VwGH vom 26.04.2013, 2012/07/0236
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Gemeinde T, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LAS - 1157/6-11, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft T, vertreten durch den Obmann M K), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom wurden auf Grund eines Antrages der beschwerdeführenden Gemeinde (in weiterer Folge: Gemeinde) Feststellungen über die Gemeindegutsqualifikation bestimmter, im Eigentum der mitbeteiligten Agrargemeinschaft stehender Grundstücke getroffen. Mit Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde festgestellt, dass näher bezeichnete Grundstücke der EZ 193 und der EZ 69 kein Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 darstellten.
Gegen diesen Spruchpunkt erhob die Gemeinde Berufung vom , in der sie das Fehlen der Gemeindegutsqualifikation in Abrede stellte und den Nachtrag einer Begründung der Berufung ankündigte. Diese Berufung weist folgende Fertigung auf:
"Mit freundlichen Grüßen
Der Bürgermeister:
(J G)"
Unter diesen Zeilen und dem daneben angebrachten Gemeindestempel findet sich die Unterschrift des Gemeindesekretärs und ein handschriftlicher Zusatz in Klammer mit der Bezeichnung des Namens des Unterfertigenden (hier jeweils kursiv dargestellt):
"i.A. M P
(M P)"
Mit Schriftsatz vom verbesserte die Gemeinde, nunmehr anwaltlich vertreten, die Berufung durch Nachtrag ihrer Begründung. Zur Unterfertigung der Berufung legte sie dar, dass der Gemeindesekretär durch den Bürgermeister beauftragt und bevollmächtigt worden sei, diese einzubringen.
Die belangte Behörde ersuchte die Gemeinde mit Schreiben vom im Hinblick auf die Vorschrift des § 55 Abs. 6 der Tiroler Gemeindeordnung 2001 (TGO) gemäß § 13 Abs. 3 AVG um den Nachweis der Fertigungsbefugnis des Gemeindesekretärs und setzte dafür eine Frist von zwei Wochen.
Die Gemeinde vertrat mit Schriftsatz vom dazu die Ansicht, es habe sich um eine Eingabe ohne Unterschrift gehandelt, dieser Mangel sei ebenfalls verbesserungsfähig. Durch Vorlage von Unterlagen stellte sie unter Beweis, dass der Gemeindesekretär vom Bürgermeister mit der Einbringung der Berufung beauftragt worden war. Schließlich liegt dem Schriftsatz eine Kopie der ursprünglichen Berufung bei, die folgenden vom Bürgermeister unterfertigten Zusatz aufweist (Unterschrift kursiv dargestellt):
"Verbessert durch Nachholung der fehlenden Unterschrift:
Innsbruck, am
J G"
Die belangte Behörde führte am eine mündliche Verhandlung durch und wies mit Spruchpunkt 2 des nunmehr angefochtenen Bescheides vom die Berufung der Gemeinde als unzulässig zurück.
Dabei ging sie davon aus, dass die Gemeinde mit Schreiben vom ein den inhaltlichen Mindesterfordernissen einer Berufung entsprechendes Rechtsmittel an die Erstbehörde gerichtet habe. Diese Berufungsschrift sei aber nicht vom Bürgermeister der Gemeinde, J G, sondern von M P unterschrieben worden. Bei diesem handle es sich um den Gemeindesekretär. Nach Wiedergabe des § 55 Abs. 1 und 6 sowie des § 60 TGO führte die belangte Behörde aus, dass die Berufung mangels ordnungsgemäßer Kundmachung der Bevollmächtigung des Gemeindesekretärs durch einen nicht zur Unterfertigung bevollmächtigten Gemeindebediensteten verfasst und überreicht worden sei. Der Gemeindebedienstete sei nicht vertretungsbefugt, um den das Berufungsverfahren einleitenden Schriftsatz der Berufung einzubringen. Die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nach §§ 55 und 60 TGO 2001 könne durch die maschinschriftliche Klausel "Der Bürgermeister: i.A. (im Auftrag)" nicht ersetzt werden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Gemeinde nunmehr mit Schriftsatz vom eine mit selbem Datum mit der Unterschrift des Bürgermeisters versehene Ausfertigung der Berufung an die Berufungsbehörde übermittelt habe. Selbst wenn der Bürgermeister seine Zustimmung zur Erhebung der Berufung damit zum Ausdruck bringen wolle, so sei dennoch darauf hinzuweisen, dass dies weit außerhalb der Berufungsfrist geschehe. Eine Zustimmung zur Erhebung der Berufung durch den Gemeindesekretär anstelle dessen Bevollmächtigung sei auch nicht ausreichend. Hätte der Bürgermeister innerhalb der Berufungsfrist entweder eine von ihm selbst unterfertigte Berufung der Behörde übermittelt oder aber die Bevollmächtigung des Gemeindesekretärs zur Fertigung ansonsten dem Bürgermeister vorbehaltener Schriftstücke gemäß § 60 TGO 2001 kundgemacht, so wäre dies die einzige Möglichkeit zur Vermeidung des gegenständlichen Mangels in der Vertretungsmacht gewesen. Ein auch nach Ablauf der Berufungsfrist sanierbarer Formfehler liege entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht vor. Eine fehlende Bevollmächtigung des Berufungsverfassers stelle grundsätzlich keinen Formmangel dar, sondern es könne die Berufung dem zur Berufungserhebung berechtigten Bürgermeister, der sich auch durch den Vizebürgermeister hätte vertreten lassen können, nicht zugerechnet werden. Die Berufung habe daher mangels Vertretungsbefugnis des Unterfertigenden als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.
