VwGH vom 25.04.2016, Ra 2016/16/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W208 2106545- 1/3E, betreffend Gerichtsgebühren (mitbeteiligte Partei: K S in S, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltgesellschaft mbH in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22), in der Sache zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , Zl. 1 Jv 33/15g - 33, abgewiesen wird.
Begründung
1 In seiner beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten "Anfechtungsklage" vom begehrte der Mitbeteiligte das
"Urteil:
Die durch die beklagte Partei mit Schreiben vom ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses der klagenden Partei wird für rechtsunwirksam erklärt."
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom schloss der Mitbeteiligte - nach Vortrag seiner Klage und Bestreitung durch die Beklagte - folgenden
"Vergleich:
1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, an die klagende Partei zuhanden der Klagsvertretung eine freiwillige Abfertigung zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung in Höhe von EUR 11.000,-- brutto zu bezahlen, wobei sowohl die gesetzliche, als auch die verglichene freiwillige Abfertigung vereinbarungsgemäß bis fällig sind.
2. Die gerichtlichen Pauschalgebühren trägt jede Partei zur Hälfte."
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die im Justizverwaltungsweg - basierend auf den Bemessungsgrundlagen von EUR 733,-- für die Anfechtung der Kündigung, EUR 54.600,-- für die gesetzliche Abfertigung und EUR 11.000,-- für die freiwillige Abfertigung sowie einer Einhebungsgebühr - erfolgte Vorschreibung von Pauschalgebühr statt, hob den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom auf, bestimmte die Pauschalgebühr gemäß § 32 GGG TP 1 mit EUR 641,-- zuzüglich einer Einhebungsgebühr von EUR 8,-- gemäß § 6a Abs. 1 GEG und verpflichtete den Mitbeteiligten zur Entrichtung binnen 15 Tagen. Weiters sprach das Gericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend beurteilte das Gericht den Sachverhalt unter Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG im Wesentlichen wie folgt:
"Im Beschwerdefall begehrte der (Mitbeteiligte) in seiner Klage ausschließlich die Aufhebung der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung des Dienstverhältnisses und nicht die Leistung eines Geldbetrages. Da der Streitwert gern. § 16 Abs. 1 GGG EUR 733,-- betrug, lag er unter der von Anmerkung 8 zu TP 1 eingeräumten Freigrenze von EUR 1450,--.
Der von den Streitparteien geschlossene Vergleich hatte nach dessen eindeutigem Wortlaut aber nicht die begehrte Unwirksamkeitserklärung der Kündigung zum zum Inhalt, sondern die Bezahlung einer freiwilligen Abfertigung von EUR 11.000,--. Damit war der Vergleich gebührenrechtlich als Klagsausdehnung gem. § 18 Abs. 2 Z 2 GGG zu behandeln.
Die belangte Behörde vermeint allerdings, dass aufgrund der Erwähnung, dass die freiwillige Abfertigung ‚zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung' zu zahlen sei, der Gegenstand des Vergleiches auch die Höhe der gesetzlichen Abfertigung gewesen sei und diese einzurechnen wäre. Sie hat dem (Mitbeteiligten) die entsprechenden höheren Gebühren auferlegt.
Damit ist ihr aber auf der Tatsachenebene ein Irrtum unterlaufen. Bei verständiger Würdigung des Vergleichstextes (ausführlich dargestellt vorne in der Beweiswürdigung) ergibt sich für das BVwG eindeutig, dass die Auszahlung der gesetzlichen Verpflichtung nicht Verhandlungsgegenstand der Tagsatzung und des Vergleiches war. Dabei verkennt dass BVwG nicht, dass es nach der ständigen Judikatur - anders als der (Mitbeteiligte) vermeint - nicht auf den subjektiven Willen der Parteien ankommt und auch nicht darauf, ob der Vergleichsgegenstand überhaupt strittig war oder exekutierbar ist, sondern ausschließlich auf den Wortlaut des Vergleiches bei objektiver Betrachtung. Der Vergleich als solches war aber bei objektiver Betrachtung von vornherein nicht auf eine Klarstellung gerichtet, dass die gesetzliche Abfertigung gebührt, sondern einzig und alleine auf die Auszahlung einer zusätzlichen freiwilligen Abfertigung.
