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VwGH vom 17.12.2010, 2007/18/0739

VwGH vom 17.12.2010, 2007/18/0739

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des C K, geboren am , vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 85/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung nach § 51 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides getroffenen Ausspruch gemäß §§ 50 und 51 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 wendet, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Soweit sich die Beschwerde gegen das unter Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erlassene Aufenthaltsverbot wendet, wird der Bescheid in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde unter Spruchpunkt I. gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 iVm §§ 63, 66, 86 und 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides stellte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 50 und § 51 FPG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in der Türkei bedroht sei.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer laut den von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (der erstinstanzlichen Behörde) in deren Bescheid vom getroffenen Feststellungen Ende Jänner 2003 mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara für einen Besuchsaufenthalt bei seinem in Österreich lebenden Bruder am ausgestellten, bis gültigen Visum C in Österreich eingereist sei. Der Beschwerdeführer sei nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Einreisetitels nicht in sein Heimatland zurückgereist, sondern habe am beim Bundesasylamt Asyl beantragt.

Am habe er um die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigte Drittstaatsangehörige - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" angesucht und dazu angeführt, am am Standesamt in Linz die österreichische Staatsbürgerin U. geheiratet zu haben.

Bei den Erhebungen zu diesem Antrag sei festgestellt worden, dass U. sieben Jahre zuvor mit dem Bruder des Beschwerdeführers, der ihm die Einreise nach Österreich ermöglicht habe, verheiratet gewesen sei.

Bei ihrer Vernehmung am habe U. zu Protokoll gegeben, nur auf Drängen des Bruders des Beschwerdeführers diesen geheiratet zu haben, um ihm so die Möglichkeit zu geben, einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erhalten, und ihm dadurch den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Nach Darstellung des weiteren Verfahrensverlaufes und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, sie bejahe auf Grund der glaubwürdigen, in sich schlüssigen und hinsichtlich der Anbahnung und Abwicklung der Ehe detaillierten niederschriftlichen Aussage der U. vom bei der erstinstanzlichen Behörde das Vorliegen einer Scheinehe. Die Glaubwürdigkeit der Aussage der U. werde insbesondere durch die sehr detaillierte Schilderung ihrer finanziellen Situation und "den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Ausweg, nämlich dem Eingehen einer Scheinehe", untermauert. So habe U. ausgeführt, dass ihr bereits kurze Zeit nach der Scheidung der Ehe mit dem Bruder des Beschwerdeführers der Vorschlag unterbreitet worden sei, dass sie den Beschwerdeführer heiraten sollte, weil dieser unbedingt nach Österreich kommen wollte. U. sei, wenn der Beschwerdeführer fünf Monate in Österreich arbeiten würde, ein Geldbetrag in unbestimmter Höhe in Aussicht gestellt worden. Sie hätte ihn nur deshalb geheiratet, um ihm die Möglichkeit zu geben, nach Österreich zu kommen und hier einer Beschäftigung nachzugehen.

Die niederschriftliche Aussage der U. vom bei der erstinstanzlichen Behörde, wonach sich das Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber U. nach einer Aussprache positiv verändert habe und dieser nunmehr den Unterhalt von U. und deren Kinder - trotz getrennter Wohnsitze - bestreite, könne die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben vom nicht erschüttern, weil kein Grund dafür ersichtlich sei, warum sie den Beschwerdeführer am hätte wahrheitswidrig belasten sollen. Auch habe U. am angegeben, dass sie kurz nach ihrer Zeugenaussage am nochmals über einen Dolmetscher eine Aussprache mit dem Beschwerdeführer geführt hätte, welche über Veranlassung des Beschwerdeführers stattgefunden hätte. Ihre Aussage könne daher nicht mehr als frei von äußeren Einflussnahmen und daher als nicht glaubwürdig angesehen werde.

Da die Ehe von dem Ehewillen beider Ehepartner getragen werde, welche sich in einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft äußere, erschienen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beweisanbote als untauglich bzw. komme es auf sie nicht an. Denn einerseits könnten Außenstehende wohl keine Angaben hinsichtlich des Bestandes eines "wahren Ehewillens" machen, andererseits sei dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin hinreichend die Möglichkeit eingeräumt worden, diesbezüglich Stellung zu nehmen. Im Hinblick darauf sei ein Verfahrensmangel (durch Unterlassen der Aufnahme der angebotenen Beweise) nicht gegeben.

In Anbetracht der oben dargelegten Ausführungen sei der Tatbestand des § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG bereits insofern erfüllt, als U. in eindeutiger Weise ausgeführt habe, eine Scheinehe eingegangen zu sein. Diesen Angaben sei bereits deshalb mehr Gewicht beizumessen, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass derartige Eingeständnisse gegenüber Behörden nicht leichtfertig gemacht würden, müsse doch der Betreffende davon ausgehen, sich "unangenehme Fragen" seitens der Behörden und bzw. oder der Exekutive stellen zu lassen. Derartige Angaben würden sehr gut überlegt. Auch hätte sich U. mit ihren Angaben sonst der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt.