Gegen Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den Bescheid in ihrem Recht auf eine meritorische Entscheidung verletzt.
Die belangte Behörde verzichtete auf die Abgabe einer Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die hier entscheidungswesentlichen Rechtsgrundlagen der TGO haben folgenden Wortlaut:
"§ 55. (1) Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen.
(2) ...
(4) ….. Schriftstücke sind vom Bürgermeister zu unterfertigen. …
(5) ...
(6) Der Bürgermeister kann die Berechtigung zur Unterfertigung von Schriftstücken und zur Abgabe mündlicher Erklärungen in seinem Namen Gemeindebediensteten, Direktoren von Schulen, deren gesetzlicher Schulerhalter die Gemeinde ist, bzw. an diesen Schulen beschäftigten Personen, Betriebsleitern und sonstigen Bediensteten von wirtschaftlichen Unternehmen und Betrieben mit marktbestimmter Tätigkeit übertragen. Die Übertragung der Berechtigung und deren Widerruf bedürfen der Schriftform und sind durch öffentlichen Anschlag nach § 60 Abs. 1 kundzumachen."
Nach § 13 Abs. 1 AVG sind Rechtsmittel schriftlich einzubringen. Aus § 55 Abs. 4 TGO ergibt sich, dass Schriftstücke vom Bürgermeister zu unterfertigen sind.
Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass eine in Schriftform erfolgte und durch öffentlichen Anschlag nach § 60 Abs. 1 TGO kundgemachte Übertragung der Berechtigung zur Unterfertigung von Schriftstücken an den Gemeindesekretär nicht besteht.
Die Beschwerde argumentiert nun dahingehend, dass die Berufung durch den Gemeindesekretär als eine Art "Erfüllungsgehilfe" des explizit in der Berufung genannten Bürgermeisters eingebracht worden sei. Dies zeige sich deutlich durch die Formulierung der Berufung, wo es nicht "Für den Bürgermeister" sondern "Der Bürgermeister (J G)" heiße. Entscheidend sei die Unterscheidung der Begriffe Vollmacht bzw. Bevollmächtigung sowie "Auftrag", zumal der Sachbearbeiter die Berufung lediglich mit dem Zusatz "i.A.", somit als verlängerter Arm des Bürgermeisters, unterschrieben habe. Der Auftrag begründe dabei im Innenverhältnis die Verpflichtung des Beauftragten, für den Auftraggeber tätig zu werden, weshalb er seiner Zustimmung bedürfe. Diese Beauftragung ergebe sich aus einem der belangten Behörde vorgelegten E-Mail des Bürgermeisters an das Gemeindeamt vom , mit welchem der Gemeindesekretär vom Bürgermeister angewiesen worden sei, die Berufung im Namen des Bürgermeisters (und nicht etwa als dessen Bevollmächtigter) einzubringen. Hingegen betreffe die Vollmacht das Außenverhältnis zu Dritten, also die Frage, ob der Bevollmächtigte für den Machtgeber durch Auftreten in dessen Namen unmittelbare Wirkungen herbeiführen habe können. Dies sei zu verneinen, zumal sich sowohl aus der Formulierung als auch aus dem Briefkopf der Berufung deutlich ergebe, dass der Gemeindebedienstete nicht als unmittelbarer Bevollmächtigter der Gemeinde bzw. des Bürgermeisters eingeschritten sei, sondern lediglich in seiner Eigenschaft als Sachbearbeiter in Befolgung des Auftrages des Bürgermeisters.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Gemeinde, dass es im vorliegenden Fall nicht auf das Innenverhältnis der Beauftragung des Gemeindesekretärs durch den Bürgermeister ankommt. Zweifel daran, dass ein solcher Auftrag vorgelegen wäre, sind bei der belangten Behörde auch gar nicht hervorgekommen. Ein solcher Auftrag vermag aber nicht die Bestimmungen der TGO außer Kraft zu setzen, die entweder die Unterfertigung eines Schriftstückes durch den Bürgermeister selbst oder durch jemanden in seinem Namen vorsehen, dem nach den Bestimmungen des § 55 Abs. 6 TGO diese Berechtigung übertragen wurde.
