VwGH vom 28.05.2015, 2012/07/0283
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der S GmbH in G am K, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in 6380 St. Johann in Tirol, Mag. Ed. Angerer-Weg 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. U-30.346/3, betreffend Anordnung der Ersatzvornahme i.A. eines abfallwirtschaftsrechtlichen Sanierungsauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom trug die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (in der Folge: BH) u.a. der beschwerdeführenden Partei gemäß § 62 Abs. 3 AWG 2002 die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zur Stabilisierung eines abgerutschten Hanges auf einem bestimmten Grundstück im Sinn eines näher genannten Sanierungsprojektes ("Technischer Bericht Sanierung Hangrutschung G. ...") einschließlich genau bezeichneter Beilagen und Planunterlagen auf.
Dieses Sanierungskonzept umfasste im Wesentlichen die folgenden Maßnahmen:
1. Verflachung der Böschung bzw. Abtrag der treibenden Böschungskrone mit Herstellung einer endgültigen Geländeneigung von 1:2,2 bis 1:2,5;
2. Herstellen von Drainage- und Stützrippen aus scherfestem Felsbruch, um einerseits die Wässer aus der stauenden Schluffschicht abzuleiten und andererseits die Schluffschicht oberflächennah zu entwässern und die Scherfestigkeit an der Oberfläche anzuheben;
3. Abdecken der Schluffschicht durch kiesiges, durchlässiges Material um Oberflächenerosion zu verhindern. Die Filterstabilität zwischen der Kies- und der Schluffschicht sei durch ein dünnes Vlies zu gewährleisten. Weiters sei die fertig gestellte Oberfläche unverzüglich mit einer Humusschicht (Stärke 30 cm) zu versehen und zu begrünen;
4. Errichtung eines Steinfußes am Fuß der Böschung, um die Stützkräfte aus den Drainagerippen verteilen und Oberflächen- sowie Drainagewässer im Schutze dieses Steinfußes bergseitig fangen und in bestehende Straßenentwässerung ableiten zu können. Dazu sei bergseitig des Steinfußes eine Drainageleitung DN 200 anzuordnen und in die bestehende Entwässerungsanlage einzubinden;
5. Zusätzlich zu den technischen Maßnahmen sei aus forstfachlicher Sicht eine Aufforstung wie folgt durchzuführen:
Aufforstung des sanierten Hanges mit 500 Stück Grauerle, 500 Stück Weiden (Reifweide, Purpurweide u.ä.), 700 diversen Weidenstecklingen und 50 Stück Traubenkirsche.
Die Umsetzung dieser Sanierungsmaßnahmen schrieb die BH der beschwerdeführenden Partei bis längstens vor.
Unter Spruchpunkt II. des Bescheides vom wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2. Mit Verfahrensanordnung vom teilte die BH (u.a.) der beschwerdeführenden Partei mit, dass mit den Sanierungsmaßnahmen laut Bescheid vom bisher nicht begonnen worden sei, und setzte zur Erbringung der vorgeschriebenen Leistung eine Frist von einer Woche, gerechnet ab Zustellung des Schreibens (welche am erfolgte).
Die beschwerdeführende Partei erhob gegen den Bescheid vom Berufung.
3. Nach einem Aktenvermerk der BH vom war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit den Sanierungsmaßnahmen begonnen worden.
Daraufhin ordnete die BH mit Bescheid vom selben Tag gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG die mit Verfahrensanordnung vom angedrohte Ersatzvornahme gegenüber (u.a.) der beschwerdeführenden Partei an.
4. Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (im Folgenden: UVS) vom wurde aufgrund der Berufung der beschwerdeführenden Partei der Bescheid der BH vom aufgehoben, soweit er die Verpflichtung der beschwerdeführenden Partei zur Erfüllung der Sanierungsmaßnahmen aussprach.
Mit Schriftsatz vom berief die beschwerdeführende Partei gegen den Bescheid der BH vom und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass infolge des Berufungsbescheides des UVS vom kein Titelbescheid mehr vorliege, weshalb die Vollstreckung unzulässig sei.
Der genannte Bescheid des UVS vom wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2011/07/0235, 2011/07/0246, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Tirol die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der BH vom gemäß § 10 Abs. 1 und 2 VVG als unbegründet ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sie habe als Rechtsmittelbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden; dies gelte auch für das Vollstreckungsverfahren (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0205).
