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VwGH vom 26.11.2015, 2012/07/0282

VwGH vom 26.11.2015, 2012/07/0282

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Beschwerde der G AG in E, vertreten durch Mag. Alexander Rimser, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Hermann-Bahr-Straße 18/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. WA1-W-42822/003-2012, betreffend Maßnahmen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft B (BH) verpflichtete die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 hinsichtlich des Horizontalfilterbrunnens (HFBr3) des Wasserleitungsverbandes P-E, nachstehende Maßnahmen durchzuführen:

"1. Der HFBr3 des WLV P-E ist monatlich auf nachfolgende Pestizid-Parameter zu untersuchen:

Bromoxynil, Carbendazin, Clomazon, Clopyralid, Terbuthylazindesethyl, Difenoconazol, Diflufenican, Diuron, Fluazifop, Fluazinarn, Fluoroxipyr, Flurchloridon, Flutriafol, Imidacloprid, Isoproturon, Metazachlor, Metsulfuron-methyl, Napropamid, Nicosulfuron, Prochloraz, Propiconazol, Quizalofop, Rimsulfuron, Simazin, Tebuconazol, Terbuthylazin, Thifensulfuron-methyl und Triflusulfuron-methyl

2. Alle Wasseruntersuchungen im Rahmen des Beweissicherungsprogramms beim HFBr3 sind von einem gemäß LMSVG akkreditierten Labor durchzuführen. Die beauftragte akkreditierte Prüf- und Überwachungsstelle muss weiters über ein akkreditiertes Probenahmeverfahren verfügen und die Untersuchungen auf die erforderlichen Pestizidparameter sind mittels einer akkreditierten LC-MS/MS-Methode zu bestimmen.

3. Kopien der Befunde und Gutachten über die durchgeführten Untersuchungen sind unverzüglich an die Wasserrechtsbehörde der Bezirkshauptmannschaft W, die Wasserrechtsbehörde der Bezirkshauptmannschaft B, die Gesundheitsabteilung der Bezirkshauptmannschaft W, die Gesundheitsabteilung der Bezirkshauptmannschaft B und die Abteilung Umwelthygiene beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und an den Wasserleitungsverband P-E weiterzuleiten.

Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wird ausgeschlossen, d. h. der Bescheid kann trotz einer Berufung vollstreckt werden."

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde.

Die belangte Behörde holte dazu eine gutachterliche Stellungnahme des Amtssachverständigen für Chemie, Abteilung Umwelthygiene, vom ein.

Dieses Gutachten wurde von der belangten Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht.

Dazu nahm die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom Stellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom entschied die belangte Behörde über die Berufung der Beschwerdeführerin wie folgt:

"I. Die Berufung gegen die mit Bescheid der ...(BH)... vom ... vorgeschriebenen Maßnahme 1 wird abgewiesen.

II. Der Berufung gegen Punkt 2 des genannten Bescheides wird nicht stattgegeben, jedoch Punkt 2 dahingehend abgeändert, dass er lautet:

Die Wasseruntersuchungen beim HFBr. 3 des Wasserleitungsverbandes P-E sind von einem gemäß LMSVG akkreditieren Labor durchzuführen. Die Probenentnahme und die Untersuchungen des Wassers sind entweder von der Agentur gemäß § 65 LMSVG, einer Landesuntersuchungsanstalt gemäß § 72 LMSVG oder von einer gemäß § 73 LMSVG hierzu berechtigten Person durchführen zu lassen. Die beauftragte akkreditierte Prüf- und Inspektionsstelle muss über akkreditiertes Probenentnahmeverfahren verfügen und die Untersuchungen auf die oben angeführten Pestizidparameter sind mittels einer akkreditierten LC-MS/MS-Methode zu bestimmen.

III. Der Berufung gegen Punkt 3 des genannten Bescheides wird teilweise stattgegeben und dieser Punkt dahingehend abgeändert, dass er nun lautet:

Die Kopien der Befunde und Gutachten über die durchgeführten Untersuchungen sind unverzüglich an die Bezirkshauptmannschaften ... vorzulegen.

IV. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird abgewiesen."