Daneben gibt es noch die - hier nicht weiter interessierende -
Möglichkeit der Übertragung der Vertretung der Gemeinde nach außen vom Bürgermeister auf einen Bürgermeister-Stellvertreter oder andere Mitglieder des Gemeinderates nach § 55 Abs. 2 leg. cit., und zwar durch Erlassung einer Verordnung. Eine weitere Möglichkeit, einem Dritten die Unterfertigung von Schriftstücken im Auftrag des Bürgermeisters zu übertragen, findet sich im Gesetz nicht. Die (ursprüngliche) Berufung erwies sich daher (auch) in Hinblick auf die Unterfertigung als mangelhaft.
Die Beschwerde argumentiert weiter mit der von der belangten Behörde verkannten Verbesserungsfähigkeit dieser Eingabe nach § 13 Abs. 3 AVG und einer Ungleichbehandlung dieses Schriftsatzes gegenüber Schriftsätzen ohne Unterschrift oder elektronisch eingebrachten Schriftsätzen.
Schriftliche Anbringen bedürfen nicht notwendig einer Unterschrift des Einschreiters; das folgt aus § 13 Abs. 4 AVG, der nur bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters und der Authentizität des Anbringens einen Nachweis vorsieht (vgl. Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Aufl., 113). Es kann dahin gestellt bleiben, ob im Beschwerdefall ein Zweifel über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität des Anbringens vorlag. Selbst wenn man das bejaht, war die belangte Behörde nicht zur Zurückweisung der Berufung berechtigt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Berufung durch die innerhalb der Verbesserungsfrist erfolgte eigenhändige Unterfertigung durch den Berufungswerber verbessert werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , 86/09/0044, und vom , 2006/18/0170). Gelangt die Berufungsbehörde zur Ansicht, dass der Vertreter des Berufungswerbers, der die Berufung eingebracht hat, bereits im Zeitpunkt der Berufungserhebung dazu nicht mehr bevollmächtigt war, so hat sie klarzustellen, ob sich der Berufungswerber die Berufung nicht als von ihm selbst erhoben zurechnen lassen will (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/01/0062, unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).
Nichts anderes kann aber im vorliegenden Fall gelten. Die Berufung wurde durch einen dazu nicht Befugten für die Gemeinde unterfertigt, wobei die Berufung - wie sich aus der Unterschriftsklausel eindeutig ergibt - vom zuständigen Organ, nämlich dem Bürgermeister, eingebracht wurde. Selbst wenn man dies als einen Fall des § 13 Abs. 4 AVG ansehen wollte, war durch die Eingabe der Gemeinde vom und die ihr beigelegte, vom Bürgermeister unterfertigte Ausfertigung der Berufung klargestellt, dass die Berufung der Gemeinde zuzurechnen war.
Ein dem hg. Beschluss vom , 2003/17/0096, und dem hg. Erkenntnis vom , 2004/07/0101, vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Ging es in den dortigen Fällen um die (im Ergebnis verneinte) rückwirkende Sanierbarkeit der Vollmachtserteilung an einen gewillkürten Parteienvertreter außerhalb der Berufungsfrist, so geht es im vorliegenden Fall um die Verbesserung der Berufung durch Beisetzung der Unterschrift des Bürgermeisters innerhalb der Verbesserungsfrist und nicht um die Sanierung der fehlenden Befugnis des Gemeindesekretärs zur Unterfertigung.
Über die somit zulässige Berufung wäre daher eine Sachentscheidung zu treffen gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines 2. Spruchteils wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 455/2008.
Wien, am