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VwGH vom 19.09.2012, 2010/01/0047

VwGH vom 19.09.2012, 2010/01/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des H H in W, vertreten durch Mag. Jörg C. Müller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/IV-H 532/2004, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 Abs. 1 Z. 1, § 12 Z. 1 lit. b iVm 15 Abs. 1 Z. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311/1985 "in der geltenden Fassung" ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich seit Dezember 1980 in Österreich auf und sei als technischer Angestellter bei einer näher genannten Firma beschäftigt. Er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen, die Ehe sei am rechtskräftig geschieden worden. Seit Oktober 1997 verfüge der Beschwerdeführer über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer von März 2001 bis März 2008 - in näher genannten Zeiträumen - insgesamt zumindest

1.547 Tage (dies entspreche mehr als vier Jahren und zwei Monaten), davon insgesamt 878 Tage dienstlich, außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten habe.

Der Beschwerdeführer habe sich damit länger als die zulässigen 20 v.H. der in den §§ 10 Abs. 1 Z. 1, und 12 Z. 1 lit. b StbG normierten Fristen im Ausland aufgehalten. Er habe somit die Fristen des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet gemäß §§ 10 Abs. 1 Z. 1 und 12 Z. 1 lit. b StbG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG nicht erfüllt.

Dem vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers im Verfahren vorgebrachten Argument, vorübergehende Auslandsaufenthalte im Rahmen beruflicher Tätigkeit würden bei verfassungskonformer Auslegung die in den §§ 10 und 12 StbG normierten Fristen nicht unterbrechen, hielt die belangte Behörde entgegen, dass bei der Auslegung des § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG dem klaren, in Bezug auf die Motivation des Auslandsaufenthalts nicht differenzierenden, Gesetzeswortlaut zu folgen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 676/09-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte die Beschwerde mit Schriftsatz vom . Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I 37/2006 (StbG), darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.

Gemäß § 12 Z. 1 lit. b StbG ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er seit mindestens 15 Jahren seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist.

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG wird die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz unterbrochen, wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.H. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ("rechtmäßig und ununterbrochen") Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen - unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs. 1 StbG - durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/01/0003, und Zl. 2010/01/0048, jeweils mwN).

2. Der Beschwerdeführer tritt in der ergänzten Beschwerde den Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend die Zeiträume, in denen er sich (von März 2001 bis März 2008) im Ausland aufgehalten hat, nicht entgegen. Insbesondere ist der Beschwerde konkret nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich in diesem Zeitraum insgesamt mehr als vier Jahre nicht im Bundesgebiet aufgehalten, bestreite.

Die Beschwerde bringt zusammengefasst vielmehr vor, die dienstlich bedingten Auslandsaufenthalte des Beschwerdeführers (im Ausmaß von 878 Tagen) hätten bei der Berechnung der maßgeblichen Zeitspanne des § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG außer Betracht bleiben müssen. Dass der Wortlaut der Bestimmung nicht nach dem Motiv oder Zweck von Auslandsaufenthalten unterscheide, stelle eine planwidrige Lücke des Gesetzes dar. Bei systematischer Interpretation sei die analoge Anwendung des § 45 Abs. 4 NAG geboten, wonach die in dessen Abs. 1 geregelte Fünfjahresfrist zur Erlangung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" für Drittstaatsangehörige durch Auslandsaufenthalte im Rahmen beruflicher Tätigkeit nicht unterbrochen werde. Eine derartiges Verständnis des § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG entspreche auch dem vom Gesetzgeber mit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 verfolgten Ziel der Harmonisierung von NAG und StbG.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Bestimmung des § 45 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung, BGBl I Nr. 4/2008 (NAG), hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG'

§ 45. (1) Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt waren, kann ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" erteilt werden, wenn sie


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1.
die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2.
die Integrationsvereinbarung erfüllt haben.

(4) Weiter wird die Fünfjahresfrist nicht unterbrochen, wenn sich der Drittstaatsangehörige im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit, insbesondere zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, außerhalb des Bundesgebietes aufhält."

Nach den Gesetzesmaterialien ist der Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" den zum langfristigen Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen nach Maßgabe der Richtlinie 2003/109/EG zu erteilen. Mit der Bestimmung des Abs. 4 wird Art. 4 Abs. 3 3. Unterabsatz der Richtlinie umgesetzt (vgl RV 952 BlgNR, 22. GP).

Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften ist das Bestehen einer echten Gesetzeslücke; das heißt einer planwidrigen und daher durch Analogie zu schließenden Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Eine Lücke ist demnach nur dort anzunehmen, wo das Gesetz (gemessen an der mit seiner Erlassung verfolgten Absicht und seiner immanenten Teleologie) unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/12/0055, mwN).

Die von einem Verleihungswerber zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erfüllenden Verleihungsvoraussetzungen sind im StbG abschließend geregelt; zu diesen Regelungen zählt auch die Bestimmung des § 15 StbG.

Mit Z. 3 des Abs. 1 leg. cit. hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der Fremde während des Zeitraums seines legalen Aufenthalts nicht mehr als ein Fünftel der Zeit außerhalb des Bundesgebiets aufhalten darf (vgl. RV 1189 BlgNR, 22. GP). Eine Differenzierung nach Motiv oder Zweck des Auslandsaufenthaltes hat der Gesetzgeber dabei nicht vorgenommen. Aus § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG ergibt sich, dass eine tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von mindestens vier Fünftel des Zeitraumes erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0020, mwH).

Soweit die Beschwerde die analoge Anwendung des § 45 Abs. 4 NAG mit dem Ergebnis einfordert, dass Auslandsaufenthalte im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in die im § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG genannte Zeitspanne nicht einzurechnen seien, setzt sie sich somit über die vom Gesetzgeber (für die Erlangung der Staatsbürgerschaft) gewollte Beschränkung des maximal zulässigen, nach Motiv und Zweck nicht differenzierenden, Aufenthalts eines Verleihungswerbers im Ausland hinweg. Es ist nicht erkennbar, dass die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG im Sinne der Beschwerdebehauptung unvollständig bzw. ergänzungsbedürftig wäre; die von der Beschwerde angenommene Gesetzeslücke liegt somit nicht vor.

4. Davon ausgehend kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - unter zulässiger Berücksichtigung auch der beruflich veranlassten Auslandsaufenthalte des Beschwerdeführers - zum Ergebnis kam, dass sich der Beschwerdeführer länger als die zulässigen 20 v.H. der in den §§ 10 Abs. 1 Z. 1 und 12 Z. 1 lit. b StbG normierten Fristen außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat (vgl. im Übrigen abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0003, mit dem die Beschwerde eines Verleihungswerbers abgewiesen worden war, der nach dem dort angefochtenen Bescheid die Verleihungsvoraussetzungen ausschließlich infolge von Auslandsaufenthalten aus beruflichen Gründen nicht erfüllte).

5. Soweit die Beschwerde schließlich die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 3 StbG behauptet, sei auf die Ausführungen im Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom verwiesen, nach denen die den angefochtenen Bescheid tragenden Bestimmungen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zum rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers) keinen Bedenken begegneten. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesen Erwägungen an, sodass der Beschwerdeanregung, einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, nicht zu folgen war.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-70977