Begründend hält die belangte Behörde zunächst zu Spruchteil 1 fest, dass es im gegenständlichen Fall nicht darum gehe, ob überhaupt eine Grundwasserverunreinigung gegeben sei, sondern um die nach wie vor mögliche Ausbreitung einer bereits eingetretenen und nachgewiesenen Grundwasserverunreinigung.

Die Beschwerdeführerin führe zutreffenderweise aus, dass die Erforderlichkeit ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 31 Abs. 3 WRG 1959 darstelle. In der Folge gehe sie in ihrer Berufung davon aus, dass alle Kontaminationsquellen mittlerweile beseitigt seien, kein Eintrag von Pestiziden in das Grundwasser mehr erfolgen könne und eine Gefahr einer weiteren Ausdehnung nicht mehr bestehe, ja "undenkbar" sei. Aus diesem Grund seien die mit dem Bescheid der BH vorgeschriebenen Wasseruntersuchungen nicht mehr erforderlich.

Diese Annahmen bzw. Behauptungen seien jedoch unzutreffend. Einerseits seien nämlich noch nicht einmal alle Erkundungsmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Beschwerdeführerin abgeschlossen und andererseits könne es durch die Verlagerung der Kontaminationsfahne nach wie vor zu einer Verunreinigung des gegenständlichen Trinkwasserbrunnens durch Pestizide kommen. Wie der Amtssachverständige für Chemie, Abteilung Umwelthygiene, in seiner gutachtlichen Stellungnahme ausführe, liege der gegenständliche Trinkwasserbrunnen nur knapp außerhalb der Grundwasserkontaminationsfahne und könnten Veränderungen im Grundwasserkörper (etwa bei steigendem Grundwasserspiegel und sich daraus ergebenden Verdriftungen und seitlichen Ausdünnungen) trotz der zuletzt stabilen Kontaminationsfahne nach wie vor zu einer Verunreinigung des Trinkwasserbrunnens führen. Die Ausbreitung der Grundwasserverunreinigung sei daher keinesfalls "undenkbar". Darin sei vielmehr durchaus noch eine konkrete Gefahr für eine (weitere) Gewässerverunreinigung, die die vorgeschriebenen Maßnahmen erforderlich machten, um gegebenenfalls rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Trinkwasserbezieher treffen zu können, zu sehen.

Abgesehen davon, dass es sich bei der vorgeschriebenen Maßnahme nicht um eine Erkundungsmaßnahme, sondern um eine Schutzmaßnahme handle, würde die Untersuchung des Trinkwasserbrunnens nicht vorgeschrieben, um die Verschiebung der Kontaminationsfahne als solche feststellen zu können, sondern zum Schutz des Trinkwasserbrunnens, um im Fall der Verschiebung rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zu dessen Schutz und der aus ihm mit Wasser versorgten Bevölkerung treffen zu können. Zu diesem Zweck sei auch die Vorschreibung von Wasseruntersuchungen zulässig.

Dem Vorhalt, dass dem Bescheid überholte Stellungnahmen der Amtssachverständigen zugrunde lägen, sei entgegen zu halten, dass sich innerhalb weniger Wochen oder Monate hinsichtlich einer möglichen Ausbreitung der Grundwasserverunreinigung nichts geändert habe. Das Grundwasser sei nach wie vor kontaminiert. Dies belegten auch sämtliche durchgeführten Untersuchungen, aus denen zwar insgesamt (trotz teils schwankender Werte) ein Abnehmen der Pestizidbelastung - nicht zuletzt durch die funktionierenden Aktivkohlefilteranlagen - erkennbar sei, eine vollständige Sanierung sei jedoch noch keinesfalls gegeben. Bezüglich der vollständigen Sanierung werde auch auf den vor kurzem an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem die erforderlichen Maßnahmen im Verwaltungsbezirk W vorgeschrieben worden seien, hingewiesen. Die belangte Behörde könne auch nicht erkennen, dass sich seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides diese Sachlage geändert habe.

