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VwGH vom 19.09.2012, 2010/01/0043

VwGH vom 19.09.2012, 2010/01/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M G in B, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW2-PS-3324/001-2009, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 11a Abs. 1 und 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 135/2009; im Folgenden: StbG), ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 1 StbG erfordere unter anderem einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet von mindestens sechs Jahren. Ein rechtmäßiger Aufenthalt bestehe dann, wenn sich ein Fremder aufgrund eines sichtvermerksfreien Aufenthalts oder eines Aufenthalts mit Visum oder eines Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten (früher: Legitimationskarte) oder eines anhängigen Asylverfahrens gemäß § 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) oder eines Aufenthaltstitels nach § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) im Bundesgebiet aufhalte.

Der Beschwerdeführer habe in der Zeit vom , nachdem der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom seine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom rechtskräftig abgewiesen habe, bis zum , als ihm der Erstaufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt worden sei, über keinen der genannten "Aufenthaltsgründe" verfügt. Er sei sohin während dieses Zeitraumes unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen, wenngleich er in Österreich aufrecht gemeldet, anwesend und berufstätig gewesen sei. Sein rechtmäßiger Aufenthalt, der aufgrund einer vorläufigen Berechtigung nach § 19 Asylgesetz (1997) am begonnen habe, sei unterbrochen worden.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die mit dem genannten Erkenntnis des Asylgerichtshofes festgestellte Unzulässigkeit seiner Ausweisung habe die Rechtsmäßigkeit seines Aufenthalts in Österreich bis zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung zur Folge gehabt, weil die Aufenthaltsbehörde in solchen Fällen nach § 44a NAG verpflichtet sei, einen Aufenthaltstitel für ein ex lege bereits bestehendes Aufenthaltsrecht zu erteilen, sei entgegenzuhalten, dass die Erteilung der Niederlassungsbewilligung konstitutiv wirke und somit erst mit Aushändigung des Aufenthaltstitels dem Fremden ein Aufenthaltsrecht auch tatsächlich eingeräumt werde. Die rechtskräftige Feststellung der Asylbehörde, dass eine Ausweisung auf Dauer unzulässig sei, bewirke per se noch nicht, dass dem Fremden ein Aufenthaltsrecht zukomme. Damit werde vielmehr zunächst nur klargestellt, dass Art. 8 EMRK der Erlassung einer Ausweisung entgegenstehe und der Fremde somit auch nicht zwangsweise außer Landes gebracht werden dürfe. Die Niederlassungsbehörde habe gemäß § 44a NAG von Amts wegen ein Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 NAG einzuleiten, wenn die Asylbehörde gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 mitteile, dass eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 für unzulässig erklärt worden sei, wobei die behördliche Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG mit Einlangen der Entscheidung der Asylbehörde zu laufen beginne. Die §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG forderten jeweils, dass kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 4 NAG vorliege und die Erteilung der Niederlassungsbewilligung zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten sei. Daraus folge aber auch, dass der Niederlassungsbehörde - wenn auch nur in eingeschränktem Ausmaß, da sie im Hinblick auf die Beurteilung, ob Art. 8 EMRK die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gebiete, an die diesbezügliche Feststellung durch die Asyl- bzw. Fremdenpolizeibehörde gebunden sei - eine Prüfungsbefugnis zukomme, bevor sie im Rahmen des von Amts wegen geführten Verfahrens tatsächlich eine Niederlassungsbewilligung erteile.

Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, sei ihm gemäß § 47 Abs. 2 NAG zwingend ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" auszustellen gewesen. Dem § 44a NAG sei damit in seiner Anordnung, wonach bei von Amts wegen einzuleitenden Verfahren eine Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 NAG zu erteilen ist, für jene Konstellationen derogiert worden, in denen die Ausweisung eines Fremden, der Familienangehöriger im Sinne des § 47 Abs. 2 NAG sei, für unzulässig erklärt worden sei. Auch in diesem Fall entstehe jedoch das Aufenthaltsrecht erst mit Aushändigung des Aufenthaltstitels.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11a Abs. 1 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt;

2. die eheliche Lebensgemeinschaft nicht aufgehoben ist und 3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist.

Gemäß § 44a NAG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 29/2009) hat die Behörde einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.

Gemäß § 22 Abs. 9 erster Satz AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof, wenn eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt worden ist, der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde die Entscheidung zwecks Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44a NAG unverzüglich zu übermitteln, wenn der Fremde weder über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen verfügt, noch faktischen Abschiebeschutz genießt.

