegattin im Jahr 2010 sei ein weiteres Einkommen in gleichbleibender Höhe (letzter Lohnzettel vom Jänner 2010 EUR 962,--) angenommen worden. Die vom Beschwerdeführer mitgeteilten Einkünfte für 2010 seien berücksichtigt worden, soweit sie "aktenkundig waren."
Die Summe der Richtsätze (nach § 293 ASVG) habe 2007 EUR 8.703,24, im Jahr 2008 EUR 15.405,76, im Jahr 2009 EUR 15.839,76 und 2010 EUR 6.698,85 betragen. Diesen Richtsätzen seien die Einkommen für 2007 von EUR 11.936,12, für das Jahr 2008 von EUR 18.562,72, für das Jahr 2009 von EUR 20.639,22 und für 2010 von EUR 10.153,83 gegenüberzustellen. Daraus ergebe sich eine Differenz für 2007 von EUR 3.232,88, für 2008 von EUR 3.156,96, für 2009 von EUR 4.799,46 und für 2010 von EUR 3.454,98. Der Beschwerdeführer habe (laut seiner Erklärung vom ) Mietbelastungen von EUR 800,22 sowie ab März 2010 Kreditbelastungen von EUR 50, -- monatlich. Aus dem vorgelegten Mietvertrag und Mietkonto seien regelmäßige Mietbelastungen für 2007 bis 2010 in Höhe von EUR 767,54 bis zuletzt EUR 800,22 ersichtlich. Diese Aufwendungen seien - unter Berücksichtigung der jeweiligen freien Station (EUR 235,10 bis EUR 250,50) - in Abzug zu bringen. Daher ergebe sich für die letzten 36 Monate ein Abzug in Höhe von EUR 20.008,20, sodass ein Minus von EUR 5.363,87 bestehe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, es sei der Durchschnitt der letzten drei Jahre vor der Entscheidung zu berechnen, was eine Aktualität der Berechnung zum Entscheidungszeitpunkt voraussetze. Selbst unter bloßer Zugrundelegung nur des Zeitraumes 2007 bis 2009 für die Einkommensberechnung ergebe sich kein anderes Ergebnis, weil das Durchschnittseinkommen (der letzten drei Jahre) und die Mietbelastung des Beschwerdeführers ähnlich seien, jedoch ein Zusatzeinkommen für 2010 entfallen würde. Die Einbeziehung des Zusatzeinkommens als Auslandskorrespondent für 2010 sei nicht ohne weiteres möglich, weil diese Entlohnung anlassbezogen (bei entsprechender Berichterstattung) erfolge, jedoch der Einkommensteuerabzug vom erwirtschafteten Jahreseinkommen (2010) abhängig sei; eine laufende gleichbleibende monatliche Gehaltszahlung (an den Beschwerdeführer) könne ohne Nachweise nicht angenommen werden. Ab Mai 2010 würden konkrete Zahlungsbelege und auch weitere Einkommensnachweise fehlen.
Die regelmäßigen Aufwendungen, die über den Wert der freien Station lägen, seien gemäß § 10 Abs. 5 StbG vom Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Auf deren fristgerechte Tilgung komme es nicht an. Der Beschwerdeführer erfülle daher die Voraussetzung der §§ 10 Abs. 1 Z. 7 und 10 Abs. 5 StbG nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.
Gemäß § 10 Abs. 5 StbG (in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009, BGBl. I Nr. 122/2009) ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt der letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen.
Gemäß § 64a Abs. 7 StbG trat § 10 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 mit in Kraft.
Gemäß § 64a Abs. 9 StbG sind Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der am gültigen Fassung zu Ende zu führen.
Mit der zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gab der Gesetzgeber zu verstehen, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistung der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein; dass den Verleihungswerber am Fehlen eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen kein Verschulden trifft, ist nicht von Belang (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0604, mit Verweisen auf die Vorjudikatur).
Aufgrund der durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBl. I Nr. 122/2009) normierten Änderungen in § 10 Abs. 5 StbG ist nunmehr bei der Ermittlung des Einkommens der Durchschnitt der letzten drei Jahre zum Entscheidungszeitpunkt heranzuziehen. Das so errechnete Durchschnittseinkommen (des Zeitraumes von drei Jahren) ist dem Durchschnitt der für diesen Zeitraum maßgeblichen Richtsätze nach § 293 ASVG gegenüber zu stellen.
Die zur Rechtslage des § 10 Abs. 5 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 vom Verwaltungsgerichtshof dargelegte Auffassung, bei der Einkommensermittlung habe eine Durchrechnung über das Kalenderjahr zu erfolgen und das so errechnete monatliche Durchschnittseinkommen sei den für dieses Jahr maßgeblichen Richtsätzen nach § 293 ASVG gegenüber zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0494), kann daher auf diese neu gefasste Rechtslage nicht übertragen werden.
