VwGH vom 23.01.2017, Ra 2016/17/0281

VwGH vom 23.01.2017, Ra 2016/17/0281

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der L S Ltd in Ch, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den als Erkenntnis bezeichneten Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , LVwG-1-13/2015-R2, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einem Verfahren wegen Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtene Entscheidung wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei ist eine Gesellschaft nach englischem Recht mit Sitz in Ch, Großbritannien, die über eine im österreichischen Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung in D verfügt.

2 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde gemäß § 52 Abs 1 Z 1 iVm § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme zweier Glücksspielgeräte angeordnet. Dieser Bescheid erging an das "Lokal, L S LTD'" zu Handen des rechtsfreundlichen Vertreters der revisionswerbenden Partei und an die Finanzpolizei Bregenz. Auch im Betreff des Bescheides wurde das "Lokal‚ L S LTD'" genannt. Im Sachverhaltsteil wurde die "L S LTD" als Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte angeführt. 3 Gegen den Beschlagnahmebescheid erhoben 1. das "Lokal‚ L S Ltd.'" in B, und 2. die "L S Ltd." mit der Geschäftsanschrift der österreichischen Zweigniederlassung der revisionswerbenden Partei in D jeweils vertreten durch den Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei Beschwerde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die Beschwerde sowohl des "Lokals" "L S Ltd." als auch der "L S Ltd." in D gemäß § 50 VwGVG als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 Begründend legte das Landesverwaltungsgericht dar, dass durch die Bezeichnung "Lokal‚ L S Ltd.' z.H. RA Dr. Patrick Ruth, Kapuzinergasse 8/4, 6020 Innsbruck" nicht zweifelsfrei klargestellt werde, ob sich der Bescheid an den rechts- und parteifähigen Betreiber des Lokals "L S Ltd.", C F B, oder an die revisionswerbende Partei als rechts- und parteifähige Eigentümerin der Glücksspielgeräte richten solle, zumal der einschreitende Rechtsanwalt die Rechtsvertretung sowohl für die "L S Ltd." als auch für den Betreiber des Lokals bekannt gegeben habe. Weder aus der Begründung des Bescheids noch aus der Adressatenbezeichnung gehe hervor, an welche Person sich der Bescheid richte, weshalb diesbezüglich keine rechtmäßige Zustellung und Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt sei.

Demgegenüber sei der Bescheid dem Finanzamt Bregenz, dem als Abgabenbehörde gemäß § 50 Abs 5 GSpG die Stellung als Organpartei eingeräumt sei, rechtmäßig zugestellt worden. Es liege daher ein wirksamer Bescheid vor.

Unabhängig davon, an wen der Beschlagnahmebescheid ausdrücklich gerichtet gewesen sei, komme dem Eigentümer der beschlagnahmten Sache jedenfalls ein Beschwerderecht zu. Eigentümerin der beschlagnahmten Geräte sei die revisionswerbende Partei mit Sitz in Ch, Großbritannien. Als Zweitbeschwerdeführerin sei jedoch die "L S Ltd.", mit der Geschäftsanschrift in D aufgetreten. Einer Zweigniederlassung einer im Ausland eingetragenen Gesellschaft komme keine eigene Rechtspersönlichkeit und keine Parteifähigkeit zu, weshalb der "L S Ltd., D" als Zweitbeschwerdeführerin im konkreten Verfahren keine Parteistellung zukomme. Im Übrigen sei auch das "Lokal‚ L S Ltd.'" als Erstbeschwerdeführerin weder rechts- noch parteifähig. Im Gegensatz zu den beschwerdeführenden Parteien sei allenfalls die revisionswerbende Partei beschwert. Ihr sei der Bescheid jedoch nicht zugestellt worden.

