Suchen Hilfe
VwGH vom 23.03.2010, 2007/18/0625

VwGH vom 23.03.2010, 2007/18/0625

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des B K in A, geboren 1975, vertreten durch Mag. Georg Julius Tusek, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Stadtplatz 28/Hof, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 103/07, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 und §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot für das Bundesgebiet erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am illegal von Ungarn kommend zu Fuß in Österreich eingereist und am von der Polizei angehalten und festgenommen worden. Am selben Tag habe er beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht. Er sei im Besitz einer Aufenthaltsberechtigungskarte nach dem Asylgesetz 1997 - AsylG. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom sei sein Asylantrag gemäß § 7 leg. cit. abgewiesen worden. Gleichzeitig sei die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 leg. cit. festgestellt und seine Ausweisung dorthin verfügt worden. Die Rechtsmittelfrist sei noch nicht verstrichen.

Am sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachts des Mordversuches festgenommen worden. Das Landesgericht Linz habe ihn am gemäß § 87 Abs. 1 und § 15 StGB wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung und des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten absichtlichen schweren Körperverletzung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er in der Nacht vom 18. auf den in Linz dem M. durch Versetzen von drei Stichen mit einem Taschenmesser, denen dieser jeweils habe ausweichen können, absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht habe und dem A. durch Versetzen von drei Stichen mit einem Taschenmesser, wobei ein Stich eine Verletzung im Nahbereich des linken Schulterblattes mit Pneumothorax unterhalb des Brustraumes links mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt habe und es hinsichtlich der beiden weiteren Stiche beim Versuch geblieben sei, absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt habe. Der Beschwerdeführer befinde sich in Strafhaft. Das Strafende (Haftentlassung) sei mit errechnet worden.

Vor seiner Festnahme sei er in der Grundversorgung untergebracht gewesen. In Österreich sei er nirgends polizeilich gemeldet und keiner Beschäftigung nachgegangen. Im Bundesgebiet habe er außer einer Lebensgefährtin keine Angehörigen. Der Asylantrag seiner Lebensgefährtin sei ebenfalls abgewiesen worden. Er verfüge über keine finanziellen Mittel und führe lediglich einen ungültigen Reisepass und einen "UNMIK-Personalausweis" mit.

Der Tatbestand gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei auf Grund der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers erfüllt. In der schwerwiegenden Straftat des Beschwerdeführers manifestiere sich ein ausgeprägtes Aggressionspotenzial, woraus der Schluss zu ziehen sei, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nach rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig gefährde.

Die Erlassung des Rückkehrverbotes sei gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, habe der Beschwerdeführer doch schwerwiegende, gegen die körperliche Integrität anderer gerichtete Verbrechen begangen und sohin ein Charakterbild offenbart, welches von einer erheblichen Gewaltbereitschaft und einer geringen Hemmschwelle geprägt sei. An dieser Beurteilung könne auch sein Hinweis, dass er vor der Tat unbescholten gewesen wäre und es sich um einen einmaligen Fehler bzw. eine Kurzschlusstat gehandelt hätte, nichts ändern. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Verhaltensprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkung dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Rückkehrverbot auch gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Von der Ermessensbestimmung des § 62 Abs. 1 FPG sei Gebrauch zu machen gewesen, weil das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Fehlverhalten die von ihm geltend gemachte Integration überwiege und keine besonderen Umstände für eine Ermessensübung zu seinen Gunsten ersehen werden könnten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet die - unbekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Nach diesen Feststellungen hat der Beschwerdeführer - wie oben (I. 1.) dargestellt - in der Nacht vom 18. auf den versucht, zwei Personen durch Versetzen von Stichen mit einem Taschenmesser jeweils absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen, und hiebei eine der beiden Personen auch tatsächlich am Körper schwer verletzt.

Im Hinblick auf dieses massive Gesamtfehlverhalten und die sich daraus ergebende Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig gefährde und die in § 62 Abs. 1 (Z. 1) FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Auch lag dieses strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, um von einem Wegfall oder auch nur einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr ausgehen zu können, zumal die Zeit, die der Beschwerdeführer in Haft verbracht hat, bei der Beurteilung des behaupteten Wohlverhaltens außer Betracht zu lassen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0271, mwN). Die bloße Behauptung, dass sich die Einstellung des Beschwerdeführers zur Tat durch das verspürte Haftübel geändert habe und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass er keine weiteren Straftaten begehen werde, wobei es sich bei dem Vorfall um einen einmaligen Fehler und eine Kurzschlusstat gehandelt habe, bietet keine Gewähr für ein zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers und ist nicht geeignet, die im angefochtenen Bescheid getroffene Verhaltensprognose zu erschüttern. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die belangte Behörde sich darüber hätte informieren müssen, wie der Beschwerdeführer im Nachhinein zur Tat stehe, und auch "die positiven" Beweise hätte aufnehmen müssen, so zeigt sie mit diesem Vorbringen schon mangels Darlegung der Relevanz und auch mangels Konkretisierung der Beweismittel keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

2. Bei der Interessenabwägung nach § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den etwa eineinhalbjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Rückkehrverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Ebenso zutreffend hat sie jedoch die Auffassung vertreten, dass in Anbetracht des massiven strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner sich darin manifestierenden Gewaltbereitschaft die Erlassung dieser Maßnahme gegen ihn dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei. Diesem großen öffentlichen Interesse an der Erlassung des Rückkehrverbotes (Verhinderung strafbarer Handlungen und Schutz der körperlichen Integrität anderer) stehen seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gegenüber. Der Beschwerdeführer hat außer seiner Lebensgefährtin im Bundesgebiet keine Angehörigen. Die Auffassung der belangten Behörde, dass den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet kein größeres Gewicht zukomme als dem gegenläufigen öffentlichen Interesse, sodass die Erlassung des Rückkehrverbotes auch gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei, kann nicht beanstandet werden.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er bei einer Rückkehr in den Kosovo eine lebensbedrohliche Situation zu befürchten habe, so zeigt er auch damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG - abgesehen davon, dass mit der Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde (in einen bestimmten Staat) auszureisen habe - nicht in einem Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes, sondern im asylrechtlichen Verfahren (oder nach Erlassung einer Ausweisung in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG) zu beurteilen ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0477, mwN).

3. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass das Rückkehrverbot gemäß § 62 Abs. 5 FPG auf den Bezirk Rohrbach hätte beschränkt werden müssen, so ist nicht ersichtlich, inwieweit der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer dadurch, dass keine Beschränkung seines Aufenthaltes auf einen bestimmten Bereich des Bundesgebietes aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorgenommen wurde, in subjektiven Rechten beeinträchtigt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0452).

4. Ferner kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass ein Wegfall dieses maßgeblichen Grundes vor Ablauf der festgesetzten Gültigkeitsdauer zu erwarten sei.

5. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, haben sich doch keine besonderen Umstände ergeben, die eine Ermessensübung nach § 62 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-70776