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VwGH vom 22.07.2011, 2009/22/0325

VwGH vom 22.07.2011, 2009/22/0325

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der J, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner u.a., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 153.488/2- III/4/09, betreffend Devolution in Angelegenheit Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer chinesischen Staatsangehörigen, vom auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am eine Niederlassungsbewilligung beantragt. Die Niederlassungsbehörde erster Instanz habe das Verfahren ausgesetzt, weil als Vorfrage das Beschwerdeverfahren des Vaters der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom betreffend Aufenthaltsverbot wegen des Verdachts einer "Scheinehe" abzuwarten sei.

Am habe die Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß § 73 AVG gestellt. Mache eine Behörde jedoch von ihrem durch § 38 AVG eingeräumten Recht auf Aussetzung des Verfahrens Gebrauch, werde nicht gegen die Bestimmungen über die Entscheidungspflicht verstoßen. Das Verfahren der Beschwerdeführerin sei ausgesetzt worden, weil das Aufenthaltsverbotsverfahren "zur Abschätzung, ob eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, entscheidungsrelevant war". Erst mit Klärung der Vorfrage falle der Unterbrechungsgrund weg. Bis zum Devolutionsantrag sei der Unterbrechungsgrund jedoch nicht weggefallen. In zulässiger Weise habe die erstinstanzliche Behörde am mittels Aktenvermerks das Verfahren bis zur Entscheidung über die Vorfrage ausgesetzt. Somit sei der Devolutionsantrag vom abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin verfügte über eine Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 und stellte am den Antrag auf Verlängerung dieses Aufenthaltstitels.

Die erstinstanzliche Behörde hielt im Aktenvermerk vom fest, dass gegen den Vater der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot wegen einer "Scheinehe" rechtskräftig erlassen worden sei. Wegen einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (der mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war) könne über den Antrag der Beschwerdeführerin (und ihrer Töchter) derzeit nicht entschieden werden. Die Beschwerdeführerin habe bis dato Aufenthaltstitel wegen der Ehe des Vaters mit einer österreichischen Staatsbürgerin erhalten.

Gemäß § 38 AVG kann die Behörde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. § 38 AVG hat nur solche Vorfragen zum Gegenstand, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 2). Eine Rechtsfrage ist nur dann als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG zu qualifizieren, wenn der relevante Tatbestand ein Element enthält, das für sich allein Gegenstand einer für die Behörde und die Parteien bindenden Entscheidung einer anderen Behörde ist (vgl. Hengstschläger/Leeb a. a.O., Rz 6).

Die Beschwerdeführerin zeigt zu Recht auf, dass der Gegenstand des Aufenthaltsverbotsverfahrens gegen ihren Vater (hg. 2007/18/0855, erledigt mit Erkenntnis vom ) keine Vorfrage im Verfahren über die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels bildet.

Zum einen stellt die Frage der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die allenfalls rechtsmissbräuchliche Eheschließung ihres Vaters keine Vorfrage im Verlängerungsverfahren der Beschwerdeführerin dar, ist doch die Frage der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (§ 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG) nicht im Weg einer "Sippenhaftung", sondern fallbezogen in Form einer Prognose ausgehend vom Gesamtverhalten für jede Person eigenständig zu prüfen (vgl. in diesem Sinn Pkt. 4.2. des hg. Erkenntnisses vom , 2008/22/0711).

Zum anderen weist die Beschwerdeführerin zutreffend auf § 27 Abs. 2 NAG hin, demzufolge (in der hier maßgeblichen Stammfassung) dem Familienangehörigen mit einem abgeleiteten Niederlassungsrecht trotz Wegfalls der Voraussetzungen für den Familiennachzug eine Niederlassungsbewilligung auszustellen ist, wenn der Familienangehörige aus eigenem in der Lage ist, die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG zu erfüllen. Ob unter den gegebenen Umständen aus der Berufung auf den Familiennachzug zur Stiefmutter (auch) der Beschwerdeführerin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit anzulasten ist, ist eigenständig in einem allenfalls nach § 25 Abs. 1 NAG einzuleitenden fremdenpolizeilichen Verfahren zu prüfen. Ein Aussetzungsgrund liegt jedoch nicht vor.

Wegen des aufgezeigten Rechtsirrtums war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-70740

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