Die Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer solchen bzw sei die dazu vorliegende Rechtsprechung einheitlich. Es lägen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

7 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision ist in Bezug auf die Rechtsfrage, ob die Beschwerde der revisionswerbenden Partei zurechenbar ist, zulässig und berechtigt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung zur Beschlagnahme nach § 53 GSpG davon aus, dass die Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid - unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer formal als Adressat des Bescheides bezeichnet wurde oder nicht - davon abhängig ist, ob nach der anzuwendenden gesetzlichen Grundlage der Beschlagnahmebescheid (allenfalls: auch) an ihn zu richten war. Das Beschwerderecht kommt daher dem Eigentümer der beschlagnahmten Sache auch dann zu, wenn der Bescheid nicht an ihn adressiert war. Für das Beschwerderecht ist nicht maßgeblich, an wen der erstinstanzliche Beschlagnahmebescheid ausdrücklich gerichtet war (vgl , vom , 2012/17/0522, sowie vom , 2013/17/0555). Dass der konkrete Beschlagnahmebescheid nicht an die revisionswerbende Partei als Eigentümerin der beschlagnahmten Glücksspielgeräte gerichtet war und an sie nicht zugestellt wurde, steht ihrem Beschwerderecht somit nicht entgegen.

12 Der Finanzpolizei obliegt gemäß § 10b Abs 2 Z 2 lit c der Durchführungsverordnung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV) im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als Abgabenbehörden wie diesen die Wahrnehmung der den Abgabenbehörden in der Vollziehung des Glücksspielgesetzes übertragenen Aufgaben (vgl ). Der Abgabenbehörde kommt gemäß § 50 Abs 5 GSpG im gegenständlichen Beschlagnahmeverfahren nach § 53 GSpG Parteistellung zu, weil zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr bzw der ihr zuzurechnenden Finanzpolizei stammende Anzeige vorlag. Der Beschlagnahmebescheid wurde somit durch Zustellung an die Finanzpolizei Bregenz gegenüber einer Partei erlassen, weshalb die revisionswerbende Partei als Eigentümerin der beschlagnahmten Glücksspielgeräte gegen diesen wirksamen Bescheid rechtswirksam Beschwerde erhoben hat.

13 Wesentlich ist die Rechtsfrage, ob die im Namen der "L S Ltd.", mit angegebener Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung in D, erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei oder ausschließlich ihrer nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl , sowie vom , Ra 2015/11/0083) weder rechts- noch parteifähigen Zweigniederlassung in Österreich zuzurechnen ist.

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Beurteilung, wem eine Eingabe zuzurechnen ist, am äußeren Tatbestand zu orientieren. Maßgeblich ist, wer nach dem objektiven Erklärungswert der Eingabe unter Berücksichtigung aller Umstände als derjenige anzusehen ist, der mit dieser Eingabe die Tätigkeit der Behörde für sich in Anspruch nimmt. Besteht danach kein Anlass für Zweifel, wem die Eingabe zuzurechnen ist, bedarf es weder weiterer Ermittlungen im Sinn des § 37 AVG noch eines Verbesserungsverfahrens. Kann diese Frage nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ist die Behörde verpflichtet, sich über die Zurechnung der Prozesshandlung Klarheit zu verschaffen (vgl ).

15 Die zweitbeschwerdeführende Partei wurde im Beschwerdeschriftsatz ausschließlich mit der Firmenbezeichnung der revisionswerbenden Partei ohne den Zusatz "Zweigniederlassung Österreich" angegeben. Aufgrund dessen ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Beschwerde von der revisionswerbenden Partei und nicht von deren Zweigniederlassung eingebracht wurde. Allein aus dem Umstand, dass neben der Firmenbezeichnung der revisionswerbenden Partei nicht deren Geschäftsanschrift in Großbritannien, sondern jene der Zweigniederlassung in D angegeben war, kann nicht geschlossen werden, dass die Beschwerde namens der nicht parteifähigen Zweigniederlassung erhoben wurde. Es liegen auch sonst keine weiteren Hinweise auf ein Einschreiten ausschließlich der Zweigniederlassung vor.

16 Indem das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg dies verkannte und die der als Eigentümerin der beschlagnahmten Glücksspielgeräte gegen den Beschlagnahmebescheid rechtsmittellegitimierten revisionswerbenden Partei zuzuordnende Beschwerde zurückwies, belastete es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

17 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Im fortzusetzenden Verfahren wird das Landesverwaltungsgericht über die Beschwerde unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben.

19 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016170281.L00
Schlagworte:
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

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