VwGH vom 19.12.2017, Ra 2016/16/0058
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der K GmbH in H, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7101756/2015, betreffend Gesellschaftsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin schloss am mit der J-AG einen Sacheinlage- und Einbringungsvertrag ab. Aufgrund dieser Vereinbarung brachte die Revisionswerberin ihre Forderungen gegenüber der J-AG in Höhe von 9,913.900 EUR als Sacheinlage in die J-AG ein und erhielt dafür 6,400.000 junge Aktien mit einem Nennwert von jeweils 1 EUR.
2 Für diesen Vorgang wurde ausgehend vom Wert der Gegenleistung in Höhe von 6,400.000 EUR die Gesellschaftsteuer mit 64.000 EUR im Rahmen der Selbstberechnung ermittelt und abgeführt.
3 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Gesellschaftsteuer gegenüber dem Masseverwalter der J-AG gemäß § 201 BAO mit 99.139 EUR fest, woraus sich eine Nachforderung in Höhe von 35.139 EUR ergab. In der gesonderten Bescheidbegründung vom führte das Finanzamt aus, die Revisionswerberin habe erstmals Gesellschaftsrechte an der J-AG erworben, sodass sich die Gesellschaftsteuer nach dem Wert der Gegenleistung berechne. Da Kapitalforderungen gemäß § 14 Abs. 1 BewG 1955 mit dem Nennwert anzusetzen seien, betrage die Gegenleistung für den Erwerb der Anteile 9,913.900 EUR.
4 Dieser Bescheid wurde der Revisionswerberin gemeinsam mit dem Haftungsbescheid am zugestellt.
5 In der gegen den Gesellschaftssteuerbescheid erhobenen Beschwerde vom brachte die Revisionswerberin u. a. vor, Kapitalforderungen seien nach § 14 BewG 1955 nur dann mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder niedrigeren Wert begründen würden. Uneinbringliche Forderungen seien dabei außer Ansatz zu lassen. Im Zeitpunkt der Einbringung der Forderungen und des Erwerbs der Gesellschaftsrechte sei die J-AG überschuldet und konkursreif gewesen. Die eingebrachten Forderungen seien nicht voll werthaltig, sondern teilweise uneinbringlich gewesen. Aus dem Prüfbericht der B-GmbH vom , der im Auftrag des Firmenbuchgerichts erstellt worden sei, gehe hervor, dass der Wert der Sacheinlage, somit der maßgebliche Wert für die Einräumung der Gesellschaftsrechte, 6,400.000 EUR im Zeitpunkt der Einbringung betragen habe.
6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Revisionswerberin ab. Zur Begründung führte das Finanzamt zusammengefasst aus, dass für die Bewertung der Forderungen nach § 14 BewG 1955 der Betrag maßgebend sei, der bei Geltendmachung der Forderungen an diesem Stichtag vom Schuldner gefordert werden könne. Da die in die J-AG eingebrachten Forderungen gegenüber dieser Gesellschaft bestünden, stelle sich die Forderungseinbringung als Forderungsverzicht dar. Der Wert der eingebrachten Forderungen sei daher aus der Sicht der J-AG zu ermitteln. Dabei komme es nur darauf an, welchen Wert die Befreiung der Schuld für die Gesellschaft habe. Dies sei der Nennwert.
7 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin ab und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.
9 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier wesentlich - aus, im Beschwerdefall sei strittig, mit welcher Höhe die Gegenleistung für die Einräumung der Gesellschaftsrechte bei der Bemessung der Gesellschaftsteuer anzusetzen sei. Während die Revisionswerberin die Ansicht vertrete, dass die Forderungen im Ausmaß der Uneinbringlichkeit nicht in die Bewertung einbezogen werden dürften, vertrete das Finanzamt die Ansicht, dass die eingebrachten Forderungen mit dem Nennwert anzusetzen seien. Die Revisionswerberin habe mit dem Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom auf ihre Forderungen gegenüber der J-AG in der Höhe von 9,913.900 EUR verzichtet, sodass für die Frage der Bewertung auf die Judikatur zum Forderungsverzicht zurückgegriffen werden könne. Nach § 14 Abs. 1 BewG 1955 habe die Bewertung von Kapitalforderungen zum Nennwert zu erfolgen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen würden. Das Bundesfinanzgericht vertrete in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass der Wert eines Forderungsverzichts aus der Sicht der Gesellschaft zu ermitteln sei. Das Eigenkapital der Gesellschaft werde durch den Forderungsverzicht erhöht. Dies gelte auch dann, wenn bereits vor dem Verzicht eine Überschuldung bestanden habe. Der Wert der Eigenkapitalzufuhr werde nicht durch den Wert begrenzt, der für den Gesellschaftsanteil am Markt nach dem Forderungsverzicht erzielt werden könne. Aus Sicht der J-AG sei Gegenstand der Einlage der weggefallene Passivposten. Dieser falle bei der J-AG mit dem Nennwert der Forderung weg. Aufgrund des Forderungsverzichts habe das Betriebskapital der J-AG in Höhe des Nennwerts der Forderung eine Stärkung erfahren. Die J-AG sei damit von ihrer Verpflichtung zur Bezahlung von Verbindlichkeiten in dieser Höhe befreit worden. Das Finanzamt habe daher zu Recht als Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer den Nennwert der Forderungen herangezogen.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das Finanzamt, einer Replik der Revisionswerberin sowie einer Gegenäußerung des Finanzamts erwogen hat:
11 In der Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Bundesfinanzgericht sei zu Unrecht von einem Forderungsverzicht ausgegangen und hätte sich nicht auf seine Rechtsprechung zum Tatbestand des § 2 Abs. 4 lit. b KVG stützen dürfen. Die Revisionswerberin sei vor Abschluss des Sacheinlage- und Einbringungsvertrags nicht Gesellschafterin der J-AG gewesen, sondern habe mit dieser Vereinbarung erstmalig Gesellschaftsrechte an der J-AG erworben. Der Einbringungsvorgang unterliege daher dem Tatbestand des § 2 Abs. 1 KVG. Die Gesellschaftsteuer dafür sei gemäß § 7 Abs. 1 lit. a KVG nach dem Wert der Gegenleistung zu berechnen. Das Bundesfinanzgericht habe die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (, ) nicht berücksichtigt, wonach bei der Einbringung von Forderungen der objektive Wert der Forderungen anzusetzen sei. Dabei müsse insbesondere auch die mangelnde Einbringlichkeit Berücksichtigung finden. Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer sei - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - nicht der Nennwert der eingebrachten Forderungen, sondern deren tatsächlicher (niedrigerer) Wert.
