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VwGH vom 19.09.2012, 2009/22/0310

VwGH vom 19.09.2012, 2009/22/0310

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 147.177/4-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1,326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahr 1990 nach Österreich gekommen. In den Jahren 1997 und 1998 sei er nach rechtswidrigen Aufenthalten in sein Heimatland abgeschoben worden. Seit 2003 halte er sich wieder in Österreich auf. Er habe ab über Aufenthaltstitel verfügt. Bei dem ihm zuletzt (nach dem Fremdengesetz 1997) erteilten Aufenthaltstitel habe es sich um eine Niederlassungsbewilligung "Privat - quotenfrei, § 19 Abs. 5 FrG", welche vom bis gültig gewesen sei, gehandelt. Ab In-Kraft-Treten des NAG () habe dieser Aufenthaltstitel auf Grund der Überleitungsbestimmungen der Niederlassungsgesetz - Durchführungsverordnung (NAG-DV) als "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" weitergegolten.

Am habe der Beschwerdeführer den hier gegenständlichen Verlängerungsantrag gestellt. Angesichts der mit dem Antrag vorgelegten Unterlagen und der Angaben des Beschwerdeführers gegenüber der Behörde erster Instanz sei davon auszugehen, dass der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 47 Abs. 3 NAG gerichtet sei. Dem Antrag sei eine Haftungserklärung des Vaters des Beschwerdeführers, der türkischer Staatsangehöriger sei, beigelegt gewesen. Die Stiefmutter des Beschwerdeführers sei österreichische Staatsbürgerin. Deren Haftungserklärung sei aber nicht als tragfähig anzusehen. Die Haftungserklärung des Vaters des Beschwerdeführers könne nicht berücksichtigt werden, weil dieser als türkischer Staatsangehöriger nicht als Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG in Betracht kommen könne.

Im Hinblick auf diese Rechtsansicht traf die belangte Behörde im Weiteren keine Feststellungen zum Ausmaß des Einkommens des Vaters des Beschwerdeführers.

Da der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter - im Rahmen einer Stellungnahme die Haftungserklärung seines Onkels, der österreichischer Staatsbürger sei, vorgelegt habe, sei dieser als "neuer Zusammenführender namhaft gemacht" worden. Der Onkel sei seit etwa 1988 in Österreich aufhältig und habe zuvor, als er "noch klein gewesen" sei, mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er habe auch zum Lebensunterhalt beigetragen, und zwar zu jener Zeit, als der Beschwerdeführer in Wien gelebt habe. Als sich der Beschwerdeführer noch in der Türkei aufgehalten habe, hätte der Onkel des Beschwerdeführers Letzterem keinen Unterhalt geleistet; dies habe der Vater getan.

Von der Behörde erster Instanz sei nach § 25 NAG vorgegangen worden, woraufhin die Fremdenpolizeibehörde erster Instanz auch zweimal ein Ausweisungsverfahren eingeleitet habe. Die in erster Instanz jeweils ergangenen Bescheide, womit eine Ausweisung gegen den Beschwerdeführer erlassen worden sei, seien allerdings von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (in beiden Rechtsgängen) aufgehoben worden.

Bezogen auf den Onkel des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass die Voraussetzung, sonstiger Angehöriger im Sinne des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG sein zu müssen, nicht vorliege. Während sich der Beschwerdeführer noch in der Türkei aufgehalten habe, habe sein Onkel ihm keinen Unterhalt geleistet. Somit seien weder die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a noch jene des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. b NAG zu bejahen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde prüfte die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a bzw. lit. b NAG ausschließlich in Bezug auf das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Onkel. Dabei geht sie allerdings von der unrichtigen Prämisse, dieser solle im gegenständlichen Fall als Zusammenführender dienen, aus. Diese Prämisse hatte ihren Ursprung in der Ansicht der belangten Behörde, die von der Stiefmutter des Beschwerdeführers abgegebene Haftungserklärung könne nicht als tragfähig angesehen werden. Aus diesem Grund traf die belangte Behörde in weiterer Folge auch keinerlei Feststellungen zur Höhe des Einkommens des Vaters des Beschwerdeführers (derartige Feststellungen enthält der angefochtene Bescheid allerdings auch nicht zum Einkommen seiner Stiefmutter) und ließ darüber hinaus auch das Vorbringen zum vorhandenen Sparguthaben außer Betracht.

Mit dieser Vorgangsweise ist die belangte Behörde nicht im Recht.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auf Grund der Aktenlage kein Hinweis dafür besteht, der Beschwerdeführer hätte als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung mit seinem in Österreich lebenden Onkel angestrebt. Unzweifelhaft möchte er (so wie bisher) die bestehende Familiengemeinschaft mit seinem Vater und seiner österreichischen Stiefmutter aufrechterhalten. Dass er zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel darüber hinaus auch eine von seinem Onkel abgegebene Haftungserklärung vorlegte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht, davon auszugehen, der Beschwerdeführer wolle nunmehr mit dem Onkel in Familiengemeinschaft leben und dies sei sein in erster Linie in Österreich (nunmehr) in Aussicht genommener Aufenthaltszweck. Sohin war es aber auch verfehlt, die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a bzw. lit. b NAG in Bezug auf den Onkel des Beschwerdeführers zu prüfen.

Des Weiteren ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt hat, dass in einem Fall, wie er auch hier vorliegt, bei der Berechnung, ob die vom Gesetz geforderten Unterhaltsmittel vorliegen, auch das Einkommen des Ehepartners des österreichischen Staatsbürgers zu berücksichtigen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0637, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Auch hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung der für die Unterhaltsleistung zur Verfügung stehenden Mittel vorhandene Sparguthaben einzubeziehen sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0445, und vom , Zl. 2008/22/0716, jeweils mwN).

Schließlich ist für das fortzusetzende Verfahren darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Prüfung, ob die vom österreichischen Staatsbürger abgegebene Haftungserklärung tragfähig ist, der Sache nach um die Prüfung des Vorhandenseins ausreichender Unterhaltsmittel, sohin um die Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0607). Bei Verneinung allein einer solchen Voraussetzung wäre es der belangten Behörde aber verwehrt, im Verfahren über einen Verlängerungsantrag selbst eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Vielmehr hätte sie im Sinn des § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen und die Einleitung eines aufenthaltsbeendigenden Verfahrens zu veranlassen. Dies hat zwar die Behörde erster Instanz (zweimal) getan. Dass die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien allerdings in beiden Fällen infolge ihrer - rechtswidrigen - Ansicht, es handle sich bei der Prüfung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung um die Prüfung einer besonderen Erteilungsvoraussetzung, die in erster Instanz ergangenen Ausweisungsbescheide behoben hat, ändert aber nichts an der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet. Er war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-70712