VwGH vom 19.12.2012, 2009/22/0294
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 319.159/2-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Republik Kosovo, vom auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), § 8 Z 7 lit. b NAG-Durchführungsverordnung (NAG-DV) iVm § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz (UG) ab.
In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde fest, dem Beschwerdeführer sei für die Zeit von bis im Verlängerungsverfahren eine Aufenthaltserlaubnis "Ausbildung" gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 Fremdengesetz 1997 - FrG erteilt worden. Vom bis zuletzt habe er "weitere Aufenthaltsbewilligungen 'Studierender'" erhalten. Seitens der erstinstanzlichen Behörde sei er mehrmals über die Notwendigkeit des Nachweises eines entsprechenden Studienerfolges in Kenntnis gesetzt worden. Seine letztmalige Aufenthaltsbewilligung, gültig von bis , sei ihm aufgrund der Stellungnahme seines damaligen Rechtsvertreters vom erteilt worden; in dieser habe er angegeben, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, das Studium entsprechend fortzusetzen. Die ärztliche Behandlung Ende Februar 2008 wäre letzten Endes erfolgreich gewesen.
Am habe er den gegenständlichen Antrag eingebracht. Laut Studienblatt der Universität Wien, Sommersemester 2009, sei er sowohl für das Bakkalaureatstudium S als auch für das Diplomstudium R gemeldet. Im erstinstanzlichen Verfahren habe er ein Sammelzeugnis vom vorgelegt, aus welchem lediglich vier positiv abgelegte Prüfungen (sechs Semesterstunden bzw. 9 ECTS-Punkte) hervorgingen. Im Zuge der Berufung habe er erneut ein mit datiertes Sammelzeugnis vorgelegt, "aus welchem Prüfungen im Zeitraum von bis mit ebenfalls 6 Semesterstunden und 8 ECTS - Punkten erkennbar" seien. Da in seinem Fall die Voraussetzungen gemäß § 64 NAG iVm § 8 Z 7 lit. b NAG-DV und § 75 Abs. 2 UG nicht vorlägen und er "trotz mehrmaliger Belehrungen über diesen Umstand keinen entsprechenden Studienerfolgsnachweis" hätte erbringen können, sei sein Antrag vom abzuweisen gewesen.
Seine im Berufungsschreiben angeführten Gründe des Studienmisserfolges, welche seiner Ansicht nach nicht in seiner Einflusssphäre gelegen, sondern darauf zurückzuführen wären, dass er im September 2008 nach Serbien hätte ausreisen müssen, um die Kriterien für sein Studium "S" zu erfüllen, hätten von der belangten Behörde "nicht gewertet werden" können. Es lägen keine Gründe vor, die seiner Einflusssphäre im Sinne des § 64 Abs. 3 NAG entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar gewesen seien, und ihn an der erfolgreichen Ablegung der im vorangegangenen Studienjahr vorgesehenen Prüfungen "im Umfang von mindestens 16 ETCS-Anrechnungspunkten" gehindert hätten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall kam das NAG idF BGBl. I Nr. 38/2009 zur Anwendung.
Gemäß § 64 Abs. 3 erster Satz NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums nur zulässig, wenn der Fremde nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität erbringt.
§ 75 Abs. 6 UG BGBl. I Nr. 120/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 74/2006 besagt, dass die Universität einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen hat, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat.
Gemäß § 8 Z 7 lit. b NAG-DV BGBl. II Nr. 451/2005 ist ein schriftlicher Nachweis über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr vorzulegen.
Gemäß § 52 UG beginnt das Studienjahr am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres. Da gemäß § 24 Abs. 1 NAG Verlängerungsanträge vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels einzubringen sind, kann das "vorangegangene Studienjahr" im vorgenannten Sinn bei Antragstellung nur dasjenige sein, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegt.
Der Beschwerdeführer verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung bis zum . Mit dem Verlängerungsantrag war somit grundsätzlich der Studienerfolg im Studienjahr 2007/2008 nachzuweisen. Maßgeblich ist nämlich das abgeschlossene und nicht das aktuell laufende Studienjahr (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0125). Anders würde sich die Sach- und Rechtslage nur dann darstellen, wenn aufgrund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Studienjahr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag verstrichen wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0036); in diesem Fall wäre auch die Erbringung (seitens des Beschwerdeführers) bzw. die Einforderung (seitens der Behörde) eines Erfolgsnachweises für das zuletzt abgelaufene Studienjahr (hier: 2008/2009, somit für den Zeitraum vom bis zum ) zulässig.
Im vorliegenden Fall trifft mit Blick auf die Antragstellung am bzw. das Gültigkeitsende der letzten Aufenthaltsbewilligung () und der Erlassung des angefochtenen Bescheides mit der letztgenannte Umstand nicht zu; es war daher der Studienerfolg für das Studienjahr 2007/2008 nachzuweisen. Somit gehen - entgegen den umfassenden Ausführungen in der Beschwerde dazu - jegliche Erfolgsnachweise über Prüfungen, die außerhalb dieses Studienjahres, somit vor dem oder nach dem abgelegt wurden, ins Leere.
Entscheidend ist somit die Frage, ob der Beschwerdeführer bezogen auf den maßgeblichen Zeitraum den geforderten Studienerfolgsnachweis gemäß § 64 Abs. 3 NAG iVm § 75 Abs. 6 UG erbracht hat. Die Beschwerde behauptet dazu sinngemäß, der Beschwerdeführer habe in diesem Zeitraum Prüfungen im Umfang von 23 ECTS-Punkten abgelegt: ihm seien nämlich laut vorgelegtem Sammelzeugnis vom auch aufgrund zuvor an der Universität Prishtina abgelegter Prüfungen das "Basismodul S" sowie das "Basismodul B" mit angerechnet worden, welche zusammen 16 ECTS-Punkte zählen würden.
Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
In ihren Feststellungen verweist die belangte Behörde dazu im angefochtenen Bescheid - ohne weitere Konkretisierung - lediglich darauf, dass ein mit datiertes Sammelzeugnis vorgelegt worden sei, aus welchem Prüfungen im Zeitraum vom bis mit sechs Semesterstunden und acht ECTS-Punkten erkennbar seien. Daraus lässt sich allerdings nicht nachvollziehen, ob oder inwiefern die belangte Behörde die in diesem Zeugnis auch angeführten, per angerechneten Prüfungen berücksichtigt hat. Dass diese Prüfungen grundsätzlich nicht anrechenbar seien, hat sie nicht festgestellt und folglich auch nicht begründet. Die belangte Behörde wäre aber schon deshalb gehalten gewesen, auf diese Prüfungen Bedacht zu nehmen, weil deren Anrechnung in den entscheidungsrelevanten Zeitraum fällt und sie daher für den Studienerfolgsnachweis im Grunde tauglich gewesen wären (vgl. zur Relevanz angerechneter Prüfungen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0105). Dass im zitierten Sammelzeugnis diese Prüfungen nicht mit einem ECTS-Punkte-Äquivalent angeführt wurden, berechtigte die belangte Behörde im Übrigen nicht dazu, diese angerechneten Prüfungen ohne weiteres außer Acht zu lassen.
Da nicht auszuschließen ist, dass im Fall der Berücksichtigung dieser Prüfungen, die belangte Behörde zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre, war dieser Verfahrensmangel auch als relevant anzusehen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-70650