VwGH vom 20.03.2014, 2012/08/0014

VwGH vom 20.03.2014, 2012/08/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der K GmbH Co KG in S, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Christian Kieberger, Rechtsanwälte in 4320 Perg, Linzer Straße 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-948/1570-2011, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde der Beschwerdeführerin ein Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG in Höhe von EUR 1.800,-- vorgeschrieben. Im Rahmen einer am erfolgten Betretung durch das Finanzamt A/Team KIAB sei festgestellt worden, dass für zwei, im Bescheid näher genannte Personen (K.D. und F.S.) keine Anmeldungen vor Arbeitsantritt erstattet worden seien, weshalb EUR 1.000,-- Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung und EUR 800,-- Teilbetrag für den Prüfeinsatz vorzuschreiben gewesen seien.

In ihrem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vom brachte die Beschwerdeführerin vor, K.D. sei zu keinem Zeitpunkt bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen. Dieser sei allein aus Eigeninteresse vor Ort auf der Baustelle gewesen. Bezüglich des Antreffens des F.S. werde mitgeteilt, dass dieser nur geringfügig bei der Beschwerdeführerin beschäftigt sei. Er habe am drei Stunden gearbeitet und es sei dies der einzige Arbeitstag des FS in dieser Woche gewesen.

Zum Beweis des gesamten Vorbringens beantragte die Beschwerdeführerin die Einvernahme ihres Geschäftsführers, sowie die Einvernahme der Prokuristin, des K.D. sowie dessen Vater Kr.D. und legte bereits im Einspruch schriftliche Stellungnahmen dieser beantragten Personen vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch insofern Folge gegeben, als der Beitragszuschlag auf EUR 1.300,-- herabgesetzt wurde.

Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens unter Anführung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, K.D. sei im Zuge der Betretung dabei beobachtet worden, wie er Bauschutt des Gebäudes sortiert und in bereitgestellte Container gebracht habe. Im Zuge der Kontrolle habe K.D. im Personenblatt bekanntgegeben, dass er seit als Ferialpraktikant für die Beschwerdeführerin tätig sei. Er arbeite neun Stunden pro Tag und erhalte für diese Tätigkeit einen Stundenlohn von EUR 900,--. In den Stellungnahmen seien von K.D., Kr.D. und dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei die gleichen Aussagen getätigt worden, was sie auf Grund ihrer Herstellung zwecks Einbringung eines Rechtsmittels nicht sonderlich glaubwürdig mache. Dass die Gemeinde S den Bürgern ein solches Angebot (Anmerkung: selbständige Wegbringung von Abbruchsmaterial) unterbreitet habe, sei durchaus denkbar und stehe hier außer Frage. Jedoch sei auf Grund der Beweislage für die Einspruchsbehörde nicht nachvollziehbar, dass sich K.D. aus privaten Gründen auf der Baustelle aufgehalten habe, sondern es sei davon auszugehen, dass er für die Beschwerdeführerin als Ferialarbeiter und damit als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG tätig geworden sei.

Beweiswürdigend ging die belangte Behörde davon aus, dass K.D. bei der Betretung selbst angegeben habe, als Ferialarbeiter zu arbeiten. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Angaben von Personen zum Sachverhalt, die in einem zeitlich eng begrenzten Rahmen der Betretung gemacht würden, der Realität und Wahrheit am nächsten kämen. Außer den Angaben der Einspruchswerberin sowie der von ihr veranlassten Aussagen deute in Wirklichkeit nichts darauf hin, dass K.D. sich lediglich zum Ausbau von Fenstern im Eigeninteresse und nicht im Interesse der Einspruchswerberin, die dort Abbruchsarbeiten durchgeführt habe, auf der Baustelle aufgehalten habe. Auch die Tatsache, dass K.D. im Personenblatt angegeben habe, nach geleisteten Arbeitsstunden entlohnt zu werden, stelle außerdem ein wichtiges Indiz für eine unselbständige Tätigkeit dar, da der vereinbarte Stundenlohn grundsätzlich für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses spreche.

Bezüglich F.S. verhalte es sich so, dass dieser im Rahmen einer schriftlich aufgetragenen Stellungnahme durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse angegeben habe, dass seine Aussage gegenüber den Organen der Finanzpolizei zum Zeitpunkt der Betretung bezüglich der Vollbeschäftigung nicht korrekt gewesen sei. Er sei lediglich geringfügig beschäftigt in einem Ausmaß von drei Stunden pro Woche tätig geworden. Da F.S. daher nicht vollbeschäftigt und zum Zeitpunkt der Betretung korrekt zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sei, sei die Vorschreibung des ihn betreffenden Teilbetrages für die gesonderte Bearbeitung in der Höhe von EUR 500,-- schon aus diesem Grunde rechtswidrig, weshalb dieser Teilbetrag zu entfallen habe. Dass K.D. vor Arbeitsantritt nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sei, sei unstrittig.