Die Beschwerde bringt vor, der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zwischen und sei nicht unrechtmäßig gewesen. Im Asylverfahren sei rechtskräftig festgestellt worden, dass seine Ausweisung aus Gründen des Art. 8 EMRK auf Dauer unzulässig sei. Den Materialien zu BGBl. I Nr. 29/2009 zufolge stelle § 44a NAG das wesentliche Bindeglied zwischen NAG, AsylG 2005 und FPG dar, indem er in den Fällen einer "auf Dauer unzulässigen Ausweisungsentscheidung" die gleichsam automatische Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter den in den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 normierten Voraussetzungen - vorsehe, und damit dem Bedürfnis Rechnung trage, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren. Ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels sei in diesen Fällen nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber habe somit "durch die Regelung des § 44a NAG einen 'automatischen' und damit auch lückenlosen Übergang vom Status des Asylwerbers zum Status des niederlassungsberechtigten Drittstaatsangehörigen" schaffen wollen. Durch die gesetzliche Anordnung der amtswegigen Erteilung -

ohne dass es eines Antrages bedürfe - bringe der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck, dass "in diesen Fällen gleichsam ex lege weiterhin ein Aufenthaltsrecht zukommen" solle. Dies lasse sich im Umkehrschluss auch aus § 44b Abs. 3 NAG ableiten, der für jene Fälle, in denen nicht von Amts wegen vorzugehen sei, klarstelle, dass im Inland zu stellende Anträge nach §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen und sohin an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts in diesen Fällen nichts ändern. Selbst wenn aber von einer Lücke im rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Zeit von bis auszugehen wäre, sei diese mit der amtswegigen Erteilung des Aufenthaltstitels jedenfalls rückwirkend als geschlossen zu betrachten.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ("rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten") bzw. des § 11a Abs. 4 ("nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von") Verleihungsvoraussetzung, dass ein Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden legalen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer (von zehn bzw. sechs Jahren) aufweisen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/01/0211, mwN).

Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG. Für Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 oder des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/01/0036, mwN; vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0316).

Der angefochtene Bescheid und die Beschwerde gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Beschwerdeführer am (erstmals) eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, nachdem der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom einen Ausspruch über die dauernde Unzulässigkeit seiner Ausweisung getätigt, dies der Niederlassungsbehörde gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 mitgeteilt und diese gemäß § 44a NAG von Amts wegen ein Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels eingeleitet hatte.

Auch das amtswegige Vorgehen der Niederlassungsbehörde gemäß § 44a NAG ändert allerdings nichts daran, dass ein Aufenthaltstitel mit dem Ausspruch der Asylbehörde, wonach eine Ausweisung auf Dauer unzulässig sei, (noch) nicht vorliegt. Auch für gemäß § 44a NAG erteilte Aufenthaltstitel gilt nämlich § 20 Abs. 2 NAG, wonach die Gültigkeit eines (erstmals erteilten) Aufenthaltstitels mit dem Ausstellungsdatum beginnt. Eine Bestimmung, nach der während eines Verfahrens gemäß § 44a NAG schon ein rechtmäßiger Aufenthalt vorläge, sieht das Gesetz ebenso wenig vor wie die rückwirkende Gültigkeit eines im Verfahren nach § 44a NAG erteilten Aufenthaltstitels. Damit konnte der Beschwerdeführer aber weder aus dem Ausspruch der Unzulässigkeit seiner Ausweisung noch aus dem im Verfahren nach § 44a NAG erteilten Aufenthaltstitel einen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 11a Abs. 4 StbG für den Zeitraum zwischen dem Verlust des Aufenthaltsrechts nach asylrechtlichen Bestimmungen und der Erteilung eines Aufenthaltstitels im Verfahren nach § 44a NAG ableiten.

Auch aus den von der Beschwerde zitierten Materialien zu BGBl. I Nr. 29/2009 (RV 88 BlgNR, 24. GP, S. 12) ist insofern für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Zwar stellt demnach § 44a "das wesentliche Bindeglied zwischen NAG, Asylgesetz 2005 und FPG dar, indem es in den Fällen einer auf Dauer unzulässigen Ausweisungsentscheidung die gleichsam 'automatische' Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter den in den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 normierten Voraussetzungen - vorsieht und damit dem Bedürfnis Rechnung trägt, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren". Auch daraus ergibt sich jedoch, dass gemäß § 44a NAG ein Aufenthaltstitel (erst) von der zuständigen Behörde zu erteilen ist (vgl. insofern auch den Hinweis auf die Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG in § 44a NAG), ein Aufenthaltsrecht also nicht bereits aufgrund des Ausspruches über die Unzulässigkeit der Ausweisung besteht.

Dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im strittigen Zeitraum auf anderer Grundlage rechtmäßig gewesen wäre, wird von der Beschwerde nicht behauptet.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am