VwGH vom 27.05.2014, 2012/08/0030
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des IM in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2011-0566-9-002420, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers ab dem ein.
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, habe am einen Asylantrag gestellt und in der Folge über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht als Asylwerber verfügt. Seit dem sei das Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen. Sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Niederlassungsbewilligung - beschränkt) sei von der Aufenthaltsbehörde mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei (gemäß § 66 Abs. 3 FPG idF BGBl. I Nr. 122/2009) ausgesprochen worden, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich auf Dauer unzulässig sei.
Der Beschwerdeführer sei zuletzt vom bis zum im Restaurant V. beschäftigt gewesen. Für diese Tätigkeit sei eine Beschäftigungsbewilligung, gültig vom bis zum erteilt worden. Der Antrag auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung sei mit Bescheid der belangten Behörde vom auf Grund des fehlenden Aufenthaltsrechts abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer könne kein Recht als Familienangehöriger gemäß Art. 7 ARB 1/80 ableiten, weil seine Eltern in der Türkei lebten. Um ein Recht nach Art. 6 ARB 1/80 ableiten zu können, müsste er eine ordnungsgemäße Beschäftigung in Österreich ausgeübt haben. In Anbetracht seines vorläufigen Aufenthaltsrechts als Asylwerber habe der Beschwerdeführer nur über eine vorläufige Position am Arbeitsmarkt verfügt. Einen Aufenthaltstitel bzw. eine Niederlassungsbewilligung habe er bisher nicht gehabt. Er verfüge nicht über eine ausreichende aufenthaltsrechtliche Position zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung. Zwar dürfe gegen ihn keine aufenthaltsbeendende Maßnahme verhängt werden, sein Aufenthalt in Österreich sei geduldet. Weitere Rechte seien damit aber nicht verbunden. Eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung sei nur dann zu gewähren, wenn auch eine unselbständige Beschäftigung aufgenommen werden könne und dürfe. In Ermangelung eines geeigneten Aufenthaltstitels erfülle der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen für die Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei seit dem als türkischer Staatsangehöriger in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert und ordnungsgemäß beschäftigt. Die Aufenthaltsberechtigung habe sich zunächst aus dem Asylverfahren abgeleitet, "zuletzt aus dem Bescheid der Fremdenpolizei vom , wonach festgestellt wurde, dass eine Ausweisung aus Österreich auf Dauer unzulässig ist". Es lägen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 die Voraussetzungen für den freien Zugang zum Arbeitsmarkt und ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld vor. Die Aufenthaltsberechtigung leite sich nicht nur aus dem Assoziationsabkommen ab, sondern auch aus dem Umstand, dass mit Bescheid der Fremdenpolizei festgestellt worden sei, dass die Voraussetzungen für einen Aufenthalt in Österreich auf Grund von Art. 8 EMRK gegeben seien. Der Umstand, dass die Aufenthaltsbehörde keine Niederlassungsbewilligung erteilt habe, weil eine "obskure Information im Schengeninformationssystem" aufscheine, wonach über den Beschwerdeführer in Italien ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, könne nicht maßgebend sein.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer u. a. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht nach § 7 Abs. 2 AlVG zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG eine Person, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen wurde. Am Fehlen eines Aufenthaltstitels ändert nichts, dass mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom ausgesprochen worden ist, dass eine Ausweisung aus Österreich auf Dauer unzulässig ist, zumal auch die Anhängigkeit eines Verfahrens, in welchem die Voraussetzungen zur Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung für den Beschwerdeführer geprüft würde, dem Beschwerdeführer kein - die Aufnahme einer Beschäftigung ermöglichendes - Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet einräumen kann.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 6 ARB 1/80 beruft, ist ihm zu entgegnen, dass Fremde, die eine - wenn auch allenfalls im Einklang mit den Bestimmungen des AuslBG stehende - Beschäftigung ausgeübt haben, die Voraussetzungen dafür, sich hinsichtlich des Rechts zur Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung sowie des diesem Zweck dienenden Rechts auf Aufenthalt mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 berufen zu können, dann nicht erfüllen, wenn ihr Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bloß auf Grund einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0066).
Somit ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie wegen fehlender Verfügbarkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0171, mit dem seine Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem die Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung versagt wurde, als unbegründet abgewiesen wurde) die Leistung des Arbeitslosengeldes mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt gemäß § 24 Abs. 1 AlVG eingestellt hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Altfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-70899