Da im Wortlaut des Vergleichstextes einerseits ausdrücklich nur von der ‚verglichenen freiwilligen Abfertigung' die Rede ist und andererseits keinerlei Zweifel daran bestehen (wie sich auch aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt), dass die Bezahlung der gesetzlichen Ansprüche gem. § 23 AngG für die Parteien undisponierbar waren, erweist sich das Argument des (Mitbeteiligten), die gesetzlichen Ansprüche seien nur insofern erwähnt worden, um semantisch klarzustellen, dass die freiwillige Abfertigung ‚zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung' zu zahlen ist, als schlüssig.
Die belangte Behörde hätte daher die Höhe der gesetzlichen Abfertigung nicht in die Bemessungsgrundlage einrechnen dürfen.
Weiters irrt die belangte Behörde auch, wenn sie den ursprünglichen Streitwert von EUR 733,-- der Bemessungsgrundlage hinzurechnet, weil durch den Vergleich sich die Bemessungsgrundlage auf insgesamt 11.000,-- erhöht hat und § 18 Abs. 2 Z 2 GGG ausdrücklich vorsieht, dass die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen ist.
Im Gegenstand macht dies allerdings keinen Unterschied weil gem. TP 1 EUR 641,-- Gebühr für eine Bemessungsgrundlage zwischen EUR 7.270,-- bis EUR 36.340,-- zu zahlen sind.
Der Umstand, dass sich auch die beklagte Partei im Spruchpunkt 2 des Vergleiches bereit erklärt hat, die Hälfte der Gebühr zu zahlen, ist für das Einbringungsverfahren hingegen unbeachtlich, da gem. § 7 Abs. 1 Z 1 GGG (abgesehen von den hier nicht zutreffenden Ausnahmen) nur die klagende Partei zahlungspflichtig ist. Der Vergleich über die Aufteilung der Gerichtsgebühren gilt nur im Innenverhältnis zwischen den Parteien und kann nicht dazu führen, dass die Justizverwaltungsbehörde - entgegen der gesetzlichen Bestimmung - auch der beklagten Partei Gerichtsgebühren vorschreibt.
Da dem angefochtenen Bescheid aus den vom (Mitbeteiligten) angeführten Gründen eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anhaftet, war der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattzugeben, der Bescheid aufzuheben und die Pauschalgebühr gern. TP 1 mit EUR 641,- zuzüglich EUR 8,-- Einhebungsgebühr gem. § 6a Abs. 1 GEG, Gesamtsumme EUR 649,-- neu festzusetzen.
..."
Anschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz mit dem Antrag, in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom abgewiesen werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die Zurückweisung der Revision als unzulässig, in eventu die Abweisung der außerordentlichen Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
4 Die vorliegende Amtsrevision sieht ihre Zulässigkeit und Begründetheit zusammengefasst darin, dass das Verwaltungsgericht entgegen - näher wiedergegebener - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bemessungsgrundlage nach § 18 Abs. 2 GGG zu Unrecht nicht mit der Rechtsunwirksamerklärung der ausgesprochenen Kündigung (Bemessungsgrundlage EUR 733,--), der Leistung der gesetzlichen Abfertigung (in der ermittelten Höhe von EUR 54.600,--) sowie der weiteren freiwilligen Abfertigung in Höhe von EUR 11.000,-- zugrunde gelegt habe. Weiters habe das Gericht die Leistungsfrist zu Unrecht mit 15 Tagen bemessen.
5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.
Die vorliegende außerordentliche Revision erweist sich aus folgenden Gründen als zulässig und berechtigt:
6 Nach § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich.
Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist der Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist nach Abs. 2 leg. cit. die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
7 Im Revisionsfall war das Urteilsbegehren der Klage vom auf "Unwirksamerklärung" einer arbeitsrechtlichen Kündigung (d.h. Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung) gerichtet; die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend von einem Wert dieses Streitgegenstandes von EUR 733,-- für die Gebührenbemessung aus.
In der Tagsatzung vom verpflichtete sich die Beklagte, "zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung" eine freiwillige Abfertigung in der Höhe von EUR 11.000,-- brutto zu bezahlen, wobei sowohl die gesetzliche, als auch die verglichene freiwillige Abfertigung vereinbarungsgemäß bis fällig seien. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen weiters übereinstimmend davon aus, dass die im Vergleich nicht näher bezifferte gesetzliche Abfertigung EUR 54.600,-- betrug. Das Bundesverwaltungsgericht legte diesem Vergleich eine Bemessungsgrundlage von EUR 11.000,-- zugrunde, weil die Auszahlung der gesetzlichen Abfertigung nicht Gegenstand der Tagsatzung des Vergleiches gewesen sei und die Pauschalgebühr nur unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes von EUR 11.000,-- zu berechnen sei.
