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VwGH vom 29.07.2015, 2012/07/0234

VwGH vom 29.07.2015, 2012/07/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerden 1. des "Ö" in W und 2. des W in W, beide vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft jeweils vom , 1. Zl. BMLFUW-UW./0132-I/6/2012 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/07/0234) und 2. Zl. BMLFUW-UW./0133-I/6/2012 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/07/0235), betreffend Zurückweisung von Wiedereinsetzungsanträgen i.A. des WRG 1959 (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. P M in S und 2. Dipl.- Ing. A L in D, beide vertreten durch die Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Steiermark (LH) den Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Projektes "Trinkwasserkraftwerk A - Kraftwerk X Ausbaustufe Teil A" unter Vorschreibung verschiedener Auflagen.

An dem wasserrechtlichen Verfahren waren die beschwerdeführenden Parteien nicht beteiligt; ihnen wurde der Bewilligungsbescheid auch nicht zugestellt.

Eine gegen diesen Bescheid vom Landeshauptmann von Steiermark als dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan erhobene Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (die belangte Behörde) mit Bescheid vom im zweiten Rechtsgang (nachdem ein erster Berufungsbescheid der belangten Behörde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , Zl. B 51/10, aufgehoben worden war) mangels Parteistellung und damit Berufungslegitimation des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes zurück, sodass der Bewilligungsbescheid des LH rechtskräftig wurde.

Mit Schreiben jeweils vom beantragten die beschwerdeführenden Parteien die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Berufungen gegen den Bewilligungsbescheid vom ; zugleich führten sie die Berufungen aus.

Mit den angefochtenen Bescheiden jeweils vom wies die belangte Behörde diese Wiedereinsetzungsanträge mangels Parteistellung der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 71 Abs. 1 AVG iVm § 102 WRG 1959 und § 8 AVG zurück. Zur Zuständigkeit führte die belangte Behörde lediglich aus, diese liege wie die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufungen "bei der Obersten Wasserrechtsbehörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde des LH Stmk im Wasserrechtsverfahren".

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt. Auch die Mitbeteiligten haben Gegenschriften eingebracht, in der sie die Zurück-, in eventu Abweisung der Beschwerden beantragen.

Zu einer Replik der erstbeschwerdeführenden Partei auf die Gegenschriften haben die Mitbeteiligten wiederum eine Stellungnahme erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Nach § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Versäumte Handlung war hier die (rechtzeitige) Einbringung von Berufungen gegen den Bescheid des LH vom .

Nach § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Demnach war vorliegend der LH jene Behörde, bei der die versäumte Handlung, nämlich die (rechtzeitige) Berufung vorzunehmen war; der LH war daher auch jene Behörde, die über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hatte. Daran ändert auch die Anordnung in § 63 Abs. 5 AVG nichts, dass dann, wenn eine Berufung innerhalb der Berufungsfrist bei der Berufungsbehörde eingebracht wird, dies als rechtzeitige Einbringung gilt und die Berufungsbehörde die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten hat. Durch diese Anordnung wird lediglich die Rechtzeitigkeit einer Berufung fingiert, die abweichend von § 63 Abs. 5 erster Satz AVG nicht bei der Behörde eingebracht wird, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat; nicht hingegen wird damit die Berufungsbehörde auch zu jener Behörde gemacht, bei der die Berufung einzubringen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0026, weiters etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0147, sowie vom , Zl. 2001/03/0212, jeweils mwN).

Über die Wiedereinsetzungsanträge der beschwerdeführenden Parteien hatte demnach der LH und nicht die belangte Behörde zu entscheiden.

Die belangte Behörde war daher zur Entscheidung über die Wiedereinsetzungsanträge unzuständig. Eine Unzuständigkeit der belangten Behörde ist vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0243, mwN).

3. Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben waren, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen inhaltlich einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-70707