VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0560

VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0560

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der G R in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 24/05, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Die Beschwerdeführerin sei mit einem Visum "C" der Österreichischen Botschaft Kiew nach Österreich eingereist und habe ihren Aufenthalt nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Visums unrechtmäßig fortgesetzt. Am habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, und ihr sei eine auf diese Ehe gestützte Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit bis erteilt worden.

In seiner Vernehmung am habe der Ehemann der Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Aufenthaltsehe noch bestritten. Im Rahmen einer neuerlichen Vernehmung am habe er jedoch eingestanden, bei seiner ersten Vernehmung gelogen zu haben; da ihm nunmehr die Notstandshilfe bzw. Sozialhilfe gekürzt worden sei, habe er sich entschlossen, die Wahrheit zu sagen. Er habe - im angefochtenen Bescheid näher dargestellt - seine Beweggründe und die Anbahnung der Aufenthaltsehe durch eine Freundin geschildert. Nach der Hochzeit habe er weiterhin mit seiner (österreichischen) Lebensgefährtin zusammengewohnt, mit der Beschwerdeführerin sei nie eine eheliche Gemeinschaft geplant gewesen. Die Ehe habe nur den Zweck verfolgt, dass die Beschwerdeführerin in Österreich bleiben und arbeiten könne. Am Tag der Hochzeit sei auch eine schriftliche "Ehevereinbarung" geschlossen worden, wonach die Ehe aus rein wirtschaftlichen Gründen, also ohne eine Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft zu gründen, eingegangen werde; die "gesetzlichen Ansprüche einer Ehegemeinschaft" würden ausgeschlossen, die Beschwerdeführerin verzichte auf jeglichen Anspruch sowohl während der Ehe als auch für den Fall der Scheidung; beide Ehepartner verzichteten wechselseitig auf sämtliche Erbansprüche und keiner der Ehepartner könne für voreheliche finanzielle Verpflichtungen des anderen in irgendeiner Weise herangezogen werden; für den Fall der notwendigen Offenlegung dieses Vertrages werde zur Kenntnis genommen, dass die Staatsanwaltschaft Wien ein Verfahren zur Nichtigerklärung der Ehe einleiten würde.

In ihrer Stellungnahme vom habe die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten und vorgebracht, die "Ehevereinbarung" habe keine Gültigkeit, weil sie dem Notariatszwang unterliegen; man habe lediglich eine Gütertrennung vereinbaren wollen.

Beweiswürdigend gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, die Beschwerdeführerin sei eine Aufenthaltsehe eingegangen, um dadurch einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erlangen. Die Angaben des Ehemannes der Beschwerdeführerin seien schlüssig, nachvollziehbar und konkret. Warum dieser seine Ehefrau wahrheitswidrig hätte belasten sollen, sei weder ersichtlich noch sei solches von der Beschwerdeführerin dargelegt worden. Das Eingehen einer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger wenige Wochen nach der Einreise der Beschwerdeführerin in Österreich sei zum damaligen Zeitpunkt der nahezu einzige Weg gewesen, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern. Dass in den wenigen Wochen ihres Aufenthalts eine Liebesbeziehung entstanden sein solle, die letztlich in eine Ehe gemündet habe, stehe mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Widerspruch und sei nicht glaubhaft. Die vorgelegte "Ehevereinbarung" sei - unabhängig davon, ob sie wegen des geltend gemachten Notariatszwanges Rechtsgültigkeit hätte und die darin festgelegten Ansprüche durchsetzbar wären - als Beweismittel verwertbar. Diese Vereinbarung bestätige jedoch, dass eine Ehe- und Familiengemeinschaft nie intendiert gewesen sei.

Wären diese Umstände bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels bekannt gewesen, hätte dieser nie erteilt werden dürfen. Somit sei nachträglich ein Versagungsgrund bekannt geworden, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre. Daher sei der im § 54 Abs. 1 FPG normierte Tatbestand verwirklicht.

Die Ehe der Beschwerdeführerin sei am rechtskräftig geschieden worden. Sorgepflichten oder familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch durchgehend einer Beschäftigung nachgegangen und habe bis über eine Arbeitserlaubnis verfügt.

Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung dringend geboten und zulässig im Sinne dieser Bestimmung sei, weil die Beschwerdeführerin ihren Aufenthalt und den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt nur durch genanntes Fehlverhalten habe erwirken können. Ihre Integration werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe wesentlich gemindert. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen keinesfalls schwerer als das in ihrem Fehlverhalten begründete hohe öffentliche Interesse an ihrem Verlassen des Bundesgebietes.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Abgabe einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, wonach die - von ihrem Ehemann bereits seit Februar 2005 geschiedene - Beschwerdeführerin gemäß § 54 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden könne, weil nachträglich ein Versagungsgrund bekannt geworden sei, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z. 1). Dagegen bestehen auch seitens des Gerichtshofes keine Bedenken.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, jedoch ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt habe.

Gegen die Annahme des Eingehens einer Aufenthaltsehe wendet sich die Beschwerde und bringt vor, die belangte Behörde stütze ihre Entscheidung ausschließlich auf die Angaben des Ehemannes der Beschwerdeführerin, der sich durch seine wahrheitswidrigen Angaben die Vernichtung der Ehe erhofft habe, um an weitere Sozialleistungen gelangen zu können. Noch im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens gemäß § 55a Ehegesetz - EheG habe er vor Gericht das Bestehen einer aufrechten Ehe- und Lebensgemeinschaft mit der Beschwerdeführerin behauptet. Der von der belangten Behörde als wichtigstes Beweismittel bezeichnete Ehemann habe zunächst das Bestehen einer Ehe mit der Beschwerdeführerin bekräftigt, dann das Vorliegen einer Aufenthaltsehe behauptet und schließlich vor Gericht das Bestehen einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft wiederholt. Es sei auch zu keinem Zeitpunkt ein Verfahren gemäß § 21 EheG eingeleitet worden.

Damit zeigt die Beschwerde jedoch keine Rechtswidrigkeit der behördlichen Beweiswürdigung auf.

Die Beschwerdeführerin geht insbesondere mit keinem Wort auf die "Ehevereinbarung" vom ein, wonach zwischen ihr und ihrem Ehemann vereinbart wurde, die Ehe aus rein wirtschaftlichen Gründen, also ohne eine Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft einzugehen, zu schließen. Der Inhalt dieser "Ehevereinbarung" bestätigt die Angaben des Ehemannes der Beschwerdeführerin vom , dass mit der Ehe der Zweck verfolgt worden sei, der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht und einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu verschaffen, und eine eheliche Gemeinschaft nie geplant gewesen sei.

Einem Beschluss über die einvernehmliche Scheidung einer Ehe gemäß § 55a EheG und den dazu führenden Angaben der Parteien im Hinblick auf Natur und Zweck der geschlossenen Ehe kommt kein entscheidender Beweiswert zu, weil für einen derartigen Scheidungsbeschluss lediglich Formalangaben vorausgesetzt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0388, mwN). Entgegen der Beschwerdeansicht setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, die Nichtigerklärung der Ehe nicht voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0566, mwN).

Soweit die Beschwerde rügt, die angebliche Vermittlerin der Aufenthaltsehe sei nicht befragt worden, unterlässt sie es - abgesehen davon, dass eine entsprechende Zeugenbefragung während des Verwaltungsverfahrens nicht beantragt wurde -, das Beweisthema zu konkretisieren und anzugeben, welches für die Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis die Beweisaufnahme erbracht hätte; die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wurde jedenfalls nicht dargetan.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Erwägungen kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis nicht als unschlüssig erkannt werden.

In Bezug auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG bringt die Beschwerdeführerin vor, sie halte sich seit nahezu vier Jahren durchgehend in Österreich auf, sei legal beschäftigt, habe sich in Österreich wohlverhalten, sei niemals rechtskräftig bestraft worden und sei "tiefgreifend integriert". Die belangte Behörde hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin keine familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend gemacht hat und sowohl ihr Aufenthaltstitel als auch ihr Zugang zum Arbeitsmarkt auf das verpönte Verhalten zurückzuführen sind. Worin die "tiefgreifende Integration" der Beschwerdeführerin bestehen soll, lässt die Beschwerde offen. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht höher zu bewerten seien als das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, das durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe schwerwiegend beeinträchtigt wird, ist daher nicht zu beanstanden.

Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht umfassend festgestellt, wird in der Beschwerde nicht konkretisiert, sodass die Relevanz des vermeintlichen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird. Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin sowohl im Rahmen ihrer Stellungnahme vom als auch im Rahmen der Berufung ausreichend Gelegenheit, sich Parteiengehör zu verschaffen; auch dieser Verfahrensrüge ist der Boden entzogen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am