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VwGH vom 03.11.2010, 2007/18/0570

VwGH vom 03.11.2010, 2007/18/0570

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der MZ in W, geboren am , gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/266.890/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides - so die belangte Behörde - seien im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen.

Der Beschwerdeführer, der zunächst vom bis über einen Aufenthaltstitel zwecks befristeter Beschäftigung verfügt habe, habe am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - darauf gestützt - die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt. Am habe die Ehefrau ausführlich niederschriftlich angegeben, dass es sich bei dieser Eheschließung um eine Scheinehe gehandelt habe, die über Vermittlung eines ehemaligen Mithäftlings ihres damaligen Freundes zustande gekommen sei. Für die Eheschließung seien ihr EUR 5.000,-- angeboten worden, jeweils EUR 1.000,-- bei der Anmeldung am Standesamt und nach der Hochzeit, der Rest in Raten. Ein gemeinsames Wohnen habe es nie gegeben, die Ehe sei auch nie vollzogen worden. Sie habe ihren Ehemann kurz vor der Hochzeit in ihrer Wohnung angemeldet, es befänden sich jedoch keinerlei Kleidungsstücke "oder sonstiges" in der Wohnung.

Aktenkundig sei - so die belangte Behörde weiter -, dass der Beschwerdeführer bereits "mit Berufungsbescheid" der belangten Behörde vom an der Wohnung seiner Ehefrau "amtlich abgemeldet" worden sei. Seine Ehefrau habe am vor der Meldebehörde angegeben, dass sie in der Wohnung alleine mit ihrem Sohn wohne, der Beschwerdeführer habe sich ohne ihre Zustimmung dort angemeldet. Am habe sie Erhebungsorganen der Meldebehörde gegenüber angegeben, dass der Beschwerdeführer nie bei ihr gewohnt habe und sie eine Scheinehe mit ihm führe. (Entsprechend einem im Verwaltungsakt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister war der Beschwerdeführer vom bis und vom bis am Hauptwohnsitz seiner Ehefrau in W mit Hauptwohnsitz gemeldet.)

Da der Beschwerdeführer weder während des erstinstanzlichen Verfahrens noch in seiner Berufung das Eingehen einer Scheinehe bestritten habe, sei diese - so die belangte Behörde - in Hinblick auf die überzeugende Aktenlage als erwiesen anzusehen.

Das Eingehen einer Scheinehe zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels erfülle nicht nur den in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierten Sachverhalt, ein solches Fehlverhalten stelle vielmehr eine gegenwärtige, tatsächliche und erhebliche Gefahr (für die öffentliche Ordnung) dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, weshalb kein Zweifel bestehe, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 FPG gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet, Sorgepflichten bestünden zu einem in Deutschland lebenden Kind. Sonstige familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Der angesichts aller Umstände mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer, wie der Beschwerdeführer, eine Scheinehe schließe, um solcherart eine Niederlassungsbewilligung zu erwirken. Die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweise.

Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung könne der Beschwerdeführer auf keine maßgebliche, aus der Dauer seines Aufenthaltes ableitbare Integration verweisen, sei er doch lediglich kurzfristig zum Aufenthalt berechtigt gewesen und stütze sich sein gesamter nachfolgender Aufenthalt ausschließlich auf das genannte Fehlverhalten. Gleiches gelte für allfällige, vom Beschwerdeführer ausgeübte unselbständige Beschäftigungen. Auch angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen sei das ihm insgesamt zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Demgegenüber stehe das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten begründete hohe öffentliche Interesse "an seinem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes". Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG sei nicht gegeben.

Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei mit zehn Jahren zu befristen. In Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der Beschwerdeführer das Eingehen einer Scheinehe nicht bestritten habe. Es sei auf die "gegenteiligen Ausführungen in der Berufung" zu verweisen, wonach ein massiver Eingriff in das Familienleben moniert werde.

1.2. Der Beschwerdeführer hat in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung vorgebracht, dass die ihm als Jugendlicher in Jugoslawien vorgeworfenen (und im erstinstanzlichen Bescheid erwähnten) Straftaten Jugendsünden gewesen seien, für die er auch bestraft worden sei, er in der Zwischenzeit seine Fehler eingesehen und dafür auch gebüßt habe, das Aufenthaltsverbot einen massiven Eingriff in sein Familienleben bedeute und keinesfalls gerechtfertigt sei sowie gemäß § 63 Abs. 1 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nur in den Fällen des § 60 Abs. 1 Z. 1, 5 und 12 bis 14 FPG erlassen werden könne, was auf ihn nicht zutreffe.

Selbst wenn man den - in der Beschwerde wiederholten - bloßen Hinweis des Beschwerdeführers auf einen durch das Aufenthaltsverbot bewirkten "massiven Eingriff in sein Familienleben" als - grundsätzliche - Bestreitung des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und nicht als ein im Zusammenhang mit der gemäß § 66 FPG durchzuführenden Interessenabwägung erstattetes Vorbringen verstehen wollte, ließe dieses Vorbringen jede Begründung für die behauptete Nichterfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG vermissen.

