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VwGH vom 21.06.2011, 2009/22/0309

VwGH vom 21.06.2011, 2009/22/0309

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Reinhold Gsöllpointner und Dr. Robert Pirker, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 7a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. E1/3837/4/2009, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm § 61, § 63 und § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin bereits am im Alter von 13 Jahren einen Diebstahl begangen habe. Wegen versuchten Diebstahls sei sie rechtskräftig mit zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten erfolgt.

(Die erstinstanzliche Behörde stellte dazu fest, dass diese Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei und welche Tathandlungen - insbesondere Wegnahme von Bankomatkarten - dieser Verurteilung konkret zu Grunde lagen.)

Mit rechtskräftigem Urteil vom sei die Beschwerdeführerin zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden.

(Auch dazu stellte die erstinstanzliche Behörde die Tathandlungen dar, die Körperverletzung, versuchte Nötigung, gefährliche Drohung, teils vollendeten, teils versuchten, teilweise durch Einbruch verübten gewerbsmäßigen Diebstahl, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, Urkundenunterdrückung und schweren Betrug in insgesamt 26 Fällen zum Inhalt hatten.)

Die bedingte Strafnachsicht zur Verurteilung vom (richtig: ) sei - so die weitere Bescheidbegründung - widerrufen worden. Mit Beschluss vom sei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafen zwecks Unterziehung einer stationären Entwöhnungstherapie aufgeschoben worden.

Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass sie seit ihrem elften Lebensjahr Suchtgift konsumiere. Sie verantworte ihr strafbares Verhalten mit dem erlittenen Missbrauch durch ihren Vater, durch welchen sie traumatisiert sei. Der Vater sei rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt und in seinen Herkunftsstaat Bosnien abgeschoben worden.

Durch die rechtskräftigen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG mehrfach erfüllt. Weiters rechtfertige das strafbare Verhalten die Annahme, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Das Aufenthaltsverbot sei dringend geboten. Die Anzeigen sowie die rechtskräftige Verurteilung vom hätten die Beschwerdeführerin nicht davon abhalten können, weiter massiv und häufig straffällig zu werden.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin wohne seit durchgehend jeweils mit gültiger Aufenthaltsbewilligung (seit mit unbefristeter Niederlassungsbewilligung) in Österreich. Ihr im Jahr 2002 gestellter Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei abgewiesen worden. Sie habe in Österreich die Pflichtschule besucht und unregelmäßig gearbeitet. Von einer Integration am österreichischen Arbeitsmarkt könne nicht ausgegangen werden, habe die Beschwerdeführerin doch in neun Jahren lediglich zweieinhalb Jahre gearbeitet. Die Beschwerdeführerin befinde sich in einem Therapiezentrum in stationärer Behandlung.

Bereits seit Juli 2008 sei sie im Rahmen einer Bewährungshilfe betreut worden, während dieser Zeit aber viermal straffällig geworden. Weiters habe sie Anordnungen in der stationären Therapie missachtet und sei am aus der Therapiestation entlassen worden. Mit sei sie wieder stationär in ein Therapienetz aufgenommen worden. Eine Nachfrage habe ergeben, dass auf Grund der kurzen Therapiezeit noch keine Beurteilung möglich sei. Die Beschwerdeführerin sei volljährig, ledig und habe keine Kinder. Sie habe keine Kontakte in Bosnien. Da sie seit dem elften Lebensjahr Suchtmittel konsumiere, im

13. Lebensjahr erstmals mit einem Diebstahl begonnen und Therapieanordnungen nicht eingehalten habe, könne von einer günstigen Zukunftsprognose nicht ausgegangen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann.

Nach Z 1 dieser Bestimmung ist dies der Fall, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen. Von diesen ausgehend ist die behördliche Ansicht nicht zu beanstanden, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei.

Entgegen der Beschwerdeansicht hegt der Gerichtshof auch keine Bedenken gegen die behördliche Annahme einer Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG. In der Beschwerde wird auf den sexuellen Missbrauch der Beschwerdeführerin durch ihren Vater verwiesen, der dazu geführt habe, dass die Beschwerdeführerin bereits ab ihrem elften Lebensjahr mit Suchtgift in Berührung gekommen sei und die Straftaten daher "eigentlich der Beschwerdeführerin nicht zur Last gelegt werden" dürften.

Auch wenn zweifellos der sexuelle Missbrauch der Beschwerdeführerin aufs Schärfste zu verurteilen ist, ändert dies nichts an ihrem Fehlverhalten und an der daraus abzuleitenden Gefährdungsprognose. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe handelt und dem Fremden auch kein Verschulden an der von ihm ausgehenden Gefährdung angelastet werden muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0579). Dass jedoch im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin eine beträchtliche Gefährdung von geschützten Rechtsgütern ausgeht, ist angesichts ihres lange andauernden und massiven Fehlverhaltens nicht zu bezweifeln. In diesem Zusammenhang wies die belangte Behörde zutreffend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin trotz vorangehender Verurteilungen und Betreuung im Rahmen einer Bewährungshilfe wieder straffällig wurde und sie auch wegen Missachtung von Anordnungen aus einer Therapiestation entlassen werden musste. Die Beschwerdeführerin ist nicht in der Lage, eine positive Therapiebeurteilung aufzuzeigen. Auch wenn im Blick auf die der Beschwerdeführerin erteilte unbefristete Niederlassungsbewilligung der Maßstab des § 56 Abs. 1 FPG anzuwenden ist (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0568), führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung, muss doch aus dem weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet (auch) eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG abgeleitet werden.

Der Gerichtshof kann auch die behördliche Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG nicht als rechtswidrig erkennen. Die seit ihrem siebenten Lebensjahr in Österreich niedergelassene Beschwerdeführerin vermag zwar auf einen langen inländischen Aufenthalt zu verweisen, sie ist aber beruflich nicht integriert und verfügt über keine eigene Kernfamilie. In der Berufung hat die Beschwerdeführerin auf "keine oder jedenfalls unzureichende" Kenntnisse der bosnischen Sprache verwiesen. Dies macht das Aufenthaltsverbot aber nicht von vornherein unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat im öffentlichen Interesse die Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in ihrem Heimatland in Kauf zu nehmen. Auch der Umstand, dass sich ihr Vater in Bosnien aufhält, macht die getroffene Maßnahme nicht rechtswidrig, ist doch nicht davon auszugehen, dass ein Zusammentreffen mit dem Vater nicht vermieden werden kann. Dem Aufenthaltsverbot steht somit auch nicht die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK entgegen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am