Worin die beschwerdeführende Partei einen Widerspruch in den Gutachten der Amtssachverständigen erkenne, werde nicht näher ausgeführt. Dieses Beschwerdevorbringen dürfte ungeprüft von der Berufung gegen den Bescheid der BH übernommen worden sein, wofür spreche, dass dem angefochtenen Bescheid nur ein Gutachten des Amtssachverständigen zugrunde gelegt und mit dem gegenständlichen Bescheid gar keine Sonden vorgeschrieben worden seien.

Zum Vorhalt der Beschwerdeführerin, dass nicht das gelindeste Mittel vorgeschrieben worden sei, hielt die belangte Behörde Folgendes fest:

In § 31 Abs 3 WRG 1959 sei weder vom "gelinderen Mittel" die Rede noch finde sich darin der Wortlaut, "dass bei mehreren Möglichkeiten nur jene Maßnahme erforderlich ist, die in die Rechtsphäre des Verpflichteten am wenigsten eingreift".

Bei der Vorschreibung von Maßnahmen gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 sei ausschließlich maßgeblich, ob diese im vorgeschriebenen Ausmaß erforderlich seien, d.h. die Behörde habe jene Maßnahmen vorzuschreiben, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung geboten seien. Hierbei sei die Wasserrechtsbehörde gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 erster Satz auch befugt, dem Verpflichteten für die Dauer der nach fachmännischer Voraussicht bestehenden Wassergefährdung die Durchführung von Wasseruntersuchungen vorzuschreiben, um rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen zur Beseitigung einer unmittelbar drohenden Gefahr einer Gewässerverunreinigung anordnen zu können.

Die Beschwerdeführerin behaupte an dieser Stelle (im Gegensatz zum grundsätzlichen Berufungsvorbringen) auch gar nicht, dass die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung nicht erforderlich wären, und sie führe in der Berufung auch nicht an, was sie im gegenständlichen Fall als gelinderes Mittel betrachten würde, bzw. welches "gelindere Mittel" angewendet werden solle, das in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin am wenigsten eingreife.

Für die belangte Behörde seien die vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen und deren Erforderlichkeit schlüssig und nachvollziehbar begründet, sodass der Berufung in diesem Punkt nicht stattzugeben gewesen wäre.

Zu Spruchteil II hielt die belangte Behörde begründend fest, dass sich die Heranziehung eines gemäß Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz akkreditierten Labors für die vorgeschriebenen Untersuchungen verpflichtend aus dem genannten Gesetz ergebe.

Zu Spruchteil III hielt die belangte Behörde fest, dass die Beurteilung der Untersuchungsergebnisse und deren allenfalls hierfür erforderliche Weiterleitung - wie in der Berufung geltend gemacht - Aufgabe der erstinstanzlichen Behörden sei. Aus diesem Grund sei der Berufung gegen diesen Punkt insofern stattzugeben gewesen, als die Befunde und Gutachten unverzüglich nur an die Bezirkshauptmannschaften weiterzuleiten seien.

Zu Spruchteil IV hielt die belangte Behörde begründend fest, dass gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 Gefahr im Verzug jedenfalls dann gegeben sei, wenn eine Wasserversorgung gefährdet sei. Eine solche Gefährdung des Trinkwasserbrunnens HFBr3 werde durch das Gutachten des Amtssachverständigen belegt.

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung sei daher festzustellen, dass im gegenständlichen Fall die aufschiebende Wirkung zu Recht ausgeschlossen worden sei. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für seine Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten - sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch hinsichtlich der zu beantwortenden Rechtsfragen - vollkommen jenem, der dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/07/0237, zugrunde lag; auf dieses wird somit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Es bleibt somit festzuhalten, dass es sich auch im gegenständlichen Fall um eine bereits eingetretene, nachgewiesene und damit auch konkrete Grundwasserverunreinigung handelt. In der möglichen Verlagerung der Kontaminationsfahne besteht eine konkrete Gefahr der Verunreinigung des verfahrensgegenständlichen Trinkwasserbrunnens. Für die Dauer der nach fachmännischer Voraussicht bestehenden Wassergefährdung war daher die Durchführung von Wasseruntersuchungen vorzuschreiben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/07/0070).

Aus den im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/07/0237, genannten Erwägungen war auch die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Dies war in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat zu entscheiden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-70763