In Bezug auf die Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG vertrat die belangte Behörde zusammengefasst die Auffassung, dass diese Bestimmungen der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstünden. Auch hätten keine besonderen Umstände für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers ersehen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

A. Zur Beschwerde in Ansehung des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides (Feststellung nach § 51 FPG):

1. In der Beschwerde wird unter der Überschrift

"4. Beschwerdepunkte" Folgendes vorgebracht:

"Der genannte Bescheid der belangten Behörde verletzt den Beschwerdeführer in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung von Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich."

2. Durch die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommene Bezeichnung des Beschwerdepunktes wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Bescheides gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung sie behauptet (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa den Beschluss vom , Zl. 2007/18/0518, mwN).

3. Durch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides kann der Beschwerdeführer nicht in dem von ihm als Beschwerdepunkt ausdrücklich bezeichneten Recht auf Gewährung von Aufenthalt im Bundesgebiet verletzt sein, weil unter diesem Spruchpunkt nicht über eine Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers entschieden und auch keine aufenthaltsbeendende Maßnahme angeordnet wurde (vgl. dazu nochmals den vorzitierten Beschluss).

In Ansehung des Spruchpunktes II. des genannten Bescheides war die Beschwerde daher, ohne dass noch darauf eingegangen zu werden brauchte, dass der Beschwerdeführer laut Mitteilung des IOM (International Organization for Migration) Vienna vom am unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist ist, - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG zusammengesetzten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. B. Zur Beschwerde in Ansehung des Spruchpunkte I. des angefochtenen Bescheides (Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes):

Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) und rügt u.a. als Mangelhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens, dass die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen nicht vernommen habe. So habe er bereits in seiner Stellungnahme vom ein umfangreiches Vorbringen erstattet und sich zum Beweis dafür, dass er mit seiner Ehegattin eine Wirtschafts-, Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft unterhalten habe, auf seine Vernehmung und auf die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Ehegattin, des N. und des T. berufen. Obwohl diese Beweisanträge im erstinstanzlichen Verfahren unerledigt geblieben und von ihm im Berufungsverfahren wiederholt worden seien, habe auch die belangte Behörde diese Beweise nicht aufgenommen. Diese habe es unterlassen, festzustellen, dass die Ehe tatsächlich vollzogen worden sei, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK über einen Zeitraum von sechs bis sieben Monaten bestanden habe und der Beschwerdeführer jedenfalls mit seiner Ehegattin eine Wirtschafts- , Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft unterhalten, für den Lebensunterhalt gesorgt sowie alle Ausgaben bestritten habe.

2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde bezüglich des Aufenthaltsverbotes zum Erfolg.

Schon im erstinstanzlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom - wie dies auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt hat - vorgebracht, dass er mit seiner Ehefrau in einer Wirtschafts-, Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft lebe. Er sorge großteils für den Lebensunterhalt und bezahle offene Rechnungen. Die Kinder seiner Ehegattin seien begeistert, nunmehr einen Vater zu haben. Seine Ehefrau habe ihn aus Liebe geheiratet, wenn sie auch früher mit seinem Bruder verehelicht gewesen sei. Er lebe mit seiner Ehegattin glücklich zusammen, und er beantrage zum Beweis die Vernehmung der U., des N. und des T. als Zeugen.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat der Beschwerdeführer auf sein Vorbringen und seine Beweisanträge in dieser Stellungnahme verwiesen und die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt, weil diese Beweise nicht aufgenommen worden seien. Weiters brachte er u.a. vor, dass, wie aus den Angaben seiner Ehegattin vom und vom hervorgehe, deren Kinder begeistert seien, dass sie einen "Ersatzvater" hätten.

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, dass die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise untauglich erschienen bzw. es auf sie nicht ankomme, weil "einerseits Außenstehende wohl keine Angaben hinsichtlich des Bestandes eines 'wahren Ehewillens' machen können, andererseits Sie (der Beschwerdeführer) bzw. Ihre Gattin hinreichend die Möglichkeit eingeräumt wurde diesbezüglich Stellung zu nehmen".

Nach ständiger hg. Judikatur dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0196, mwN).

Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde ist das oben genannte, mit den vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträgen auf Vernehmung der Zeugen N. und T. verknüpfte Beweisthema für die Beurteilung des Vorliegens einer Scheinehe und eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG von Bedeutung. Bei der Vermutung der belangten Behörde, dass "Außenstehende" wohl keine Angaben hinsichtlich des Bestandes eines "wahren Ehewillens" machen könnten, sodass es auf diese Beweisanbote nicht ankomme - dies, obwohl vom Beschwerdeführer, wie oben wiedergegeben, ein ausreichend konkretisiertes Beweisthema vorgebracht wurde -, handelt es sich um eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung im Sinn der genannten Rechtsprechung.

3. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-70970