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VwGH vom 15.09.2010, 2007/18/0714

VwGH vom 15.09.2010, 2007/18/0714

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des I R in W, geboren am , vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 861/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer erstmals mit einem von der Österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten Reisevisum, gültig vom bis , in das Bundesgebiet eingereist sei. Nach Ablauf des Sichtvermerks habe er seinen Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt.

Am habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; darauf gestützt sei ihm über seinen Antrag eine bis gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Bei dieser Ehe habe es sich um eine Scheinehe gehandelt; der in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt sei verwirklicht.

Der Beschwerdeführer sei somit verheiratet, Sorgepflichten bestünden nicht. Sonstige familiäre Bindungen bestünden zu einer Tante, mit der er allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.

Im Weiteren gab die belangte Behörde die Ergebnisse des umfangreichen Ermittlungsverfahrens wieder und legte beweiswürdigend dar, weshalb sie vom Eingehen einer Scheinehe durch den Beschwerdeführer überzeugt sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass ein derartiges Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr (für die öffentliche Ordnung) darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 (iVm § 86 Abs. 1) FPG gegeben.

Angesichts der festgestellten Umstände sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zur Legalisierung seines Aufenthaltes eine Scheinehe eingehe. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass sich der weitaus überwiegende Teil dieses Aufenthaltes - ebenso wie allfällige unselbständige Beschäftigungsverhältnisse, die der Beschwerdeführer seit Eingehen der Scheinehe ausgeübt habe - nur auf das genannte Fehlverhalten stütze. Auch im Hinblick auf seine geringen familiären Bindungen sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering; dem stehe jedoch das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass dieser das Bundesgebiet verlasse und ihm fernbleibe.

Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG liege nicht vor.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei dieses mit zehn Jahren zu befristen. Vor Ablauf dieser Frist könne nicht erwartet werden, dass im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers und seine aktenkundige Lebenssituation die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer - nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und der Beschwerde - nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin im Sinn des § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0591, mwN). Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

1.2. Die Beschwerde bestreitet die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der vom Beschwerdeführer am mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe nicht. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

1.3. Die Beschwerde bringt lediglich vor, im vorliegenden Fall sei "offensichtlich", dass die vorangegangene Scheinehe geschieden worden sei und nunmehr eine echte Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin vorliege.

Einer Berücksichtigung dieses Vorbringens steht allerdings - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - schon das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) entgegen.

Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - unbedenklich (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).

2. Auch zu der von der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung verweist der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die in der Beschwerde erstmals behauptete Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Aus diesem Grund reicht es aus, auf die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Bescheides zu § 66 FPG zu verweisen.

3. Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-70905