VwGH vom 16.02.2012, 2010/01/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der F F in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 27. Jänner "2009" (richtig: 2010), Zl. 000473/2006-22, betreffend Feststellung des Erlöschens einer Bordellbewilligung nach dem Steiermärkischen Prostitutionsgesetz (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 iVm mit den §§ 6 und 7 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes (in der Folge: Stmk PrG), die Bewilligung zur Führung eines Bordells am Standort Graz, X-Gasse 7, unter bestimmten Auflagen erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides vom - gemäß § 11 iVm § 8 Abs. 2 und § 7 Z. 1 Stmk PrG die Schließung des Bordells am gegenständlichen Standort verfügt. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0050, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Daraufhin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom der erstinstanzliche Schließungsbescheid ersatzlos behoben.
Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, "die Wiedereröffnung des Bordellbetriebes unter dem Standort X-Gasse 7 zur Kenntnis zu nehmen und auszusprechen, dass eine weitere Bewilligung nicht erforderlich ist und dass die entsprechende Bewilligung aus dem Jahr 1999 aufrecht ist."
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde in Erledigung dieses Antrages festgestellt, dass die mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom erteilte Bewilligung zum Betrieb eines Bordells am Standort Graz, X-Gasse 7, gemäß § 8 Abs. 1 des Stmk PrG idF LGBl. Nr. 56/2006 erloschen ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde eine dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der (erstinstanzliche) Schließungsbescheid (ersatzlos) aufgehoben worden sei, sei der Beschwerdeführerin am zugestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt wäre es der Beschwerdeführerin freigestanden, den Bordellbetrieb wieder aufzunehmen, um die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 1 Stmk PrG hintanzuhalten. Stattdessen seien die (zuvor als Bordell genutzten) Räumlichkeiten mit Vertrag vom als "Wettcafe" an die L GmbH verpachtet worden, wobei dieser Vertrag durch die Pächterin zum gekündigt worden sei. Da die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Stmk PrG das Erlöschen der Bordellbewilligung ausschließlich daran knüpfe, dass der Betrieb für mehr als sechs Monate unterbrochen worden sei, seien die Gründe, die zum Fristablauf geführt hätten - etwa schlichtes Übersehen der genannten Norm oder wirtschaftliche Überlegungen im Zusammenhang "mit der Beibehaltung bordellfremder Nutzungen" - rechtlich unbeachtlich. Die Berufung sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk PrG, LGBl. Nr. 16/1998 in der Fassung LGBl. Nr. 56/2006, lauten (auszugsweise) wie folgt:
"§ 1
Geltungsbereich
Die Ausübung der Prostitution und die Anbahnung dazu in einer
der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tretenden Weise
unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes.
§ 2
Begriffsbestimmungen
(1) Unter Prostitution im Sinne dieses Gesetzes ist die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen zu verstehen.
(2) Unter Anbahnung der Prostitution ist ein Verhalten in der Öffentlichkeit zu verstehen, durch welches eine Person erkennen läßt, die Prostitution ausüben zu wollen.
(3) Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die Ausübung der Prostitution wiederkehrend in der Absicht erfolgt, sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
(4) Unter Bordell ist ein Betrieb zu verstehen, in dem die Prostitution ausgeübt werden soll.
(5) Unter bordellähnlicher Einrichtung ist ein Betrieb zu verstehen, in dem die Anbahnung der Prostitution erfolgt. …
§ 4
Bewilligung von Bordellen und bordellähnlichen Einrichtungen
(1) Ein Bordell darf nur mit Bewilligung der Behörde (Bordellbewilligung) betrieben werden. Jede Änderung des Betriebes eines Bordells bedarf vor ihrer Ausführung ebenfalls der Bewilligung.
(2) …
§ 5
Bewilligungsverfahren und Bewilligung
(1) Über einen Antrag gemäß § 4 ist, soweit sich nicht die Unzulässigkeit des Vorhabens schon aus dem Antrag oder den ihm angeschlossenen Unterlagen ergibt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in deren Rahmen ein Ortsaugenschein stattzufinden hat.
(2) Vor Erteilung der Bewilligung ist der zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen zuständigen Behörde (§ 12 Abs. 2) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Behörde ist auch von der Erteilung, dem Erlöschen und der Entziehung einer Bordellbewilligung zu verständigen.
(3) Die Bordellbewilligung ist zu erteilen, wenn die persönlichen (§ 6) und sachlichen (§ 7) Voraussetzungen erfüllt sind. Sie ist befristet oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung der im § 7 Z. 1, 3 und 5 angeführten Interessen erforderlich ist.
(4) Die Behörde (§ 12 Abs. 1) hat in Abständen von längstens drei Jahren, beginnend mit dem Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung, das Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen zu überprüfen. …
§ 8
Wirksamkeit der Bewilligung
(1) Eine Bordellbewilligung erlischt, wenn der Betrieb des Bordells nicht innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Bewilligung aufgenommen oder für mehr als sechs Monate unterbrochen worden ist. Der Bewilligungsinhaber hat die Aufnahme, Unterbrechung und Wiederaufnahme des Betriebes der Behörde vorher anzuzeigen.