Zur Höhe des Zuschlages führte die belangte Behörde aus, der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung belaufe sich auf EUR 500,--, für den Prüfeinsatz belaufe sich der Teilbetrag auf EUR 800,--. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen könne der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und jener für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,-- herabgesetzt werden. Während der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung hinsichtlich des F.S. zu entfallen habe, habe es keinen Anlass gegeben, die gleiche Reduktion hinsichtlich K.D. vorzunehmen, da dieser nicht nachträglich zur Sozialversicherung gemeldet worden sei und durch die Vorlage unzutreffender Bestätigungen im Einspruch weiterer Verwaltungsaufwand für die Kasse entstanden sei. Von unbedeutenden Folgen sei somit nicht auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Darüber hinaus regte sie die Verhängung einer Ordnungsstrafe über die Beschwerdeführerin an. Auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Versicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wenn er einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; dazu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei den gegenständlichen Arbeiten der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0365, mwN).

2. Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde vom Bestehen eines Dienstverhältnisses zwischen K.D. und der Beschwerdeführerin aus, das nicht vor Arbeitsantritt gemeldet worden war. Das Bestehen eines Dienstverhältnisses war im Einspruchsverfahren von der Beschwerdeführerin jedoch bestritten worden. Darin hatte sie ausgeführt, dass K.D. aus Eigeninteresse auf der Baustelle tätig gewesen sei und kein Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin bestanden habe.

Die Dienstnehmereigenschaft des K.D. leitete die belangte Behörde ausschließlich daraus ab, dass er im Zuge der Betretung im Personalblatt angegeben habe, als Ferialarbeiter für die Beschwerdeführerin mit einem Stundenlohn von EUR 9,-- tätig gewesen zu sein und die Angaben in den Stellungnahmen unglaubwürdig seien.

3. Gemäß § 56 AVG hat die Erlassung eines Bescheides in der Regel die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 60 AVG unter E 19 angeführten hg. Erkenntnisse). Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0078).

Weder aus der Begründung des angefochtenen Bescheides noch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt geht hervor, dass die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren geführt hat. Es ist weiters nicht ersichtlich, inwiefern sich die belangte Behörde mit dem konkreten Einwendungen der Beschwerdeführerin, wonach K.D. im Eigeninteresse auf der Baustelle tätig gewesen sei, auseinander gesetzt hat. Dazu finden sich keine Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Die Bescheidbegründung stützt sich ausschließlich auf die Angaben des D.K. im Rahmen seiner Betretung im Personalblatt, unterlässt aber jegliche Feststellungen, die eine Beurteilung als Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin nur ansatzweise erlauben würden. Die Beurteilung der belangten Behörde resultiert somit ausschließlich aus der von ihr angenommenen Unglaubwürdigkeit der Stellungnahmen und einzig auf die Angaben von K.D., die dieser aber in seiner im Akt erliegenden Stellungnahme zurückgenommen hat.

Die Beschwerdeführerin hatte nicht nur die Stellungnahmen mit dem Einspruch vorgelegt, sondern auch die Einvernahme des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, des betretenen K.D., der Prokuristin des Unternehmens als auch des Vaters von K.D. beantragt, insbesondere zum Beweis dafür, dass K.D. allein aus Eigeninteresse vor Ort auf der Baustelle gewesen sei. Im Bescheid findet sich keine Begründung, weshalb diesen Beweisanträgen nicht nachgekommen worden ist. Die Bescheidausführungen, wonach die Stellungnahmen unglaubwürdig seien, stellt in Anbetracht dessen, dass eine Konfrontierung dieser Stellungnahmen im Rahmen einer Einvernahme mit den Zeugen unterblieben ist, eine vorgreifende Beweiswürdigung dar.

Die belangte Behörde hätte sich somit näher mit dem Einwand des Tätigwerdens des K.D. aus Eigeninteresse auf der Baustelle auseinandersetzen gehabt und eine Zuordnung zum Betrieb der Beschwerdeführerin aufzeigen müssen, um von einem Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ausgehen zu können.

4. Auf Grund der mangelhaften Bescheidbegründung ist der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehindert. Diese war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

5. Hinsichtlich der Anregung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auf Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen die Beschwerdeführerin war Folgendes zu erwägen:

Gemäß § 34 Abs. 2 AVG sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis EUR 726,-

- verhängt werden.

Gemäß § 34 Abs. 3 AVG können die gleichen Ordnungsstrafen von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Eine beleidigende Schreibweise liegt vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in der Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfes ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0133, mwN).

Nachdem die vorliegende Beschwerde diese Grenze nicht überschritten hat, war von der Verhängung einer Ordnungsstrafe Abstand zu nehmen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH - Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am