12 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
13 Das Kapitalverkehrsteuergesetz (KVG) vom , dRGBl. I S 1058 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2001 lautet auszugsweise:
§ 2
Gegenstand der Steuer
Der Gesellschaftsteuer unterliegen
1. der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer
inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber;
(...)
4. folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an
eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet
ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen:
a) (...)
b) Verzicht auf Forderungen,
(...)
§ 7
Bemessungsgrundlage
(1) Die Steuer wird berechnet
1. beim Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 2 Z 1)
a) wenn eine Gegenleistung zu bewirken ist:
vom Wert der Gegenleistung. Zur Gegenleistung gehören auch die von den Gesellschaftern übernommenen Kosten der Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung, dagegen nicht die Gesellschaftsteuer, die für den Erwerb der Gesellschaftsrechte zu entrichten ist,
b) wenn keine Gegenleistung zu bewirken ist:
vom Wert der Gesellschaftsrechte;
2. bei Leistungen (§ 2 Z 2 bis 4): vom Wert der Leistung;
(...)"
14 Zwar ist mit dem Bundesfinanzgericht davon auszugehen, dass es sich bei der Einbringung der Forderungen der Revisionswerberin in die J-AG gegen die Gewährung junger Aktien um den Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber gemäß § 2 Z 1 KVG handelt, sodass als Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer nach § 7 Abs. 1 Z 1 lit. a KVG der Wert der Gegenleistung heranzuziehen ist.
15 Soweit das Bundesfinanzgericht jedoch die Ansicht vertritt, dass es für die Beurteilung des Werts der Gegenleistung nicht auf die Werthaltigkeit der eingebrachten Forderungen aus der Sicht der Revisionswerberin ankommt, sondern auf den Nennwert des bei der J-AG weggefallenen Passivpostens, kann dem nicht gefolgt werden.
16 Da der Berechnung der Gesellschaftsteuer beim erstmaligen Erwerb von Gesellschaftsrechten gemäß § 2 Z 1 KVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z 1 lit. a KVG der Wert der (vom Erwerber zu entrichtenden) Gegenleistung zu Grunde zu legen ist, ist auf den (tatsächlichen) Wert der von der Revisionswerberin als Gegenleistung für die Gewährung der jungen Aktien eingebrachten Forderungen abzustellen (vgl. Bavenek-Weber, FJ 2011, 82 (124); Thunshirn/Himmelsberger/Hohenecker, KVG,§ 7 Rz 668).
17 Gemäß § 1 Abs. 1 BewG 1955 gelten die Bestimmungen des ersten Teils dieses Bundesgesetzes (§§ 2 bis 17), soweit sich nicht aus den abgabenrechtlichen Vorschriften oder aus dem zweiten Teil dieses Gesetzes etwas anderes ergibt, für die bundesrechtlich geregelten Abgaben. Eine solche bundesrechtlich geregelte Abgabe stellt auch die Gesellschaftsteuer dar (vgl. , VwSlg 7482/F).
18 Nach § 14 Abs. 1 BewG 1955 sind Kapitalforderungen mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Uneinbringliche Forderungen bleiben nach § 14 Abs. 2 leg. cit. außer Ansatz. Für teilweise einbringliche Forderungen sind lediglich die voraussichtlich einbringlichen Beträge anzusetzen. Für die Beurteilung, inwieweit eine Forderung einbringlich ist, sind die Verhältnisse am Bewertungsstichtag maßgebend (vgl. ; Twaroch/Wittmann/Frühwald, Bewertungsgesetz, 15. Lfg., Dezember 2004, § 14, 6).
19 Die Revisionswerberin hat in der Beschwerde vorgebracht, die J-AG sei im Zeitpunkt der Einbringung der Forderungen und des Erwerbs der Gesellschaftsrechte überschuldet und konkursreif gewesen. Die als Sacheinlage eingebrachten Forderungen seien daher nicht voll werthaltig gewesen. Der uneinbringliche Teil der Forderungen hätte außer Ansatz bleiben müssen. Dazu hat die Revisionswerberin auf den Prüfbericht der B-GmbH vom verwiesen, der im Auftrag des Firmenbuchgerichts nach § 150 Abs. 3 AktG (Sacheinlagenprüfung bei Kapitalerhöhung) erstattet worden ist.
20 Das Bundesfinanzgericht hat sich mit diesem Beschwerdevorbringen nicht auseinander gesetzt, weil es - statt den Wert der Forderungen gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 lit. a KVG in Verbindung mit § 14 BewG 1995 zu ermitteln - den Nennwert des bei der J-AG weggefallenen Passivpostens als Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer herangezogen hat.
21 Da das Bundesfinanzgericht insoweit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am