Der Bescheid der BH vom (mit dem die gegenständlichen Sanierungsmaßnahmen aufgetragen worden waren) sei nach der Rechts- und Sachlage bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vollstreckbar:
Einerseits sei unter Spruchpunkt II. jenes Bescheides die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Berufung ausgeschlossen worden; andererseits sei jener Titelbescheid - nach Aufhebung des Berufungsbescheides des UVS vom durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom - wiederum existent. Damit liege - entgegen dem Vorbringen in der Berufung - ein gegenüber der beschwerdeführenden Partei als der Verpflichteten wirksamer Titelbescheid vor. Der von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte Berufungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG liege somit nicht vor, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen sei.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 - VVG, BGBl. Nr. 53/1991 idF BGBl. I Nr. 50/2012, lauten wie folgt:
" a) Ersatzvornahme
§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.
(...)
Verfahren
§ 10. (1) (...)
(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn
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1. | die Vollstreckung unzulässig ist oder |
2. | die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder |
3. | die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen." |
3. | Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid der BH vom nach § 62 Abs. 3 AWG 2002 bestimmte Sanierungsmaßnahmen aufgetragen wurden, mit demselben Bescheid einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt wurde und dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der angeführte Bescheid vom - nachdem der aufhebende Berufungsbescheid des UVS vom mit hg. Erkenntnis vom mit ex tunc- Wirkung aufgehoben worden war (vgl. § 42 Abs. 3 VwGG) - wieder dem Rechtsbestand angehörte. |
Die Auffassung der belangten Behörde, dass - entgegen der in der Berufung der beschwerdeführenden Partei vertretenen Auffassung - ein gegenüber der beschwerdeführenden Partei als der Verpflichteten wirksamer Titelbescheid vorliege, ist daher nicht zu beanstanden (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Vollstreckung nach dem VVG aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0235, mwN). | |
4. | Soweit sich die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG (durch den Bescheid der BH vom ) wendet, ist dies zur Bekämpfung des vorliegend angefochtenen Bescheides von vornherein untauglich, sind doch - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - nach der hg. Rechtsprechung Einwendungen gegen den den Exekutionstitel bildenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ausgeschlossen (vgl. etwa die Nachweise bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze II2 E 42 ff zu § 10 VVG). Die belangte Behörde ist zutreffend von dem tatsächlich erfolgten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Bescheid der BH vom ausgegangen. |
Das Vorbringen, bei einer Verhandlung am sei ein die Vollstreckung unzulässig machender verfahrensrechtlicher Bescheid erlassen worden, geht schon angesichts des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides (mit ) ins Leere. | |
Das ferner in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, dass eine Pflanzung von Bäumen "während der derzeitigen Wintermonate auch faktisch gar nicht möglich" sei, kann im gegenständlichen Verfahren nach § 4 VVG nicht eingewendet werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/05/0111, mwN). | |
5. | Im Weiteren behauptet die Beschwerde, der Bescheid vom sei als Titelbescheid der vorliegend angeordneten Ersatzvornahme nach § 4 VVG so unbestimmt, dass er nicht vollstreckt werden könne, weil er (lediglich) auf den (näher bezeichneten) "Technischen Bericht Sanierung Hangrutschung G." |
verweise. In diesem Zusammenhang bestreitet die Beschwerde allerdings nicht die eingangs wiedergegebenen behördlichen Feststellungen zu den wesentlichen von jenem Sanierungskonzept umfassten Maßnahmen. | |
Im Gegensatz zu der in der Beschwerde offenbar vertretenen Auffassung sind nach ständiger hg. Rechtsprechung Verweise im Bescheid auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke oder Pläne zur näheren Bestimmung des Inhaltes des Leistungsbefehls durchaus zulässig (vgl. etwa die Nachweise bei | Hengstschläger/Leeb , AVG § 59 Rz 94 ff). Eine Unzulässigkeit der vorliegend angeordneten Ersatzvornahme nach § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG kommt daher auch nicht etwa wegen mangelnder Bestimmtheit des Titelbescheides in Betracht. |
6. | Soweit die Beschwerde schließlich in der Verfahrensrüge ausführt, die belangte Behörde habe im Rahmen der zulässigen Berufungsgründe keine ausreichenden amtswegigen Sachverhaltsermittlungen vorgenommen, legt die beschwerdeführende Partei nicht konkret dar, zu welchen Feststellungen weitere Erhebungen geführt hätten; insoweit wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels von der beschwerdeführenden Partei nicht dargetan. |
Eine Verletzung des Rechtes der beschwerdeführenden Partei auf Parteiengehör dadurch, dass die belangte Behörde diese nicht von der Erlassung des hg. Erkenntnisses vom verständigt habe, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das genannte Erkenntnis an die hier beschwerdeführende Partei (als in jenem Verfahren mitbeteiligte Partei) am nachweislich zugestellt wurde. Es wäre der beschwerdeführenden Partei somit möglich gewesen, nach diesem Zeitpunkt bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vom weiteres Vorbringen zu erstatten. | |
7. | Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. |
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
RAAAE-70767