VwGH vom 29.01.2008, 2007/18/0601
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/18/0192 E
2006/18/0437 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des FR in W, geboren am , vertreten durch Mag. Wilhelm Pruckner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Gallgasse 50, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/132385/2007, betreffend Versagung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.
Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Gemäß § 88 Abs. 1 FPG könnten Fremdenpässe, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik Österreich gelegen sei, für den in den Z. 1 bis 6 leg. cit. umschriebenen Personenkreis ausgestellt werden. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag damit begründet, seine Mutter wäre schwer krank. Sie wäre in Bosnien und 65 Jahre alt. Er hätte keinen Vater. Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - mache sohin humanitäre Gründe im Sinn des § 88 Abs. 1 Z. 6 FPG geltend. In den Fällen des § 88 FPG komme es aber nicht (nur) darauf an, dass die Ausstellung des Fremdenpasses im Interesse des Betroffenen gelegen sei, sondern es müsse auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Worin im vorliegenden Fall das positive Interesse der Republik Österreich gelegen sein solle, sei weder vom Beschwerdeführer hinreichend geltend gemacht worden noch sei ein solches Interesse aus dem Akteninhalt erkennbar.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die mit "Ausstellung von Fremdenpässen" überschriebene Bestimmung des § 88 Abs. 1 FPG hat folgenden Wortlaut:
"(1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2. ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gegeben sind;
4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt oder
6. Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten."
1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz 1997 ist vorrangige, für die Verwirklichung jedes einzelnen der in den § 76 Abs. 1 Z. 1 bis 5 leg. cit. (entspricht nunmehr § 88 Abs. 1 Z. 1 bis 5 FPG) umschriebenen Tatbestände wesentliche Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses, dass dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist. Für die Ausstellung eines Fremdenpasses kommt es somit nicht bloß darauf an, dass die Ausstellung im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Österreich eröffnet mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu Reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0505, mwN).
2.1. Die belangte Behörde hat die Versagung des Fremdenpasses maßgeblich darauf gestützt, dass (auch) in einem nach § 88 Abs. 1 Z. 6 FPG zu beurteilenden Fall für die Ausstellung eines Fremdenpasses primär auf das erforderliche öffentliche Interesse der Republik Österreich im Sinn des § 88 Abs. 1 (Einleitungssatz) FPG abzustellen sei.
2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei "seit in Österreich aufhältig und genießt Asyl". Ihm die Möglichkeit der Rückkehr in dringenden Fällen nicht zu genehmigen, sei äußerst herzlos und menschenrechtswidrig.
2.3. Dem im Verwaltungsakt erliegenden erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom der Status des subsidiär Schutzberechtigten und eine (zuletzt bis befristete) Aufenthaltsberechtigung nach § 15 Abs. 1 iVm Abs. 3 Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
2.4. Die am in Kraft getretene Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, Amtsblatt Nr. L 304 vom , S. 12-23, lautet auszugsweise:
"Kapitel VI
Subsidiärer Schutzstatus
Artikel 18
Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus
Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen
oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II
und V erfüllt, den subsidiären Schutzstatus zu.
(...)
Kapitel VII
Inhalt des internationalen Schutzes
Artikel 20
Allgemeine Bestimmungen
(1) Die Bestimmungen dieses Kapitels berühren nicht die in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten Rechte.
(2) Sofern nichts anderes bestimmt wird, gilt dieses Kapitel sowohl für Flüchtlinge als auch für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz.
(...)
Artikel 24
Aufenthaltstitel
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 19 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen. Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
Artikel 25
Reisedokumente
(1) Die Mitgliedstaaten stellen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente aus, mit denen sie reisen können, zumindest wenn schwerwiegende humanitäre Gründe ihre Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
(...)"
Die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie ist am abgelaufen.
2.5. Gemäß § 88 Abs. 1 Z. 6 FPG kann einer Person, der der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, auf Antrag ein Fremdenpass ausgestellt werden, wenn humanitäre Gründe dessen Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten.
Die einleitende, (auch) auf Z. 6 zu beziehende Einschränkung des § 88 Abs. 1 FPG, den Fremdenpass nur auszustellen, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, ist in Ansehung des hinreichend bestimmten und ein subjektives Recht einräumenden Art. 25 Abs. 2 der genannten Richtlinie, der eine derartige Einschränkung nicht vorsieht und die bereits bis zum umzusetzen war, gemeinschaftsrechtswidrig und hat daher in Fällen, die nach § 88 Abs. 1 Z. 6 FPG zu beurteilen sind, unangewendet zu bleiben.
Dies hat die belangte Behörde nicht erkannt und daher nicht geprüft, ob die im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Umstände (Erkrankung der Mutter des Beschwerdeführers) als humanitäre Gründe anzusehen sind, die die (vorübergehende) Anwesenheit des Beschwerdeführers in einem anderen Staat erfordern, und ob die Ausstellung eines Fremdenpasses aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten ist.
3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am