Der Beschwerdeführer ist - auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - weder der das Eingehen einer Scheinehe ausführlich beschreibenden Aussage seiner Ehefrau inhaltlich konkret entgegengetreten, noch hat er einen Grund dafür dargelegt, weshalb die belangte Behörde Zweifel an der Richtigkeit der genannten Aussage hätte haben müssen. Ferner zeigt die Beschwerde kein konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand auf, die die Annahme des Vorliegens einer Scheinehe in Frage stellen hätten können. Sie tritt auch den zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erklärten Sachverhaltsfeststellungen des erstinstanzlichen Bescheides nicht entgegen, wonach u.a. eine Scheineheüberprüfung zunächst ergeben habe, dass kein gemeinsamer Wohnsitz (des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau) bestanden habe und im Rahmen einer Hauserhebung an der angeblichen ehelichen Adresse in W von der Nachbarin eine "Eheverbindung" bezweifelt worden sei, zumal in der Wohnung der Ehefrau zwar regelmäßig fremde Männer ein- und ausgingen, aber ein Ehemann nicht zugeordnet habe werden können.

Wenn die belangte Behörde auf dem Boden dieser Beweislage das Vorliegen einer durch den Beschwerdeführer eingegangenen Aufenthaltsehe als erwiesen angesehen hat, so begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

1.3. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0412, mwN), ist auch die Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 FPG darstelle, nicht zu beanstanden.

2.1. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass er sich seit dem Jahr 2004 durchgehend in Österreich aufhalte, einer Beschäftigung nachgehe und eine familiäre Bindung zu seiner Ehegattin, seinem in Österreich lebenden Bruder und seiner in Deutschland lebenden minderjährigen Tochter bestehe. Er halte sich rechtmäßig in Österreich auf. Das Aufenthaltsverbot stelle einen massiven Eingriff in seine "Privat- und Familienrechte" und seine wirtschaftliche Integration dar, welcher auch nicht durch die Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele egalisiert werden könne.

2.2. Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG die aus der Dauer des Aufenthaltes im Inland ableitbare Integration des Beschwerdeführers, das grundsätzliche Bestehen der in Rede stehenden Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, seine Sorgepflichten zu einem in Deutschland lebenden minderjährigen Kind und seine allfällige Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Sie hat die Bindung des Beschwerdeführers zu seinem im Bundesgebiet lebenden Bruder zwar nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch eingangs allgemein die Gründe des - u.a. diese Bindung berücksichtigenden - erstinstanzlichen Bescheides auch für die angefochtene Entscheidung als maßgeblich bezeichnet.

Die Beschwerde behauptet nicht, dass die familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder über das zwischen Seitenverwandten übliche Maß hinausginge. Ebenso wenig tritt sie dem bereits im erstinstanzlichen Bescheid dargelegten Umstand entgegen, dass die Mutter des in Deutschland lebenden Kindes des Beschwerdeführers ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdeführers eingeleitet habe.

Zutreffend hat die belangte Behörde überdies das Gewicht der aus seinem bisherigen Aufenthalt und seiner unselbständigen Beschäftigung resultierenden privaten Interessen des Beschwerdeführers im Ergebnis dadurch als entscheidend gemindert beurteilt, dass sowohl sein Aufenthalt im Bundesgebiet als auch seine Berufstätigkeit auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe zurückzuführen sind.

Den geminderten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Der Beschwerdeführer bemängelt, dass ihn die belangte Behörde im Rahmen ihrer Manuduktionspflicht nicht zur Vorlage entsprechender Unterlagen angewiesen habe und sich in diesem Fall herausgestellt hätte, dass keine Scheinehe vorliege sowie aufgrund des großen persönlichen und wirtschaftlichen Integrationsgrades die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen hätte müssen.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass sich die behördliche Anleitungspflicht gemäß § 13a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG von vornherein nur auf nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretene Personen bezieht, der Beschwerdeführer jedoch sowohl im erstinstanzlichen Verfahren, nämlich seit , als auch bei Einbringung seiner Berufung und im Verfahren vor der belangten Behörde anwaltlich vertreten war und er überdies in der Beschwerde nicht darlegt, durch Vorlage welcher Unterlagen die behördliche Beweiswürdigung in Frage gestellt hätte werden können. Er unterlässt es somit auch, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzustellen.

Aus den unter 2.2. dargelegten Erwägungen geht ferner der Vorwurf, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer seit 2004 in W amtlich gemeldet sei und ständig arbeite, weshalb der Sachverhalt einer Ergänzung bedürfe, ins Leere.

4. Schließlich ist auch die Ermessensübung der belangten Behörde nicht gesetzwidrig erfolgt. Es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-70683