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VwGH vom 03.11.2010, 2007/18/0608

VwGH vom 03.11.2010, 2007/18/0608

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des I S in W, geboren am , vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/259.161/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer seit über Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums der Chemie an der Universität Wien verfüge, zu welchem er mit Bescheid vom unter der Voraussetzung des Nachweises der Kenntnisse der deutschen Sprache zugelassen worden sei.

Am habe der Beschwerdeführer die Ergänzungsprüfung Deutsch absolviert; seither habe er keinerlei Studienerfolg nachgewiesen. Eine Nachfrage bei der Universität Wien habe ergeben, dass der Beschwerdeführer auch nur zum "ganz normalen" Diplomstudium zugelassen worden sei, ohne dass er bisher auch nur eine einzige Prüfung absolviert habe.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden offenbar zu einer Schwester, mit der er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, - im Wesentlichen aus, es sei nicht aktenkundig, dass unabwendbare oder unvorhersehbare, der Einflusssphäre des Beschwerdeführers entzogene Gründe vorlägen, die ihn bisher daran gehindert hätten, auch nur den geringsten Studienerfolg zu erbringen. Dass sich der Beschwerdeführer für das Sommersemester 2006 aus privaten Gründen habe beurlauben lassen, erkläre letztlich auch nicht, weshalb er in den verbleibenden drei Semestern nicht eine einzige Prüfung absolviert habe. Es könne auch keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer einen Studienerfolgsnachweis im Sinn des § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) erbracht habe. Wer sich jedoch - wie der Beschwerdeführer - zum angeblichen Zweck des Studiums in Österreich aufhalte und in den ersten beiden Jahren seines ordentlichen Studiums keinerlei Prüfungserfolg nachweisen könne, gefährde angesichts der strengen Zweckbindung der zu erteilenden Aufenthaltstitel das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Solcherart sei jedoch der im § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG normierte "Versagungsgrund" verwirklicht.

Daran vermöge auch das Berufungsvorbringen nichts zu ändern:

Dass der Beschwerdeführer bereits in seiner Heimat das Studium der Chemie absolviert habe, sei für den vorliegenden Sachverhalt ohne Relevanz. Sein Vorbringen, dass er in Österreich die Dissertation schreiben und einen Doktortitel erwerben wolle, decke sich nicht mit seiner Zulassung zum ordentlichen Diplomstudium. Dass der Beschwerdeführer zum Doktoratsstudium inskribiert sei, widerspreche nicht nur der Aktenlage, sondern auch der diesbezüglichen Auskunft der Universität Wien. Welche Relevanz für das gegenständliche Verfahren die vom Beschwerdeführer vorgelegte "Personengruppenverordnung" für Studierende habe, sei nicht erkennbar.

Wer sich - wie der Beschwerdeführer - seit nunmehr fünf Jahren zum angeblichen Zweck des Studiums in Österreich aufhalte und außer der Ergänzungsprüfung Deutsch keinerlei Studienerfolg aufzuweisen habe, lasse die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der wahre Zweck des Aufenthaltes ein anderer sei als jener der Absolvierung des Studiums. Dies erscheine durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer offenbar nicht nur Zeitungsverkäufer, sondern auch Kommanditist einer KEG sei, geradezu als bestätigt.

Der genannte "Versagungsgrund" stehe der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entgegen, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - im Grunde des § 54 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer - wie der Beschwerdeführer - trotz jahrelangen Aufenthalts in Österreich zum angeblichen Zweck des Studiums keinerlei Studienerfolg aufweisen könne. Solcherart erweise sich die Erlassung der Ausweisung als dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese wiege jedoch keinesfalls schwer, liege diesem Aufenthalt doch ein angebliches Studium zugrunde, dem der Beschwerdeführer jedoch offenbar gar nicht nachgehe. Die familiären Bindungen zur Schwester würden dadurch relativiert, dass beide längst volljährig seien und nicht im gemeinsamen Haushalt lebten. Das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet erweise sich daher als gering. Dem stehe jedoch das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage sei die belangte Behörde zu der Einsicht gelangt, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in der Verwirklichung des genannten Versagungsgrundes gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 1 und 2 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände, habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer verfügte unstrittig bisher ausschließlich über Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums, nach der Aktenlage zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck Studierender mit einer Gültigkeitsdauer bis zum . 1.2. Da sich der Beschwerdeführer infolge des - nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes - am gestellten Verlängerungsantrages während eines Verlängerungsverfahrens (vgl. dazu auch § 24 NAG) im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0443, mwN).