8 Nach der - zur Bewertung bestandrechtlicher Vergleiche ergangenen - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht der Einbeziehung einer Leistung in die Bemessungsgrundlage nicht entgegen, dass die Höhe der Leistung im Vergleich selbst nicht angeführt ist; es genügt, dass sich der Schuldner neuerlich zur Leistung in der schon vorher vereinbarten Höhe verpflichtet hat (vgl. etwa die in Wais/Dokalik , Kommentar zu den Gerichtsgebühren11, unter E 81 zu § 18 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).
9 Ein Vergleich führt auch dann zur Neubewertung des Streitgegenstandes, wenn er in Ansehung eines gar nicht (mehr) strittigen Anspruches geschlossen oder wenn darin eine schon vertraglich bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird. Auch ein Vergleichspunkt, der (allenfalls) nur zur Klarstellung gedient hat, ist gebührenrechtlich von Bedeutung. Für die Gebührenpflicht eines Vergleichs ist es unbeachtlich, ob ein vollstreckbarer (exekutionsfähiger) Titel entstanden ist oder nicht (vgl. etwa die in Wais/Dokalik , aaO, unter E 35 ff zu § 18 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).
10 In seinem Erkenntnis vom , 94/16/0206, beurteilte der Verwaltungsgerichtshof den - vergleichbaren - Fall einer arbeitsrechtlichen Klage auf Rechtsunwirksamerklärung einer Kündigung und eines in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleiches über die Leistung einer Abfertigung dahingehend, dass der Bemessungsgrundlage einerseits der Abfertigungsanspruch und andererseits der Wert des Streitgegenstandes der ursprünglichen arbeitsrechtlichen Streitigkeit hinzuzurechnen seien. Gleichfalls billigte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2010/16/0306, die Zusammenrechnung des Wertes des Streitgegenstandes der (damals) begehrten Aufhebung der Kündigung und der weiteren Verpflichtung zur Leistung eines ziffernmäßig näher bestimmten Bruttogehaltes.
Für den Revisionsfall folgt daraus:
11 Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Vergleich vom eine Leistung zum Gegenstand hat, die den Wert des Klagebegehrens übersteigt. Vor dem Hintergrund der zitierten Erkenntnisse vom und tritt daher zum Wert des ursprünglichen Feststellungsbegehrens zunächst der Wert der freiwilligen Abfertigung hinzu. Gegenstand des Vergleiches war allerdings die Verpflichtung der Beklagten, die freiwillige Abfertigung "zusätzlich zur gesetzlichen Abfertigung" zu bezahlen, wobei sowohl die gesetzliche als auch die verglichene freiwillige Abfertigung vereinbarungsgemäß bis fällig seien. Nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung schadete es zunächst nicht, dass die Höhe der gesetzlichen Abfertigung im Vergleich nicht ziffernmäßig bestimmt war. Dadurch, dass die beklagte Partei ihre Verpflichtung zur Leistung auch der gesetzlichen Abfertigung bis bekräftigte, übernahm sie die (allenfalls gar nicht strittige) Verpflichtung zur Leistung dieses (der Höhe nach nicht strittigen) Betrages bis zu einem bestimmten Termin, mag der Vergleich für die Hereinbringung der gesetzlichen Abfertigung auch keinen exekutionsfähigen Titel abgegeben haben. Damit trat zum Wert des Streitgegenstandes der ursprünglichen Klage und der Verpflichtung zur Leistung der freiwilligen Abfertigung von EUR 11.000,-- die weitere Verpflichtung zur Leistung der gesetzlichen Abfertigung bis hinzu, weshalb die Bemessungsgrundlage insgesamt EUR 66.333,-- betrug, womit sich die Vorschreibung der Gerichtsgebühr im Justizverwaltungswerg als rechtmäßig erweist.
12 Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt und den der Höhe nach nicht bestrittenen Bemessungsgrundlagen erweist sich die Revisionssache als entscheidungsreif, weshalb gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache dahingehend zu entscheiden ist, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom gemäß § 28 Abs. 2 Z. 1 VwGVG abgewiesen wird.
Wien, am