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VwGH vom 23.10.2014, 2012/07/0209

VwGH vom 23.10.2014, 2012/07/0209

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R G in W, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/1/5/15, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-4240201/017-2012, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Vorstellung nach dem NÖ Gemeindeverbandsgesetz 1978 in einer Angelegenheit des Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer Vorstellung gegen den ihm am zugestellten, in einer Angelegenheit des NÖ Gemeindeverbandsgesetzes 1978 ergangenen Berufungsbescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abfallwirtschaft im Raum S. vom . Die Vorstellung wurde entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides nicht bei der Aufsichtsbehörde, sondern beim Gemeindeverband eingebracht. Ebenso wurde die Vorstellung am dreimal per E-Mail an den Gemeindeverband übermittelt. Dieser leitete die eingebrachte Vorstellung am - somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - an die Aufsichtsbehörde weiter.

Nach einem Verspätungsvorhalt der belangten Behörde stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, es liege ein Ereignis, nämlich die Säumnis des Gemeindeverbandes, vor, auf welches ihm keine Einflussmöglichkeit zugestanden habe und von dem er erst durch den Vorhalt selbst erfahren habe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Vorstellung gemäß § 28 Abs. 2 NÖ Gemeindeverbandsgesetz 1978 als verspätet eingebracht zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Einbringung bei der falschen Behörde trotz der Rechtsmittelbelehrung, die die zuständige Behörde nenne, erfolge gemäß § 6 AVG auf eigene Gefahr des Einschreiters. Die mangelnde Einflussmöglichkeit auf den Zeitpunkt der Weiterleitung begründe weder ein unvorhergesehenes noch ein unabwendbares Ereignis.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 erster Fall AVG verletzt. Dazu bringt er vor, die belangte Behörde versuche, das Fehlverhalten des Gemeindeverbandes - nämlich das Unterlassen der unverzüglichen Weiterleitung einer Eingabe, für die er unzuständig gewesen sei - zu decken, ohne darzutun, aus welchem Grund - entgegen ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung - die Verzögerung gerechtfertigt sein sollte. Dies insbesondere unter dem Aspekt, dass eine Weiterleitung ohnehin elektronisch - und somit ohne jegliche Verzögerungen - möglich gewesen und auch erfolgt sei. Der Beschwerdeführer rüge die Vorgehensweise der belangten Behörde als "Verhöhnung unter Art. 3 EMRK". Die belangte Behörde verstoße gegen das in Art. 7 B-VG enthaltene Schikaneverbot und müsse sich ihrerseits ein Fehlverhalten vorwerfen lassen, weil der Gemeindeverband gegen die gesetzliche Anordnung des § 6 AVG verstoßen habe.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 NÖ Gemeindeverbandsgesetz 1978, LGBl. 1600- 5, kann, wer durch den Bescheid eines Verbandsorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches einer verbandsangehörigen Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges, innerhalb von zwei Wochen von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde einzubringen.

Nach § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.

Das Risiko einer durch eine an eine unzuständige Behörde erfolgte Eingabe zustande kommenden Fristversäumung trifft die Partei (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2011/07/0132, 0137). Die in § 6 AVG normierte Pflicht der unzuständigen Behörde zur Weiterleitung von Schriftstücken an die zuständige Behörde darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht beliebig lange hinausgezögert werden. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Behörde eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der Behörde ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes "krasses" Fehlverhalten der zur Weiterleitung verpflichteten Behörde an der Einhaltung der Frist gehindert wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/12/0209, mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mit Schreiben sowie mit drei identen E-mails vom (einem Freitag) Vorstellung gegen einen am zugestellten Berufungsbescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abfallwirtschaft im Raum S. - entgegen der Bestimmung des § 28 NÖ Gemeindeverbandsgesetz und entgegen der ausdrücklichen Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides - nicht bei der Aufsichtsbehörde, sondern beim Gemeindeverband eingebracht.

Die unzuständige Behörde leitete das Schreiben am darauffolgenden Mittwoch, dem , somit am fünften Tag (am dritten Werktag) und außerhalb der am endenden Rechtsmittelfrist an die Aufsichtsbehörde weiter.

Schon angesichts des der Behörde zuzugestehenden Zeitraumes für eine behördeninterne geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Vorstellung (vgl. zu diesem Aspekt erneut das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2013/12/0209) und im Hinblick auf den Umstand, dass in den insgesamt fünftägigen Zeitraum vom Einlangen bis zur Weiterleitung der Vorstellung auch ein Wochenende fiel, kann keinesfalls von einer "extremen Verzögerung" oder von einem "krassen Fehlverhalten" der zur Weiterleitung verpflichteten Behörde gesprochen werden. Daran ändert auch die in der Beschwerde vorgebrachte Möglichkeit der elektronischen Weiterleitung der Vorstellung an die zuständige Behörde nichts.

Mit dem im Wiedereinsetzungsantrag erstatteten Vorbringen einer fehlenden Einflussmöglichkeit des Beschwerdeführers auf den Zeitpunkt der Weiterleitung durch die unzuständige Behörde wird somit weder ein unvorhergesehenes noch ein unabwendbares Ereignis dargetan.

Dass die belangte Behörde vor diesem Hintergrund den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen hat, stellt entgegen dem Beschwerdevorbringen auch kein schikanöses Verhalten dar.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich die angefochtene Entscheidung als "Verhöhnung unter Art 3 EMRK" rügt, so verabsäumt er es, konkret darzustellen, wodurch diese Bestimmung durch die belangte Behörde verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am