VwGH vom 19.12.2012, 2009/22/0357
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 316.597/11- III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am bei der Österreichischen Botschaft Skopje eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Republik Kosovo, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels als Angehöriger seines die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Wahlvaters gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom die Adoption des Beschwerdeführers durch seinen Wahlvater, einen österreichischen Staatsbürger, bewilligt worden sei. Der Beschwerdeführer sei am nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der am rechtskräftig gemäß §§ 7 und 8 AsylG abgewiesen worden sei. Sein am gestellter Antrag (auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung) aus humanitären Gründen sei im Instanzenzug gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen worden, die dagegen eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei als gegenstandslos eingestellt worden. Am sei er freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist.
Der Beschwerdeführer sei auf die Unterstützung seines Wahlvaters nicht angewiesen gewesen, weil er selbst Geld verdient habe - dies habe er selbst in seiner Berufung angegeben. Er habe auch nicht mit seinem Wahlvater im Herkunftsstaat zusammengewohnt. Dieser sei seit mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Mit Schreiben vom 12. Februar habe der Wahlvater der erstinstanzlichen Behörde mitgeteilt, dass er, seit der Beschwerdeführer wieder im Kosovo leben würde, diesen monatlich unterstütze. Dies sei lediglich behauptet und nicht durch Beweise bekräftigt worden. Auch habe der Wahlvater am eine "eidesstattliche Erklärung" vorgelegt, in der er angebe, "seine Familie von 1994 bis 2003 finanziell unterstützt zu haben". Der Beschwerdeführer sei aber erst Ende November 2003 an Kindes statt angenommen worden. Ferner habe er unter Vorlage eines Vorvertrages angegeben, er werde, sobald er in Österreich sei, als Maler arbeiten. Ausgehend von den vorliegenden Unterlagen sei keiner der in § 47 Abs. 3 Z 3 NAG genannten Tatbestände erfüllt; es fehle daher an besonderen Erteilungsvoraussetzungen. Auf familiäre und private Interessen sei in diesem Fall nicht Bedacht zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorweg ist anzumerken, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2009 zur Anwendung gelangt.
§ 47 Abs. 3 NAG lautet:
"(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;
2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder
3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,
a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;
b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.
Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben."
Der Beschwerdeführer verweist in der Beschwerde unter anderem auf sein bereits im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen, wonach er derzeit in seinem Herkunftsstaat weile und von seinem Wahlvater monatliche Unterstützungsleistungen in der Höhe von EUR 250,-- erhalte.
Schon dies führt die Beschwerde zum Erfolg.
Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung der behördlichen Entscheidung nicht in Österreich, sondern in seinem Herkunftsland aufhält, bei der Beurteilung nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG hinsichtlich der Unterhaltsleistungen im Herkunftsstaat jener Sachverhalt maßgeblich ist, wie er sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides präsentierte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0217).
Die belangte Behörde vermeinte nun, sie dürfe die schriftliche Mitteilung des Wahlvaters vom , in der er seine (konkretisierte) monatliche Unterhaltsleistung an den im Kosovo befindlichen Beschwerdeführer bestätigte, ohne weiteres unberücksichtigt lassen, weil diese "nicht durch Beweise bekräftigt" worden sei - auf welche ihrer Ansicht nach nicht erbrachten Beweise die belangte Behörde Bezug nimmt, bleibt mangels weiterer Ausführungen dazu im Unklaren. In diesem Zusammenhang hat aber der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass das Unterbleiben der Vorlage (im Übrigen nicht weiter abverlangter) schriftlicher Urkunden allein den Schluss, es liege entgegen dem Vorbringen kein Unterhaltsbezug durch den Zusammenführenden vor, nicht in gesetzeskonformer Weise zu tragen vermag (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl, 2009/21/0277, mwH). Bei Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Erklärung des in Österreich lebenden Wahlvaters wäre es der belangten Behörde etwa auch offen gestanden, diesen als Zeugen zu befragen oder befragen zu lassen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0281, mwH).
Dass die Unterstützungsleistungen des Wahlvaters an den zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder im Kosovo aufhältigen und nach den Angaben im Verwaltungsverfahren dort arbeitslosen Beschwerdeführer etwa nicht als Unterhalt anzusehen wären, hat sie dagegen nicht festgestellt.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme der belangten Behörde, im vorliegenden Fall sei die Tatbestandsvoraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG nicht erfüllt, als nicht nachvollziehbar begründet.
Im Hinblick auf das fortzusetzende Verfahren sind folgende Anmerkungen geboten:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0217, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber bei der Familienzusammenführung nach § 47 Abs. 3 NAG in erster Linie jene Angehörige im Blick hatte, die während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen sind.
Die vom Beschwerdeführer angestrebte Niederlassungsbewilligung würde gemäß § 8 Abs. 2 Z 5 NAG die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zulassen, eine solche wäre nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt.
Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge einen Arbeitsvorvertrag als Maler vorgelegt hat, liegt die Annahme nahe, dass er beabsichtigt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und somit nicht primär eine Familienzusammenführung, sondern die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anstrebt. Insoweit wird die belangte Behörde die Ermittlungen zu ergänzen und allenfalls nach § 23 Abs. 1 NAG vorzugehen haben.
Da der angefochtene Bescheid schon nach dem oben Gesagten an einer - vorrangig wahrzunehmenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes leidet, war er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-70856