VwGH vom 15.03.2012, 2010/01/0056
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der M A in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/IV - A 549/2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 iVm § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), "in der geltenden Fassung" ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt. Sie lebe seit 1988 in Österreich, sei seit mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und zumindest seit 2001 im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels. Mit Schreiben der belangten Behörde vom und vom sei sie zur Ausfolgung des Bescheides über die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft geladen worden. Sie sei diesen Ladungen jedoch nicht nachgekommen. Am habe sie die Weiterbearbeitung ihres Staatsbürgerschaftsansuchens beantragt.
Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren seien zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin, die laut ihren eigenen Angaben keiner beruflichen Tätigkeit nachgehe, Einkommensbestätigungen ihres Ehemannes vorgelegt worden. Es bestehe Unterhaltspflicht für ein am geborenes gemeinsames Kind. Aufgrund dieser Einkommensnachweise habe sich ergeben, dass der Lebensunterhalt gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 und § 10 Abs. 5 StbG in der bis geltenden Fassung (das ist die Fassung BGBl. I Nr. 37/2006) nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Dazu sei der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Sie habe - nunmehr anwaltlich vertreten - Akteneinsicht genommen und mit Schriftsatz vom die bescheidmäßige Erledigung ihres Antrages begehrt.
Im Entscheidungszeitpunkt sei zur Beurteilung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes von § 10 Abs. 1 Z. 7 und § 10 Abs. 5 StbG in der seit geltenden Fassung (das ist die Fassung BGBl. I Nr. 122/2009) auszugehen gewesen. Auch die zuletzt vorgelegten Einkommensnachweise hätten keine Änderung der Einkommenssituation bewirken können, da der Ehemann der Beschwerdeführerin seit Dezember 2007 fast ausschließlich Notstandshilfe und Krankengeld (Tagessatz EUR 26,-- für 2008, EUR 26,40 für 2009 und EUR 26,76 für 2010) bezogen habe. Die Höhe des monatlichen Richtsatzes für ein Ehepaar mit Kind betrage demgegenüber für das Jahr 2010 EUR 1.258,05. Insgesamt liege das Familieneinkommen im aktualisierten Berechnungszeitraum September 2007 bis August 2010 bereits rund EUR 8.450,-- unter dem geforderten ASVG-Richtsatz gemäß § 293 ASVG. Da die Durchschnittsberechnung über die letzten drei Jahre somit ein Einkommen unter dem Richtsatz ergebe, erfülle die Beschwerdeführerin die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 und § 10 Abs. 5 StbG nicht.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.
Gemäß § 10 Abs. 5 StbG (in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009, BGBl. I Nr. 122) ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z. 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt der letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen.
In der Beschwerde wird die Feststellung der belangten Behörde, das Familieneinkommen im aktualisierten Berechnungszeitraum September 2007 bis August 2010 liege rund EUR 8.450,-- unter dem geforderten ASVG-Richtsatz gemäß § 293 ASVG, nicht bestritten.
Es wird jedoch vorgebracht, die belangte Behörde hätte die Frage des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts nicht nach (§ 10 Abs. 1 Z. 7 iVm) § 10 Abs. 5 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, sondern ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin die Verleihung der Staatsbürgerschaft am beantragt habe, nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 beurteilen müssen. Nach dieser Bestimmung sei die Staatsbürgerschaft einem Fremden zu verleihen gewesen, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert gewesen sei oder ihn an seiner finanziellen Notlage kein Verschulden getroffen habe. Die belangte Behörde hätte somit prüfen müssen, ob der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung hinreichend gesichert gewesen sei und allenfalls Erhebungen dahingehend anzustellen gehabt, ob sie an ihrer Notlage ein Verschulden getroffen habe. Übergangsbestimmungen, wonach auf laufende Verfahren jeweils die neue Rechtslage zur Anwendung gelangen solle, auch wenn dies für den Antragsteller eine Verschlechterung darstelle, bestünden nicht. Insbesondere sei aus den Übergangsbestimmungen gemäß § 64a Abs. 4 und 9 StbG nicht abzuleiten, dass auf sämtliche Verfahren die jeweils neue Rechtslage anzuwenden sei, da dadurch zum Nachteil des Antragstellers in bereits erworbene Rechte eingegriffen und der Behörde die Möglichkeit eingeräumt würde, durch Zuwarten mit der Behandlung von Anträgen die anzuwendenden Bestimmungen "auszusuchen".
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 64a Abs. 7 StbG trat § 10 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 mit in Kraft.
Gemäß § 64a Abs. 9 StbG sind Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 nach den Bestimmungen des StbG in der am gültigen Fassung zu Ende zu führen.
Gemäß § 64a Abs. 4 StbG sind Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 (am ) erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 nach den Bestimmungen des StbG in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen.
Davon ausgehend, dass das StbG nur für Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten der Novelle (hier: durch BGBl. I Nr. 122/2009) ergangenen Zusicherungsbescheides die Weitergeltung der alten Rechtslage vorsieht und gegenüber der Beschwerdeführerin ein Zusicherungsbescheid unbestritten nicht erlassen wurde, war die belangte Behörde jedoch - entgegen der Beschwerdeansicht - verpflichtet, den Bescheid auf Grundlage der im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0057; zur Maßgeblichkeit der Rechtslage nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2006 vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/01/0295, vom , Zl. 2006/01/0701, sowie vom , Zl. 2007/01/0225, mit Hinweisen auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).
Für die Frage der Anwendbarkeit der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage kann es auch dahin stehen, aus welchen Gründen die belangte Behörde nicht vor dem Inkrafttreten der Novelle entschieden hat, da das Gesetz einen entsprechenden Vertrauenstatbestand nicht kennt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0942, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0295).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-70993