(2) …"
2. Die Beschwerde macht als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, die belangte Behörde gehe davon aus, dass die Bordellbewilligung erlösche, wenn der Bordellbetrieb für mehr als sechs Monate unterbrochen worden sei. Dabei könne jedoch nicht außer Betracht bleiben, warum eine solche Unterbrechung des Bordellbetriebes eingetreten sei. Dem "offensichtlichen Sinn des Gesetzes" könne nur entnommen werden, dass bei den Unterbrechungen nur solche zählten, welche in der Sphäre des Bewilligungsinhabers - und nicht der Bewilligungsbehörde - lägen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass § 8 Abs. 1 Stmk PrG anordne, dass Bewilligungsinhaber auch die Unterbrechung anzuzeigen hätten. Dies mache jedoch nur Sinn, wenn die Behörde von der Unterbrechung nicht in Kenntnis sei; Unterbrechungen, "welche direkt aufgrund von behördlicher Tätigkeit von der Bewilligungsbehörde vorgenommen werden", könnten keinesfalls § 8 Abs. 1 Stmk PrG unterfallen. Durch § 8 Abs. 1 zweiter Satz Stmk PrG würden Unterbrechungsgründe auf solche beschränkt, welche entweder in der Sphäre des Bewilligungsinhabers lägen oder aber zumindest außerhalb der Sphäre der Behörde. Andernfalls könnte jede auch rechtswidrige Unterbrechung durch die Behörde, welche sechs Monate überschreite, dazu führen, dass die Bewilligung, "selbst wenn sie rechtswidrig entzogen" worden sei, erlösche, sobald in Befolgung des behördlichen Auftrags "kein Betrieb ausgeübt" werde.
Darüber hinaus verstoße die von der belangte Behörde vertretene Rechtsauffassung, wonach jede Unterbrechung des Bordellbetriebes, die über sechs Monate andauere, zu einem Erlöschen der Bewilligung führe, gegen Treu und Glauben, da bereits das (gemeint: zu Zl. 2006/09/0050 geführte) Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die sechsmonatige Unterbrechungsfrist bei weitem überschritten habe. Gehe man davon aus, dass durch § 8 Stmk PrG "keinesfalls der Behörde durch unberechtigte Schließung eines Lokals die Möglichkeit gegeben werden soll, nach Feststellung der Rechtswidrigkeit der betreffenden Maßnahme sich dennoch auf einen Erlöschungsgrund" nach dem Stmk PrG zu berufen, so müsse "eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen" ergeben, dass die von der belangte Behörde vertretene Rechtsauffassung, welche der Abweisung der Berufung zugrunde gelegt worden sei, unrichtig sei.
3. Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende inhaltliche Rechtswidrigkeit aufgezeigt:
Entgegen dem wiedergegebenen Beschwerdevorbringen stützt die belangte Behörde ihre Feststellung, die Bewilligung zum Betrieb eines Bordells am genannten Standort sei gemäß § 8 Abs. 1 des Stmk PrG erloschen, nicht darauf, dass der Bordellbetrieb vor der mit Ersatzbescheid vom erfolgten ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Schließungsbescheides vom für mehr als sechs Monate unterbrochen worden sei. Die belangte Behörde geht vielmehr davon aus, dass der Bordellbetrieb nach der Zustellung des Ersatzbescheides vom an die Beschwerdeführerin für mehr als sechs Monate unterbrochen worden sei, wobei die Räumlichkeiten des vormaligen Bordells mit Vertrag vom Februar 2008 - sohin zu einem Zeitpunkt, in dem der zuvor ersatzlos behobene erstinstanzliche Schließungsbescheid dem Betrieb des Bordells jedenfalls nicht mehr entgegenstehen hätte können - zur Betreibung eines "Wettcafes" verpachtet wurden.
Die Beschwerde bestreitet weder, dass der Bordellbetrieb auch nach der Zustellung des Ersatzbescheides vom an die Beschwerdeführerin für mehr als sechs Monate unterbrochen wurde - mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin u.a. auch den Antrag, "die Wiedereröffnung des Bordellbetriebes …zur Kenntnis zu nehmen" - , noch dass die Beschwerdeführerin über die Räumlichkeiten, auf die sich die Bordellbewilligung bezog, im Februar 2008 dergestalt verfügte, dass diese zu Zwecken der Betreibung eines "Wettcafes" verpachtet wurden.
Davon ausgehend kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Stmk PrG infolge der nach der Zustellung des Ersatzbescheides vom an die Beschwerdeführerin erfolgten Unterbrechung des Bordellbetriebs für mehr als sechs Monate als verwirklicht angesehen hat. Die in der Beschwerde demgegenüber in der Sache gerügte Annahme, auch eine Unterbrechung des Bordellbetriebs für mehr als sechs Monate, die lediglich auf einer zur Unrecht verfügten (und in weiterer Folge aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen) Schließung des Bordells beruhe, bewirke im Sinne des § 8 Abs. 1 erster Satz Stmk PrG das Erlöschen der Bordellbewilligung, war hingegen nicht (tragender) Grund der Bestätigung der erstinstanzlichen Feststellung durch die belangte Behörde.
4. Soweit in der Beschwerde Feststellungs- und Begründungsmängel behauptet werden, ist darauf hinzuweisen, dass Verfahrensfehler der Behörde - dies gilt auch für Mängel der Begründung eines Bescheides - nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG führen, wenn die Behörde bei deren Unterbleiben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Relevanz des Verfahrensverstoßes darzutun, ist Sache des Beschwerdeführers. Er hat durch konkretes tatsächliches Vorbringen in der Beschwerde darzulegen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0942, mwH). Ein derartiges Vorbringen enthält die Beschwerde aber nicht.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann mit der EMRK vereinbar, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände liegen etwa darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte. Davon ist angesichts des hier geklärten und von der Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht bestrittenen entscheidungsrelevanten Sachverhaltes und der Lösung einer ausschließlich rechtlichen Frage auch im gegenständlichen Fall auszugehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/07/0143 bis 0146, mwH).
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-70907