VwGH vom 08.06.2010, 2007/18/0618
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M Y, geboren am , vertreten durch Dr. Marcus Zimmerbauer, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Mitterfeldstraße 7/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 179/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ukrainischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm § 63 sowie § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer seit 2004 in Österreich aufhalte. Seine Mutter und sein Stiefvater, zu welchen er sozialen Kontakt habe, lebten in Österreich; zu seinem leiblichen Vater, der in Russland lebe, habe er jedoch keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer habe mit V.B. einen Dienstvertrag - beginnend ab (Haftentlassung) - abgeschlossen und spreche sehr gut Deutsch.
Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z. 1 und 2, 130 vierter Fall StGB, wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten, davon zwölf Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden.
Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer in L in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken (mit einem Mittäter)
I.) gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in unbekannter Höhe, durch Einbruch Verfügungsberechtigten mehrerer genannter Bankinstitute mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
A.) indem er im Zeitraum vom bis mit einem Brecheisen Bankautomaten bzw. Eingangstüren zu Bankfoyers aufzubrechen versucht habe, und
B.) indem er im Zeitraum vom bis mit einem Brecheisen in drei Bankinstituten im Foyer befindliche Wandschränke bzw. Nachttresore aufgezwängt habe.
(Die belangte Behörde traf dazu detaillierte Feststellungen zu den in mehreren Angriffen erfolgten Straftaten des Beschwerdeführers.)
II.) Urkunden, über die der Beschwerdeführer nicht habe verfügen dürfen, mit dem Vorsatz unterdrückt habe, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem der Beschwerdeführer anlässlich der unter I.)B.) geschilderten Tathandlungen die sich in insgesamt drei Koffern befindlichen Schriftstücke und Urkunden an sich genommen und weggeworfen habe;
III.) fremde bewegliche Sachen, nämlich die durch unter I.)B.) beschriebenen Tathandlungen erlangten Koffer aus der Gewahrsame Verfügungsberechtigter der A-Bank dauernd entzogen habe, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, indem er sie weggeworfen habe.
Der Beschwerdeführer habe dabei dreizehn Tathandlungen über einen längeren Deliktszeitraum verwirklicht und somit bereits etwa zweieinhalb Jahre nach seiner Einreise ins Bundesgebiet erstmals einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt erfüllt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Widergabe der Bestimmungen der §§ 60 Abs. 1 und 2 Z. 1, 66 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 1 und 2 FPG - im Wesentlichen aus, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers erfüllt sei.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei auch im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil der Beschwerdeführer in der Absicht gehandelt habe, "sich fortlaufend eine Einnahmequelle zu verschaffen".
Hinsichtlich seiner persönlichen und privaten Situation sei zu beachten, dass dem Beschwerdeführer zweifelsohne eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sei und sich seine Mutter und sein Stiefvater im Bundesgebiet aufhielten. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Integration werde jedoch durch das von ihm dargelegte Fehlverhalten "in ihrer sozialen Kompetenz" in erheblichem Ausmaß gemindert.
Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG, habe der Beschwerdeführer doch über einen längeren Zeitraum, nämlich von November 2006 bis März 2007 im Rahmen von mehreren Tathandlungen (insgesamt dreizehnmal) mit der Absicht, sich durch deren fortlaufende Begehung eine Einnahmequelle zu verschaffen, strafrechtlich relevante Sachverhalte, welche sich gegen das Rechtsgut des Vermögens richteten, verwirklicht.
In Anbetracht der Art und Häufigkeit der regelmäßig begangenen Straftaten sei ein Charakterbild des Beschwerdeführers zu erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, dass der Beschwerdeführer gegenüber den zum Schutz des Eigentums anderer Personen erlassenen Vorschriften - bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt - negativ eingestellt sei und solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei davon auszugehen, dass er aus der derzeitigen Haft "seine entsprechenden Schlüsse ziehen" und von weiteren strafbaren Handlungen Abstand nehmen werde, biete - in Anbetracht der vom Beschwerdeführer verwirklichten strafbaren Sachverhalte - keine hinreichende Gewähr, um eine zu seinen Gunsten sprechende Zukunftsprognose erstellen zu können, zumal die seither verstrichene Zeitspanne seines Wohlverhaltens als zu kurz anzusehen sei.
Aus den oben angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen, weil eine Abstandnahme diesbezüglich die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte. Das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Fehlverhalten überwiege im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration; weder aus dem Akt noch aus der Berufungsschrift könnten besondere Umstände ersehen werden, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers begründen würden.
In Anbetracht der genannten Umstände könne für die belangte Behörde derzeit nicht ersehen werden, wann der Beschwerdeführer sich wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah allerdings von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Aufgrund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, davon zwölf Monate bedingt, ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG erfüllt.
1.2. Die Beschwerde bestreitet auch nicht die der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde liegenden (unter I.1. näher dargestellten) Straftaten. Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0891, mwN), sodass die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken begegnet.
Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer verspüre zum ersten Mal in seinem Leben das Haftübel, werde aus der derzeitigen Haft "seine entsprechenden Schlüsse ziehen" und von weiteren strafbaren Handlungen Abstand nehmen, nichts zu ändern, ist doch - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - der seit der Beendigung des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz, um einen allfälligen Gesinnungswandel unter Beweis zu stellen, zumal die Zeiten einer Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0109, mwN). Überdies bietet die bloße Absichtserklärung des Beschwerdeführers keine Gewähr dafür, dass sich dieser tatsächlich fortan wohlverhalten werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0627).
Auch mit dem Hinweis, bei seinen Straftaten sei es beim Versuch geblieben, macht der Beschwerdeführer keinen Umstand geltend, der einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr bedeuten würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0247).
2.1. Die Beschwerde bekämpft auch die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 66 FPG und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer im Alter von 17 Jahren nach Österreich eingereist sei; bereits zuvor habe er sich in Österreich aufgehalten. Soeben habe der Beschwerdeführer sein 20. Lebensjahr vollendet. Der Beschwerdeführer spreche sehr gut Deutsch. Er sei das einzige Kind seiner Mutter, mit der er sein ganzes Leben lang intensiven Kontakt gehabt habe und habe. Seine Mutter sei mit einem österreichischen Staatsbürger, der behindert sei, verheiratet. Überdies verfüge der Beschwerdeführer bereits über einen Arbeitsplatz, den er unverzüglich nach seiner Haftentlassung antreten könne.
2.2. Dem Beschwerdeführer gelingt es allerdings mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine Deutschkenntnisse, den Umstand, dass er einen Dienstvertrag beginnend ab Haftentlassung abgeschlossen hat, sowie seine familiären Bindungen zu seiner Mutter und seinem Stiefvater berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0032, mwN).
Den genannten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinem weiteren Aufenthalt resultierende - wie oben unter II.2.1. ausgeführt - schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des gewichtigen Interesses an der Verhinderung von Eigentumskriminalität, gegenüber.
Unter gehöriger Abwägung dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz des Eigentums anderer) dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Überdies führt auch das Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine keine sozialen Kontakte, keinen Wohnsitz und keine Arbeit habe, zu keiner anderen Beurteilung.
Auf dem Boden des Gesagten kommt auch den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängeln keine Relevanz zu.
3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-70756