1.3. Die mit "Studierende" überschriebene Bestimmung des § 64 NAG lautet:

"§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie


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1.
die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2.
ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität durchführen und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.
Eine Haftungserklärung ist zulässig.

(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit richtet sich nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Diese Erwerbstätigkeit darf das Erfordernis des Studiums als ausschließlicher Aufenthaltszweck nicht beeinträchtigen.

(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."

Gemäß der - im 1. Teil des NAG enthaltenen - Bestimmung des § 19 Abs. 2 letzter Satz NAG hat der Fremde der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.

Nach § 19 Abs. 3 NAG ist der Bundesminister für Inneres ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise für den jeweiligen Aufenthaltszweck dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Gemäß § 8 Z. 7 lit. b) der u. a. aufgrund dieser Verordnungsermächtigung erlassenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV ist für eine "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" im Fall eines Verlängerungsantrages dem Antrag ein schriftlicher Nachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder des Universitätslehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG, anzuschließen.

Gemäß § 75 Abs. 6 UG hat die Universität einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (acht Semesterstunden) abgelegt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0067, mwN).

2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer, der mit Bescheid vom zum ordentlichen Studium zugelassen wurde, lediglich die Ergänzungsprüfung Deutsch im Juni 2005 absolviert und sonst keinerlei positiv beurteilte Prüfungen aufzuweisen hat.

2.2. Die Beschwerde bringt in diesem Zusammenhang vor, dass auf Antrag des Beschwerdeführers eine Beurlaubung für das Sommersemester 2006 erfolgt sei, weil seine Eltern in Bangladesch "ernste gesundheitliche Probleme" gehabt hätten, er deshalb "zur Betreuung" dorthin gereist und dadurch eine Verzögerung des Studiums eingetreten sei.

Damit legt die Beschwerde keinen Umstand dar, der eine Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung iSd § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG rechtfertigen könnte, hat doch der Beschwerdeführer, der bereits im August 2002 zum ordentlichen Studium zugelassen wurde, lediglich die Ergänzungsprüfung Deutsch im Juni 2005 absolviert und somit im Zeitraum zwischen seiner Zulassung zum Studium bis zum Wintersemester 2005/2006 keinerlei Studienerfolg erbracht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0323).

2.3. Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 64 Abs. 3 NAG unter Vornahme der erforderlichen Abwägung daher zutreffend verneint. Sie ist zu Recht zur Auffassung gelangt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- (und Studien ) Wesens im Sinne des § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 4 Z. 1 NAG gefährdet (was die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels hindert) und somit der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt ist.

2.4. Wenn die Beschwerde weiters ausführt, dass der Beschwerdeführer das Studium der Chemie in Bangladesch 2002 abgeschlossen habe, beabsichtige, in Österreich die Dissertation zu schreiben, am einen Antrag auf Zulassung zum Doktoratsstudium eingebracht habe und eine Bewilligung dieses Antrags jedoch "in Ermangelung entsprechender Aufzeichnungen an der Universität in Bangladesch" nicht möglich sei, so ist dies mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten lediglich zum Studium der Studienrichtung Chemie zugelassen wurde, unerheblich.

Die von der Beschwerde diesbezüglich ins Treffen geführte "Personengruppenverordnung", welche die Zulassung zum Studium zum Gegenstand hat, ist für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz, zumal der Beschwerdeführer - wie sich aus dem genannten Bescheid vom ergibt - ohnehin zum Studium zugelassen wurde. Die belangte Behörde war somit auch nicht dazu verhalten, sich mit der "Personengruppenverordnung" näher auseinanderzusetzen; daher geht auch die diesbezügliche Verfahrensrüge ins Leere.

3. Die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (insbesondere der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-70718