Die geänderte Bestimmung des § 10 Abs. 5 StbG sieht des Weiteren vor, dass regelmäßige Aufwendungen, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen vom ermittelten Durchschnittseinkommen in Abzug zu bringen sind.
Wie den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP, 43 und 56) zu entnehmen ist, folgen die Änderungen in § 10 Abs. 5 StbG der korrespondierenden Bestimmung in § 11 Abs. 5 NAG, auf die in den Erläuterungen verwiesen wird. Demnach soll "durch die demonstrative Aufzählung von Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen verdeutlicht werden, dass die individuelle Situation des Antragstellers oder des im Falle einer Familienzusammenführung für ihn Aufkommenden, die Höhe der erforderlichen Unterhaltsmittel beeinflusst, weshalb die tatsächliche Höhe der Lebensführungskosten als relevanter Faktor mit zu berücksichtigen ist; diese Ausgaben sind daher wie bisher vom (Netto)Einkommen in Abzug zu bringen. Dadurch bleibt gewährleistet, dass z.B. mit besonders hoher Miete belastete Fremde von vornherein nachweisen müssen, dass sie sich die von ihnen beabsichtigte Lebensführung im Hinblick auf ihr Einkommen auch tatsächlich leisten können".
Die in § 10 Abs. 5 StbG demonstrativ aufgezählten Aufwendungen (Miete, Kredite, Pfändungen, Unterhaltszahlungen) sind als Abzüge zu berücksichtigen, wenn sie regelmäßig sind. Regelmäßig sind Aufwendungen nur dann, wenn sie über einen längeren Zeitraum mit einer gewissen Kontinuität erfolgen (vgl. zur Regelmäßigkeit auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0001). Des Weiteren bleibt der Wert der "vollen freien Station" (§ 292 Abs. 3 ASVG) unberücksichtigt und schmälert in diesem Sinne die in Abzug zu bringenden regelmäßigen Aufwendungen.
Der Beschwerdeführer macht gegen die Abweisung seines Verleihungsansuchens geltend, das Familieneinkommen "zum Entscheidungszeitpunkt" sei nicht richtig ermittelt worden. Im Jahr 2010 seien Einkünfte nur bis April und nicht bis Oktober 2010 berücksichtigt worden. Beginnend ab 2007 sei ein namhafter Überschuss über die Richtsätze erzielt worden. Die belangte Behörde habe nur den Zeitraum 2007 bis 2009 als Berechnungsgrundlage herangezogen. Die Zuwächse an Einkommen des Jahres 2010, die vor allem aus der Auslandskorrespondenten- und Journalistentätigkeit des Beschwerdeführers resultieren würden, seien unberücksichtigt geblieben. Auch sei unberücksichtigt geblieben, dass hinsichtlich der Kredit- und Mietbelastungen keine Zahlungsrückstände bestünden. Daher seien Abzüge aus diesem Titel "völlig ungerechtfertigt". Nicht nachvollziehbar sei, warum die bezahlten Aufwendungen an Kreditraten und Mietzinsen bei Beurteilung des Familieneinkommens in Abzug gebracht würden.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der Beschwerdeführer hat - wie die belangte Behörde feststellte - über sein Einkommen als Auslandskorrespondent (Journalist) keine Nachweise vorgelegt. Das behauptetermaßen zusätzlich erzielte Einkommen des Beschwerdeführers im Jahr 2010 wurde auch in der Beschwerde nicht konkret dargetan. Die Einkommensermittlung der belangten Behörde war daher nicht unvollständig (mangelhaft), zumal es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, sein behauptetes Einkommen konkret darzulegen (arg. "nachgewiesen" werden in § 10 Abs. 5 StbG).
Die Auffassung des Beschwerdeführers, durch bezahlte Miet- und Kreditbelastungen würden seine festen und regelmäßigen eigenen Einkünfte nicht geschmälert, findet - wie oben dargelegt - keine Deckung im Wortlaut des § 10 Abs. 5 StbG. Bei dieser Argumentation geht der Beschwerdeführer nicht von der gemäß § 64a Abs. 7 und 9 StbG vorliegend anzuwendenden (geänderten) Rechtslage des § 10 Abs. 5 StbG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 aus (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0604).
Im Beschwerdefall wurden regelmäßige Miet- und Kreditbelastungen des Beschwerdeführers - die jedenfalls über dem Betrag des § 292 Abs. 3 ASVG lagen - vom Nettoeinkommen abgezogen. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie diese Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG als Abzüge heranzog.
Der Beschwerdeführer hat somit - da das Familieneinkommen unstrittig nach Abzug seiner Miet- und Kreditbelastungen die maßgeblichen Richtsätze unterschreitet - das gesetzlich gebotene Verleihungserfordernis des § 10 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit § 10 Abs. 5 StbG nicht erfüllt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am